Die Zeiten und die Zeit

Die Uhren haben wesentlich dazu beigetragen, dass der Mensch Ordnung in sein Leben bringen konnte.

Die Zeit begann vor circa 14 Milliarden Jahren, als Gott ins Nichts „Es werde“ rief, und sie wird enden, wenn Gott befiehlt, dass seine Engel zum Endgericht in die Posaunen blasen. Dann wird die Zeit sich nicht im Nichts auflösen, sondern in die Ewigkeit einmünden. Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag. Das Leben des einzelnen und die Menschheitsgeschichte gleichen einem Windhauch. 

Die Patriarchen des Alten Bundes starben – sagt die Bibel – „alt und lebenssatt“, was nach 180, nach 300 oder 600 Jahren nur verständlich ist. Aber gewöhnlich währt das Leben - so der Psalm 90 - siebzig, und wenn es hoch kommt, 80 Jahre. Die Kürze der Zeit zwingt uns, darüber nachzudenken, wie und wofür wir sie einsetzen sollen. Der Ordensgründer Benedikt, der den Wert der Zeit erkannte und deshalb in die Ordensregeln schreiben ließ: „Wenn wir das ewige Leben erlangen möchten, müssen wir jetzt tun, was uns für die Ewigkeit nützen kann“, leitete seine Mönche, die damals vagabundierende Asketen waren, an, wie man den Tag einteilt und mit der Zeit verantwortungsbewusst umgeht. 

Die Uhren haben dann wesentlich dazu beigetragen, dass der Mensch Ordnung in sein Leben bringen konnte. Die Uhren, die anfangs noch keine Zifferblätter hatten und nur zur vollen Stunde schlugen, machten mit der Erfindung des Pendels im 16. Jahrhundert, und mit der Erfindung des Minutenzeigers im 18. Jahrhundert, eine immer genauere Zeitbestimmung möglich. Die Stechuhren erlaubten den Arbeitgebern, die Arbeitszeiten ihrer Angestellten zu überwachen. Und als dann London 1809 das Gaslicht einführte und 1879 Edison das elektrische Licht erfand, wurde es möglich, die Nacht zum Tag zu machen.  

Die Zeit ließ sich dennoch nicht vermehren. Gott hat von der Zeit für jede Zeit gleich viel gemacht: Ein Tag hatte immer 24 Stunden, eine Stunde immer 60 Minuten und eine Minute immer 60 Sekunden. Einen Zeitmangel gibt es deshalb nicht, nur das Problem, mit ihr ökonomisch umzugehen. Wie genau wir sie auch bestimmen können, vor dieser Aufgabe steht jeder täglich neu: Wie fülle ich sie aus? Will ich ein Zeitverschwender sein, der sie vergeudet? Will ich ein Geizhals sein, der alle Zeit für sich behält und davon nichts hergeben will oder aber ein Geschenk daraus machen und Zeit für andere haben? 


P. Walter Rupp, SJ