Protokoll eines römischen Distriktbeamten

Adventskalender

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Palästina kann auch im 27. Regierungsjahr unseres Kaisers Augustus – dank der Wachsamkeit und Klugheit unserer Beamten – als eine Provinz des Römischen Reiches angesehen werden, in der sich die Bevölkerung wohl als unterdrückt vorkommt, der Friede jedoch aufrecht erhalten werden konnte. Man wird sich jedoch darauf einstellen müssen, dass die jüdische Bevölkerung, die sich von ihren Traditionen und ihrer Religion nicht lösen will, stets ein Fremdkörper im Römischen Reich sein wird. Gerade die unter der Bevölkerung verbreitete utopische Erwartungshaltung auf einen kommenden Messias, macht die politische Lage instabil. Diese Hoffnung auf ein davidisches Königreiches wurde durch das Erscheinen eines Kometen, der die Nacht erhellte und über einem Schuppen in der Nähe Bethlehems stehenblieb, neu geweckt. Die amtliche Überprüfung der Hirten, die in Scharen zu einem Stall geeilt waren, ergab, dass dort ein Kind geboren wurde, weil dessen Eltern keine Herberge hatten finden können. 

Eine Gefahr sollte man nicht unterschätzen, dass Soldaten der Besatzungstruppen, die länger in Palästina stationiert sind, dem dort herrschenden religiösen Klima nicht gewachsen sind. Es wäre deshalb ratsam, sie nach nicht allzu langer Zeit wieder aus dem Land abzuziehen. Es ist nicht zu übersehen, dass die Zahl römischer Soldaten, die in die Wüste ziehen, um die Bußpredigten eines Mannes anzuhören, der im Rufe steht, ein Prophet zu sein, ja sich sogar taufen lassen, von Tag zu Tag in erschreckendem Maße zunimmt. 

Herodes, der Tetrarch von Galiläa, der einem Gerücht erlag, der König aus dem Hause Davids sei geboren worden und sich veranlasst sah, eine Präventivmaßnahme anzuordnen, nämlich alle Knaben des Landes töten zu lassen, hat durch diese Maßnahme leider überreagiert und die ohnehin gespannte Lage dadurch verschärft. Es wäre deshalb angebracht, seinen Entscheidungsspielraum einzuschränken und darauf zu bestehen, solche Entscheidungen nicht ohne ausdrückliche Genehmigung Roms zu treffen, da solche Anordnungen geeignet sind, die ohnehin explosive Stimmung anzuheizen. Die Einträge in die Steuerlisten konnten zwar ohne größere Unruhen durchgeführt werden, aber mit der Tatsache, dass es damit den Juden unmöglich gemacht wurde, sich ihren Verpflichtungen gegenüber dem Staat zu entziehen, habe man eine Situation von besonderer Brisanz geschaffen. 

Von großer Bedeutung wäre, endlich eine einheitliche Zeitrechnung einzuführen. Die verschiedenen Zeitrechnungen nach irgendwelchen Ereignissen, Konsuln oder Herrschern sei auf Dauer unerträglich und mache eine Geschichtsschreibung, die nicht bloß von regionaler Bedeutung sei, sondern für ein Weltreich gelte, unmöglich. Da eine Zeitrechnung nach der Entste-hung der Welt nicht mehr möglich sei, solle man einen Neuanfang machen und endlich die Zeitrechnung nicht mehr nach den Konsuln, sondern nach Augustus, dem wahren Herrscher der Welt berechnen. 


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Was dachten seine Jünger, als er sagte: „Ihr seid das Salz der Erde!“ 

- Sollen wir etwa bitter schmecken?


P. Walter Rupp, SJ