Die Bibel

Adventskalender

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Die Bibel erzählt häufig Geschichten, die sie nicht zu Ende erzählt,
und spricht häufig von Menschen, die sie nie mehr erwähnt.
„Vieles wurde nicht aufgeschrieben“, schreibt der Evangelist Johannes
„weil die Welt die Bücher nicht fassen könnte, die man dann schreiben müsste.“

Wir wüssten gern, wohin Adam nach seiner Vertreibung ging,
wie Eva mit ihren Schuldgefühlen fertig wurde, und
ob sie - von der Erfahrung ihres Sündenfalls geschockt – Gärten mied?
Was wurde aus Salome? Ließ Herodes sie - damit sie nicht wieder
einen Kopf verlangt - bei Gelagen nicht mehr tanzen?
Und welcher Mann hatte den Mut, eine solche Frau zur Frau zu nehmen?

Schloss sich die heidnische Frau, die durch Berührung
seines Gewandes gesund geworden war, später der Urgemeinde an?
Und ließ sich der Hauptmann, der unter dem Kreuz ausgerufen hatte:
“Wahrhaftig, dieser Mann war Gottes Sohn!“, bald danach taufen? 

Wie erging es den Aussätzigen, den Blinden und den Tauben, nach ihrer Heilung?
Sprachen sie mit niemandem darüber,
nachdem ihnen auferlegt worden war, zu schweigen?
Sündigten die Sünder, die Jesus aufgefordert hatte, nicht mehr zu sündigen, nie mehr?
Hielt der reiche Jüngling weiter an seinem Besitz fest oder entschloss er sich,
doch noch alles oder wenigstens einen Teil seines Reichtums zu verschenken? 

Wie lange versuchte der Satan Jesus nach der Versuchung in der Wüste nicht mehr?
Ging die Samariterin, die – wie sie bekannte - fünf Männer hatte
und doch keinen, nach dem Gespräch mit Jesus
noch eine gültige Ehe ein oder lebte sie mit einem sechsten Mann zusammen? 

Wann traute Nikodemus sich das erste Mal am hellen Tag zu Jesus,
um seine Gespräche mit ihm fortzusetzen?
Zweifelte Thomas, nachdem seine Zweifel widerlegt worden waren,
nie wieder, oder äußerte er neue Zweifel:
Wenn ich nicht selbst sehe, wie er auf den Wolken des Himmels wiederkommt
und sich zur Rechten seines Vaters setzt, glaube ich nicht? 

Warum sagte Jesus auf die Frage, ob viele oder wenige
gerettet werden, nicht, wie viele oder wie wenige gerettet werden?
Und warum gab er dem Pilatus auf seine Frage: ‚Bist du Gottes Sohn’, keine Antwort?
Wie ging es mit Pilatus weiter? Wie viele ungerechte Urteile fällte er noch?
Oder quittierte er aus Reue über seine Fehlentscheidung seinen Dienst? Und
brachten die Wächter, die das Grab Jesu bewacht hatten, es ein Leben lang fertig,
sich vorzulügen, man habe seinen Leichnam gestohlen, während sie schliefen?

Viele biblische Geschichten erwecken erst unsere Neugier und lassen uns dann allein.
Sie müssen noch zu Ende geschrieben werden.


P. Walter Rupp, SJ