Der Engelchor

Adventskalender

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Der Engelchor, der nach Bethlehem geschickt worden war, um bei der Geburt des Jesuskindes das ‚Gloria in excelsis Deo’ (das ‘Ehre sei Gott in der Höhe‘) zu singen, wurde gleich nach seiner Rückkehr in den Himmel von den vielen neugierigen Engeln, die nicht hatten mitreisen dürfen, aber etwas über die Erde und die Menschen erfahren wollten, umringt. Wie sehr sie auch beteuerten, ihr Aufenthalt sei ja nur kurz gewesen, sie hätten sich ganz auf das Singen konzentrieren müssen und außerdem sei Nacht gewesen …, sie wurden mit einer Fülle von Fragen bedrängt: wie denn der Gottessohn empfangen wurde? Ob Könige ihre Kronen vor ihm niedergelegt hätten? Ob man in Jerusalem Christkindlmärkte aufgestellt habe? Ob sich die Politiker wenigstens diesen Abend in ihrem Terminkalender freigehalten hätten? Ob neben dem Ochsen und dem Esel auch die Presse und das Fernsehen an der Krippe waren? Und Gabriel, der Maria die Botschaft von der Menschwerdung Jesu vor kurzem hatte bringen dürfen, wollte wissen, ob der Gottessohn wirklich aussehe wie jeder andere Mensch und so hilflos sei wie jeder andere Säugling. 

Ein schon etwas ergrauter Engel, der immer gern von sich und seiner Vergangenheit sprach, und auf die jüngere Generation der Engel neidisch war, weil sie – was zu seiner Zeit undenkbar war – neuerdings mit Flügeln ausgerüstet wurden, äußerte verächtlich: „Was ist schon heute ein Ausflug auf die Erde? Als wir damals dem Patriarchen Jakob im Traum erschienen, mussten wir auf einer Leiter durch das ganze Weltall auf- und niedersteigen“. Ein anderer Engel, der auch schon in die Jahre gekommen war, pflichtete ihm bei und meinte, es sei jetzt zu befürchten, dass unter Engeln ein Erd-Tourismus einsetze und die jungen Engel, die gern Urlaub machen, künftig - da sie Flügel haben - schnell mal zu einem Kurzbesuch zur Erde fliegen.  

Als der Engel, der das erste Menschenpaar aus dem Paradies vertreiben musste, äußerte: es sollten eigentlich täglich Scharen von Engeln zur Erde fliegen, um irgendeinen Menschen von einer Untat abzuhalten, er verstehe nicht, warum man dem Menschen gegenüber, dem nicht zu helfen sei, so viel Geduld aufbringe, da begannen die Engel, die eben von Bethlehem gekommen waren, den älteren Engeln heftige Vorwürfe zu machen: Sie hätten an den Menschen immer etwas auszusetzen und gleich nach dem Sündenfall überall das Vorurteil verbreitet, der Mensch sei zum Guten überhaupt nicht fähig. Es sei an der Zeit, endlich umzudenken. So viel hätten sie bei ihrem Ausflug auf die Erde - trotz der Dunkelheit – doch mitbekommen, dass es sehr wohl Menschen guten Willens gebe. Die vielen, die am Weihnachtsabend in den Stall strömten, wären nicht aus bloßer Neugier gekommen, sondern weil sie eine große Sehnsucht nach dem Kommen Gottes hatten. Wenn die Menschen so hoffnungslos verdorben wären - wie mancher prominente Engel meint - dann hätte der Gottessohn sich das gewiss nicht angetan, ein Mensch zu werden. 

Da mischte sich der Erzengel Michael, der bisher geschwiegen hatte, ein und sagte erregt: „Wir Engel sind zwar diesen Wesen da unten geistig überlegen, aber wir sollten uns hüten, zu meinen, wir wären klüger als das Jesuskind!“ Dabei blickte er so zornig um sich, dass sich die Engel, die sich kritisch über die Menschwerdung geäußert hatten, schleunigst aus dem Staub machten, weil sie fürchteten, er könnte wieder auf den Gedanken kommen, die aus dem Himmel hinaus zu werfen, die ihm widersprechen.


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Was dachten seine Jünger, als er sagte: 
Wo zwei oder drei in meinem Name versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ 

- Gilt das nur für Nonnen und für Mönche, oder auch für die, die nicht in Klöstern leben?


P. Walter Rupp, SJ