Christliche Mission in muslimischen Ländern ist möglich!

19. Jun 2009

Deutschland - Die Steyler Missionare sind seit über 130 Jahren in der "Mission" - seit fast 100 Jahren auch in muslimischen Ländern. Probleme aufgrund ihres Christseins haben sie dort nicht. Denn letztlich kommt es auf das richtige Verständnis von Mission an.

Seit der Ermordung der beiden Schwesterschülerinnen einer Bibelschule in Lemgo vor wenigen Tagen im Jemen, ist die "kirchliche Mission" wieder in aller Munde - viele Medien haben das Thema wieder für sich entdeckt. Nicht besonders positiv, denn im Laufe der Missionsgeschichte wurden Kulturen und Religionen zerstört und Menschen zum Glaubenswechsel gezwungen. Eine Vorgehensweise, die allseits bekannt, nicht vergessen und auch heute noch von so manch evangelikaler Gruppe umgesetzt werde, wie man einschlägigen Medienberichten entnehmen kann.

 

Mission ist etwas Wunderbares  

Dabei kann Mission etwas Wundervolles sein. Dies zumindest sagt Pater Polykarp Ulin Agan SVD, stellvertretender Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts der Steyler Missionare. "Wir sind tief bestürzt über die Ermordung der beiden Schwesternschülerinnen im Jemen", sagt Polykarp "und beten für sie und ihre Familien. Und wir sind traurig darüber, dass ihr Tod von einigen Medien zum Anlass genommen wird, um das Thema 'Mission' in einem negativen Licht erscheinen zu lassen. Denn, dass Mission in islamischen Ländern zum Teil unter Androhung der Todesstrafe verboten ist, ist nicht ganz richtig. Ich selbst komme aus Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt. Und natürlich gibt es beim Zusammentreffen von unterschiedlichen Kulturen und Religionen viele Herausforderungen im Umgang miteinander, aber letztlich zählt nur, wie man dieses Miteinander ausgestaltet."  

Es kommt also darauf an, wie man Mission versteht! Die Steyler haben im Laufe ihres Wirkens ein ganz neues, ganzheitliches Missionsverständnis entwickelt. "Wir distanzieren uns deutlich von der 'Mission', wie sie von gewissen Gruppierungen gehandhabt wird, über die die Medien negativ berichtet haben. Für uns ist dies ein Schritt zurück zu einem Verständnis von Mission, das wir glaubten, überwunden zu haben. Die 'Missionsfreiheit', die für alle Länder gelten sollte und zur 'Religionsfreiheit' dazu gehört, hat ganz klar dort ihre Grenzen, wo sie mit Furcht oder Zwang operiert oder die Abhängigkeit von Menschen missbraucht."

 

Mission: "Mit" statt "gegen" die Menschen 

Früher wurde Mission oft gegen jemanden betrieben: gegen den Teufel und seine Dämonen, gegen den Irrglauben anderer Religionen und gegen - oder auch in Konkurrenz mit - anderen christlichen Kirchen. "Heute ist es eine Mission mit allen, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung - nämlich die Werte des Evangeliums einsetzen", so Polykarp.  

Die Steyler Missionare haben als internationale Ordensgemeinschaft in allen Kontinenten Wurzeln geschlagen und sind dort heimisch geworden. Vor allem in Asien lernten sie den respektvollen, ja ehrfürchtigen Dialog mit jahrtausendealten religiösen Traditionen. In Afrika und Ozeanien wurden sie konfrontiert mit kulturellen Gegebenheiten, die eine tiefgreifende Inkulturation des Evangeliums verlangten. In Lateinamerika machten sie den Schrei unterdrückter Völker nach Menschwürde und Befreiung zu ihrem eigenen Anliegen.  

"Diese Erfahrungen halfen uns, Mission als 'prophetischen Dialog' zu begreifen", erläutert Polykarp. "Einen Dialog mit Menschen anderer Religionen, Kulturen, mit Armen und Unterdrückten - ganz unabhängig davon, welcher Religion oder Weltanschauung sie angehören." Dialog heißt für die Steyler Missionare: Machtpositionen aufgeben, einander auf Augenhöhe begegnen, den Anderen in seinem Anderssein ernst nehmen und ihm wertschätzend begegnen und vor allem auch selbst offen und kritisch sein für den eigenen Veränderungsprozess.

 

Mission in Indonesien  

In Indonesien sind die Steyler seit 1912. "Wir sind fast in allen Teilen Indonesiens aktiv und haben schon lange vor dem zweiten Vatikanischen Konzil viel in Sachen Dialog zwischen Kulturen und Religionen, Inkulturation und Entwicklungsarbeit geleistet. Viele kulturelle Elemente der Menschen vor Ort haben wir in unsere Liturgie übernommen. Das war und ist sehr wichtig." Die Mutter von Pater Ulin Agan ist Muslimin, sein Vater Katholik. "Meine Primizmesse habe ich vor einer Moschee gehalten. Die Muslime waren Gastgeber. Das ist für mich der Dialog des Lebens", so Polykarp. "Dass die Menschen, mit denen wir arbeiten und leben Muslime sind, ist völlig unwichtig, denn wir möchten ja gerade den Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionen und Kulturen fördern. Egal ob Hindu, Christ, Anhänger einer Naturreligion oder eben ein Muslim. Es gibt keine Berührungsängste - auch nicht von Seiten der Muslime, denn genau wie die meisten anderen auch, freuen sie sich über unser Angebot des Dialogs. Hinzu kommt, dass der Islam in Indonesien sicherlich ein anderer ist als in den arabischen Ländern. Unsere Muslime sind in der Regel toleranter."

 

Vorteil beim Tsunami-Einsatz  

Die Zusammenarbeit mit den Menschen in Indonesien kam den Steylern auch bei der Tsunami-Katastrophe zu Gute: "Viele Hilfsorganisationen hatten Probleme in die betroffenen Gebiete vorzudringen, weil die Menschen ihnen misstrauten. Wir dagegen konnten sofort aktiv werden und waren als eine der ersten Organisationen in Banda Aceh vor Ort - einer Region, die am stärksten von der Katastrophe heimgesucht worden war", erläutert Polykarp.

 

Mission und Dialog

Mission kommt nicht ohne Dialog aus: Wo Mission den Dialog verweigert, wird sie fanatisch, autoritär und sogar gewaltsam. Mission sollte immer dialogisch sein, was dennoch nicht vor Gefahr schützt. "Denn überall, wo sie sich für Menschenrechte einsetzt, die Option für die Armen trifft, solidarisch mit Gewaltopfern ist, ist sie unbequem. Und das kann immer gefährlich werden - übrigens auch in den sogenannten 'christlichen Ländern'", so Polykarp.

 

"bilum" für weltoffene Christen  

Auch in Europa engagieren sich die Steyler für ihr Missionsverständnis. In der Mai-Ausgabe ihres Themenheftes "bilum", herausgegeben von den Steyler Missionaren in Österreich, beschäftigen sich die Steyler intensiv mit dem Thema "Dialog als Weg der Mission". "Wir wollen darin erläutern, dass Mission nicht das Auswendig-lernen eines weltlosen Katechismus ist", erläutert Pater Christian Tauchner, Leiter des Zeitschriftenapostolats der Steyler in Österreich, "sondern, dass es um den ganzen Menschen geht. Fragen der Entwicklungspolitik, Wirtschaftsgerechtigkeit oder die internationale Friedensarbeit können dabei nicht unbeachtet bleiben."

 

Weitere Informationen finden Sie unter

www.steyler.de

www.bilum.at

www.missionswissenschaft-augustin.de

Tamara Häußler-Eisenmann