Jesus über seine Kindheit

Adventskalender

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Ja, ich wurde in einem Stall geboren, unweit der Stadt Bethlehem,
und als Nachkomme Davids in die Urkunden der Römischen Provinz Palästina eingetragen.
So hat es mir mein Vater erzählt,
und dass er für diesen Eintrag eine hübsche Summe zahlen musste.
Während meines Erdendaseins wurde ich häufig mit der Frage belästigt,
wie das damals wirklich war, als ich geboren wurde.
Aber welches Kind kann sich an seine Geburt erinnern?
Ich kann nur erzählen, was man mir erzählte:
dass man mich in eine Krippe legte, dass ein Engelchor sang
und dass - von Neugier getrieben - eine Menge Hirten kamen,
die sich über einen Kometen wunderten, der über dem Stall, in dem ich lag, stehen geblieben war
und mit seinem Schweif auf mich gezeigt haben soll.
Noch heute muss ich mir von Ungläubigen und Zweiflern den törichten Vorwurf gefallen lassen,
ich hätte sie vor dem Unglauben und Zweifel bewahren können,
wenn ich nur entschiedener aufgetreten wäre und etwas von meiner Macht gezeigt hätte.
Sie behaupten, wenn ich von Anfang an klargestellt hätte,
wer ich bin und woher ich komme, würden sie glauben.
Hätte ich mich als Säugling hinstellen und laut rufen sollen:
„Hört mal alle her: Ich bin mehr als Ihr, mehr als jeder andere Mensch, ich bin Gottes Sohn?“
Damit hätte ich gewiss eine Sensation hervorgerufen
und den Leuten einen interessanten Gesprächsstoff geliefert.
Solange ich auf Erden war, musste ich mir die Aufforderung anhören:
„Tu ein Zeichen!“ „Zeig endlich, was Du kannst!“
Es war schwer, sie mit meinen Worten und meinen Taten zu überzeugen.
Es scheint auch heute noch Leute zu geben, die der Meinung sind,
meine Kindheit wäre keine Kindheit gewesen,
ich hätte meine Göttlichkeit nicht gezeigt und mich hinter der Gestalt eines Kindes versteckt.
Wenn ich hätte reden wollen, hätte ich schon als Säugling reden können,
und auf alle Fragen, auch auf die Frage nach dem Weltende eine Antwort geben können.
Dass ich als Kind genauso unwissend und hilflos wie jedes andere Kind,
und auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen war, glauben sie mir nicht.
Ja, auch ich musste Wissen und Erfahrung erwerben.
Für mich war die Menschengestalt kein Kleidungsstück, das man an- und auszieht.
Ich habe nie zwischen Himmel und Erde gelebt
und habe mich nie vor dem Leid nach oben, in die himmlische Seligkeit zurückgezogen.
Ich habe nie die Rollen gewechselt und bin nie als der überlegene und erhabene Gottessohn
und dann wieder als der schwache Mensch aufgetreten.
Ich war immer Mensch und habe mich zeitlebens den Grenzen unterworfen,
denen jeder Mensch unterliegt.
Es ist nicht möglich, dem Menschen noch ähnlicher zu werden.


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Was dachten seine Hörer, als Paulus sie aufforderte: 
Wer zu stehen glaubt, sehe zu, dass er nicht falle!“

Er hat vergessen hinzuzufügen: Und wer gefallen ist, sehe zu, dass er bald wieder aufsteht.


P. Walter Rupp, SJ