"Zu Weihnachten zeigt Gott sein wahres Gesicht"

25. Dez 2007

"Gott kommt auf die Welt, aber nicht um uns einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, sondern um für immer bei uns zu bleiben. Er kommt auf uns zu, schenkt uns seine heilsame Nähe, will die gebrochenen Herzen heilen und denen, die nichts mehr erwarten, neue Hoffnung und Zuversicht schenken."

Die Welt nimmt ihren gewohnten Lauf. Die Menschen sind voller Unrast, die Hektik regiert. Die Welt nimmt nicht Notiz von dem, was am Rande passiert. Es sticht nicht ins Auge. Es ist keine Schlagzeile wert.

 

Ein Kind kommt auf die Welt - was soll's? Es ist ein Kind armer Leute. Die Türen, an die geklopft wird, öffnen sich nicht, aber vorher schon waren die Herzen verschlossen. Wie oft bleiben Türen verschlossen für arme Leute? Sie sind lästig, unbequem, sie erinnern uns an unser Fehlverhalten und halten uns einen Spiegel vor. Sie haben keinen Namen, zählen nicht, werden so oft wie Nummern behandelt. Nummern für die Statistik.

 

Manchmal frage ich mich: gibt's ein Schlupfloch, wo die Menschlichkeit und Barmherzigkeit eindringen können durch das fein gesponnene Netzwerk der Paragraphen und Gesetze? Man hat sich ja nur an das Gesetz gehalten und lehnt sich bequem zurück. Manchmal bläst der eisige Wind des Egoismus. Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes.

 

"Erschienen sind die Güte und Menschenliebe Gottes", heißt es im Brief an Titus. Aus Liebe setzt sich Gott in Bewegung. Er verkürzt alle Distanz und kommt auf die Menschen zu. Die Menschen am Rande haben seit jeher ein besonderes Gespür für Ihn gehabt. Wie die Hirten z.B.: sie sind Außenseiter, sie wurden verachtet und durften keinen Tempel betreten. Die Hirten machen sich eilends auf. Wunderbares ist geschehen. Mitten in der Nacht sehen sie ein Licht, wo die anderen für alles blind sind. In der Stille, wo die anderen nichts hören, horchen sie aufmerksam und es wird ihnen Un-er-hörtes berichtet: ein Kind ist geboren, es ist Gottes Sohn. Mitten in der Angst verspüren sie unbeschreibliche Freude und sie kommen aus dem Staunen nicht heraus. Sie hatten die Sehnsucht wach gehalten in ihren Herzen.

 

Weihnachten: Gott kommt ganz leise auf diese Welt, gleichsam durch die Hintertür, überhaupt nicht spektakulär, und so wird er nicht wahrgenommen. Gott kommt auf die Welt, aber nicht um uns einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, sondern um für immer bei uns zu bleiben. Er kommt auf uns zu, schenkt uns seine heilsame Nähe, will die gebrochenen Herzen heilen und denen, die nichts mehr erwarten, neue Hoffnung und Zuversicht schenken. Er kommt als Kind - d.h. Gott verzichtet auf alle Macht. Oder besser gesagt: seine Macht ist seine Liebe, eine Liebe, die alles umfängt. Er kommt wehrlos. Ein Kind stellt für niemanden eine Gefahr dar. Ein Säugling jagt niemandem Angst ein, sondern weckt Gefühle der Zärtlichkeit. Die Liebe des göttlichen Kindes ist richtig entwaffnend. Wo Jesus eingelassen wird, wo man seine Kriterien übernimmt, da werden Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet, baut man auf die Überzeugungskraft der Ideen und lässt die Waffen schweigen. In der Zeit um Weihnachten sind wir irgendwie anders.

 

Eine Mitarbeiterin der Caritas sagte mir vor ein paar Tagen: "Die Menschen sind in diesen Tagen offener, zugänglicher, bereiter zu helfen. Könnte man doch das verlängern!" Ich konnte ihr nur beipflichten. Zu Weihnachten atmen wir die frische Luft der Brüderlichkeit. Es fällt uns leichter gut zu sein in diesen Tagen, wir gehen behutsamer miteinander um. Wir sind angerührt vom Geheimnis der Menschwerdung Gottes und lassen die Liebe Gottes mehr an uns herankommen, sind empfänglicher für sie. Wir ahnen, das eine andere Welt möglich wäre, wenn der Mensch nach Christi Beispiel den Weg nach unten, den Weg der dienenden Liebe gehen würde und sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellte.

 

Eine tiefe Sehnsucht bricht auf nach einer neuen, friedvolleren Welt, wo jeder Mensch angenommen und beachtet wird. Wir sagen manchmal: "dieser Mensch hat sein wahres Gesicht gezeigt." Wenn wir diesen Terminus gebrauchen, dann zumeist im negativen Sinn. "Jetzt wissen wir, was in ihm steckt. Er ist zu allem fähig. Er ist gemein, hinterhältig, verlogen usw".

 

Zu Weihnachten zeigt Gott sein wahres Gesicht, er zeigt ganz deutlich, was in ihm steckt. Er ist Liebe, die Brücken schlägt zu den Menschen, Jesus ist diese tragfähige Brücke, die unter all der Last unserer Schuld nicht zusammenbricht und über die wir zum Vater gelangen. "Wäre doch Weihnachten bald vorbei" seufzen so manche. Ich kann solche Aussprüche schwer verstehen. Brauchen wir doch solche Feste, um neue Lebensimpulse, neue Hoffnung geschenkt zu bekommen. Wir haben dieses Fest doch so notwendig, damit das Feuer in uns neu angefacht wird, und wir vor Liebe brennen. Wenn wir nicht vor Liebe brennen, werden viele Menschen an der Kälte zugrunde gehen. Man kann auch "frieren" in warm geheizten Wohnzimmern, wenn die Güte, das Wohlwollen und die Herzlichkeit fehlen. Wo Herz Trumpf ist im Kartenspiel des Lebens - da ist Weihnachten spürbar!

P. Elmar Pitterle SVD, Elke Grafl