Barock und Romantik beim Orgelkonzert in St. Gabriel

30. Sep 2010

Das zweite Konzert, mit Mag. Gerlinde Bachinger am Samstag, dem 25. September um 19.00 Uhr in St. Gabriel, stellte Orgelmusik des deutschen Barock der Orgelmusik der französischen Romantik gegenüber.

Gerlinde Bachinger ging in ihrem Konzert vom einflussreichen deutschen Barockkomponisten Vincent Lübeck (1656-1740) aus: Präludium und Fuge in E-Dur, ein strahlendes, optimistisches Werk, das den festlichen Rahmen des Konzerts ankündigte.

 

Das besonders Interesse und vertiefende Studien Gerlinde Bachingers gelten der französischen Romantik - die letzten beiden Jahre verbrachte sie dafür in Toulouse. Dieser Musik war das zweite Stück ihres Konzerts gewidmet: Cesar Franck (1822-1890), Prière, op. 20. Dieses "Gebet" stellte sich allerdings nicht als romantische Berauschung dar, sondern als Hinhören, Zwiesprache, Suche nach Sinn. Eine betrachtende Musik, die die Zuhörer zur Einkehr bewegte.

 

Von diesem Gebet führte Gerlinde Bachinger ihr Publikum weiter zum Nachfolger Francks: Charles-Marie Widor (1844-1937), Marsch aus der Sinfonie Nr. 3 in Fis-Dur. Widor lag daran, die Orgel als umfassendes Instrument ins Spiel zu bringen: Bachinger gelang es, mit variantenreicher Registrierung und kunstreich angelegter Interpretation diesem Wunsch Widors nahezukommen und den Marsch in schillernden Farben darzubieten.

 

Auf die Mitte ihres Konzerts hin wandte sich die Organistin einem zeitgenössischen Stück zu: Erkki-Sven Tüür (*1959), Spektrum I. Dieser Komponist aus Estland sieht in der gregorianischen Musik sowie in Bach und Mahler Vorbilder für seine eigenen Arbeiten. Mit Spektrum - Bild, Erscheinung, aber eventuell auch Gespenst - kam der riesige Raum der Heilig-Geist-Kirche von St. Gabriel gut zur Wirkung, vor allem durch Echowirkungen von kurzen Phrasen und Kluster-Klärngen. Wie oft bei modernen Stücken, war gerade von "Spektrum I" die Zuhörerschaft besonders hingerissen (es gab fast einen Szenenapplaus dafür).

 

Der andere Schwerpunkt im Zentrum des Konzerts konnte nicht anders sein als Johann Sebastian Bach (1685-1750): Präludium und Fuge in G-Dur (BWV 550). Gerlinde Bachinger nahm sich die Freiheit, die Fuge nur im Trompetenregister zu spielen - eine bestechend transparente, provokante Interpretation reiner barocker Lebensfreude.

 

Mit Georg Böhm (1661-1733) setzte sie das Konzert im deutschen Barock fort: "Vater unser im Himmelreich" ist eine reich verzierte Choralbearbeitung, in der der Choral in einer einzelnen Melodiestimme erklingt, begleitet sozusagen von einer reichen Vielfalt anderer Stimmen, die an ein Streichorchester erinnern.

 

Das Konzert fand seinen Abschluss mit Louis Vierne (1870-1937), Finale (aus der Sinfonie Nr. 3 in fis-moll).

 

Als Zugabe spielte Gerlinde Bachinger, nach all der unglaublichen physischen Herausforderung der französischen Komponisten, noch einen Teil aus der berühmten Toccata von C.-M. Widor und sicherte sich damit die Bewunderung ihrer Zuhörer.

Christian Tauchner SVD