Fragen zum Gebet

Hört sich Gott das alles an, alle Bitten, auch Unmutsäußerungen, Forderungen, Beschwerden, Flüche und Geschwätz?

Wie viele Gebete die Menschheit täglich nach oben schickt, darüber gibt es keine zuverlässige Statistik. Mancher fragt sich: Hört sich Gott das alles an, alle Bitten, auch Unmutsäußerungen, Forderungen, Beschwerden, Flüche und Geschwätz? Ja, was hält er von den nach dem Aufwachen gesprochenen Morgengebeten? Was von dem Innehalten kurz vor dem Ins-Bett-gehen nach dem Ausschalten des Fernseh-Gerätes? Und was hält er vom fernöstlichen Meditieren? Ja, wann kam das letzte Dankgebet im Himmel an? Zu der Zeit, als es den Wohlstand noch nicht gab? Und wofür meinte der Beter, dass er danken soll? Bei welchen Gebeten muss sich Gott beherrschen? Bei welchen freut er sich? Bei welchen muss er lächeln? Bei welchen hält er sich die Ohren zu? 

Das morgendliche Zeitungslesen könnte, wie der Philosoph Hegel meinte, "eine Art von realistischem Morgengebet" sein, und das abendlichen Fernsehen eine Art Nachtgebet. Das Gebet verlangt ja nicht den Rückzug aus der Welt, dass man abschaltet, sich in sich versenkt und das Geschehen um sich herum nicht mehr wahrnimmt. Es gab zwar immer Fromme, die Gott und Welt für unvereinbar hielten. Der Beter sollte das Gebet nicht als Fluchtversuch in eine heile Welt missbrauchen, sondern versuchen, Gott in allen Dingen zu finden, nicht nur in der Abgeschiedenheit oder im sakralen Raum, und fähig sein, sich aus dem täglichen Geschehen in der Welt den Stoff für sein Gebet zu holen. 


P. Walter Rupp, SJ