Der Stern von Bethlehem

Der Stern von Bethlehem, der durch seinen Schweif auf sich aufmerksam machte und den drei Weisen vorausging,...

Der Stern von Bethlehem, der durch seinen Schweif auf sich aufmerksam machte und den drei Weisen vorausging, scheint den Ort, wo Jesus geboren wurde, nicht genau gekannt zu haben, sonst hätten die drei Weisen nicht den Herodes und die Schriftgelehrten fragen müssen, wo denn der König der Juden geboren werden soll. Sie merkten bald, dass sie sich bei ihrem Suchen nicht blind auf den Stern und ihre Augen verlassen dürfen und auch den Verstand gebrauchen müssen. 

Sterne sagen nicht immer die Wahrheit, oft lügen sie und schicken noch Licht auf die Erde, obwohl sie schon Jahrhunderte oder gar Jahrtausende erloschen sind. Sie verleugnen stets – wie das ja auch bei den Menschen üblich ist – ihr Alter und möchten ein ganzes Leben lang aussehen, wie sie in ihrer Jugend ausgesehen haben. Es fällt ihnen schwer, zuzugeben, dass sie in vielen Jahrtausenden älter geworden sind. Sie haben eine lange Vergangenheit hinter sich und kennen die Vergangenheit, aber nicht die Zukunft. Dass sie die Zukunft kennen und sagen können, welches Schicksal jedem Menschen bevorsteht, haben sie nie behauptet, das hat ihnen der Mensch angedichtet. Die Voraussage zu Beginn eines Jahres: Es werde manche Überraschung, manche Enttäuschung und nicht erwartete Krisen bringen, trifft stets ein, weil es Jahre ohne Überraschungen, Enttäuschungen und Krisen nie gab und auch nie geben wird. 

Sterne sprechen nicht. Das Stummsein scheint ihnen jedoch schwer zu fallen. Sie flackern deshalb, weil sie beachtet werden möchten, unaufhörlich mit ihrem Licht, das verspätet bei uns ankommt. Den Dolmetscher aber, der die Sprache der Sterne versteht und ihre Signale übersetzen kann, gibt es noch immer nicht.


P. Walter Rupp, SJ