Lugo tritt als Präsident an

15. Aug 2008

Die Erwartungen der Menschen an den früheren katholischen Bischof und Missionar sind groß.

Fernando Lugo trat am Fest Maria Himmelfahrt, 15.08.2008, sein Amt als Präsident Paraguays an.  Nach gut 60 Jahren einer Art Feudalregierung erwarten die Menschen sich politische und soziale Gerechtigkeit. Wird Lugo die Hoffnungen erfüllen können? P. Miguel Fritz, der selbst seit vielen Jahren in Paraguay wirkt und Fernando Lugo persönlich kennt, charakterisiert den neuen Präsidenten so: "Lugo ist eine sehr charismatische Persönlichkeit, sehr volksnah, mit einer großen Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und Leuten Mut zu machen. Das war seine Stärke in dem Bistum, wo er gearbeitet hat, und das war auch sein Problem, weil er den sozialen Problemen sich nicht mehr gewachsen fühlte."

 

Fernando Lugo verzichtete auf seinen Bischofssitz, und es wurde vorübergehend ruhiger um ihn. Dass er nun das wichtigste Amt des Landes antrat, erfüllt Paraguay mit großer Hoffnung.

 "Im Augenblick könnten wir uns keine andere Person vorstellen, die dieser Hoffnung so stark ein Gesicht geben könnte wie Lugo. Ich habe nie in diesem Land so viel Hoffnung, so viel Aufbruchsstimmung erlebt, so viel Optimismus wie jetzt im Augenblick. Die Hoffnung ist sicher übertrieben, und das weiß Lugo, so wie es die Leute wissen. Aber er hat es jetzt immerhin geschafft, die 61jährige Feudalherrschaft der Colorado-Partei zu unterbrechen - das war nicht mehr auszuhalten, und eine andere Person aus einem rein politischen Umkreis hätte es wahrscheinlich nicht geschafft. Er hat als eine Person der Kirche so viel Rückhalt gehabt, weil die Kirche die einzige Institution im Land ist, die noch glaubwürdig ist."

 

Lugo hat das Amt des Präsidenten nicht angestrebt, sagt Pater Fritz. Das Verlangen der Bevölkerung, ihn als Staatsoberhaupt zu sehen, wurde freilich immer größer.

"Die Ungerechtigkeiten in unserem Land und die Korruption und was wir hier im Land erleiden mussten und noch müssen, war so stark, und hat dem die Krone aufgesetzt, als der frühere Präsident gegen die Staatsverfassung gehandelt hat. Da hat Lugo gesagt, das können wir nicht so hinnehmen, lasst uns eine Demonstration machen, und hat das organisiert, und das hat so starken Widerhall gefunden, dass die Leute spontan gesagt haben: du musst unser Präsident werden."

 

Die anderen Bischöfe Paraguays rieten ihm ab, doch Lugo beschloss, die Herausforderung anzunehmen und um die Zurückversetzung in den Laienstand zu ersuchen - denn das Kirchenrecht verbietet es Priestern, ein politisches Amt innezuhaben. Nach mehreren Monaten der Erwägung gab der Heilige Stuhl der Bitte nach.  

"Ich kann sagen, dass 90 Prozent der Priester und 100 Prozent der Ordensleute voll hinter Lugo stehen und ihn unterstützt haben. Das hat mit zum Wahlergebnis beigetragen, weil viele Menschen sich orientieren an den Wahlempfehlungen ihrer Hirten. Der Rückhalt für Lugo ist enorm stark."

 

Das zeigte sich bereits im Wahlkampf. Pater Fritz ortet seit Monaten einen Geist des Umbruchs, einen echten Umschwung in den Köpfen.  

"Es ist eine große Bereitschaft da, Verantwortung zu übernehmen. Bisher war die Einstellung da, alles von oben zu erwarten. Das Interessante ist, dass die Wahlkampagne von Lugo nicht finanziert wurde. Er ist zu den Leuten gegangen, und die Leute haben ihm zu essen besorgt, die haben dafür gesorgt, dass er ins nächste Dorf kommen konnte, sie haben eine Baumwollernte gespendet, damit er auch zu ihnen kommen konnte. Er hat keine Schenkungen gemacht, wie andere Politiker es immer gemacht haben. Das zeigt, dass die Leute jetzt gelernt haben: wir können - und wir müssen."

 

Der neue Präsident will in seiner Politik nationale Interessen in den Vordergrund stellen. Für die internationale Geschäftswelt, die seit jeher an Paraguay Rohstoffen interessiert war, macht ihn das eher verdächtig. Einige fürchten, Lugo werde, kaum im Amt, den sozialistischen Kurs eines Hugo Chavez oder eines Evo Morales einschlagen. Pater Fritz meint, Lugo ist vernünftiger. Es entspreche dem Stil des früheren Steyler Missionars, sich von Experten beraten zu lassen, gleichzeitig aber das Gespräch mit einfachen Leuten zu suchen. Und: die moralischen Vorgaben der Kirche zählen für Lugo auch als Laie.  

"Er ist jeden Sonntag in der Messe und hat immer Priester, teils aus seiner früheren Ordensgemeinschaft, mit denen er sich berät."

 

Auf der Agenda des einstigen Bischofs von San Pedro steht eine ganze Reihe von politischen Reformen, mit denen er vor allem den Armen und Benachteiligten helfen will. Eine schnelle Lösung der Energiekrise und der Kampf gegen die Lebensmittelknappheit gehören dazu ebenso wie eine Agrarreform und der Umbau des Justizapparates. Die Armen seien "sein Lebensinhalt", hat Lugo mehrmals betont. Dass er das mit Überzeugung sagt, macht ihn vorab zu einer nationalen Größe. Weniger zählt da für die Menschen, dass ihr neuer Präsident früher Bischof war.  

"Es ist bei vielen Leuten eine ziemliche Unkenntnis da, ist er jetzt noch Bischof oder nicht, und was bedeutet das. Die Leute versuchen nicht mehr Monsignore zu sagen, was ihnen früher immer herausgerutscht ist, aber es spielt für sie nicht die große Rolle. Das ist einfach dieser Fernando, dieser Lugo - und dem vertrauen die Leute."

 

Quelle: Radio Vatikan  (rv 14.08.2008 mc / gs)

ndk