Beschleunigung

Wie langsam und unbeweglich war doch die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden.

Wie langsam und unbeweglich war doch die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden. Wenn jemand irgendwohin reisen wollte, brauchte er eine Menge Zeit. Er war auf Kamele oder Pferde angewiesen, die pro Stunde etwa 13 Kilometer zurücklegten. Das ganze Mittelalter hindurch musste sich der Mensch mit Höchstgeschwindigkeiten von 20, und in der Neuzeit von circa 100 Stundenkilometern zufrieden geben. Und wer auf Segelschiffen reiste, war den Launen der Winde ausgeliefert und kam vielleicht mit 10 Stundenkilometern voran.

Was der Menschheit in Millionen Jahren nicht gelang, gelang ihr innerhalb der letzten 60 Jahre. Sie schaffte mit Hilfe der Flugzeuge nicht für möglich gehaltene, atemberaubende Beschleunigungen, und mit Hilfe der Raketen 28.000 Stundenkilometer.

Dieser Fortschritt hat die Erde klein gemacht und Länder und Städte geographisch zusammengeschoben. Wir Menschen von heute sind sehr schnell geworden und können am selben Tag in Frankfurt das Frühstück einnehmen und in Neu Delhi zum Abendessen gehen. Eine solche Reise wurde bequem und kürzer als einst eine Kutschenfahrt von Weimar nach Berlin. Wenn man die Zeit verkürzt, verkürzt man damit auch die Räume. Und alle werden mit einem Mal die Nachbarn aller. 

Die Menschheitsgeschichte ist mit der Zunahme der Beschleunigung in einen neuen Abschnitt eingetreten. Es wird von jetzt an nicht mehr möglich sein, die Probleme ferner Länder von sich fernzuhalten, weil es ferne Länder nicht mehr gibt. Die Menschen werden von jetzt an alles versuchen müssen, dass sie auch geistig und menschlich einander näher rücken, damit der technische Fortschritt ein humaner Fortschritt wird, und sich alle Menschen als Geschwister sehen.


P. Walter Rupp, SJ