Kochen mit Obertasse und halber Schüssel

07. Dez 2011

Ingwergebäck, Bückling mit Kartoffeln oder der Quark-Kartoffelauflauf – über 300 Rezepte aus den Jahren 1900 bis 1940 entführen den Leser von „Omas leckerste Rezepte“ in die Zeit, als die Küche noch der Lebensmittelpunkt der Familie war.

Neu aufbereitet und liebevoll mit den Illustrationen von damals dargestellt, eröffnet sich das ganze Lebensgefühl der damaligen Zeit. Ökologisch, ökonomisch und ganz im Slow-Food-Trend.

„Eine große Schüssel Pfifferlinge mit einer Tasse gewürfeltem Schinken in Butter dämpfen. Währenddessen einen guten Teller Reis weich kochen. Dann Reis und Pfifferlingen schichtweise in eine Terrine legen, in einer Obertasse mit Sauerrahm zwei Eier zerklopfen, das ganze über den Auflauf gießen und im Ofenrohr goldgelb backen.“

Dieses Rezept, das die geschmackvolle Zubereitung eines Pfifferlinge-Reis-Auflaufs beschreibt, ist in der modernen Küche kaum umsetzbar. Kochten unsere Urgroßmütter mit den Mengenangaben „Obertasse“, „Teller“ und „Schüssel“, so sind es heute Gramm und Liter. „Viele alte Rezepte sind deshalb in Vergessenheit geraten“, stellt Albert Herchenbach, Chefredakteur der Steyler Familienzeitschrift „stadtgottes“ fest. Dabei schlummern in den Archiven der 133 Jahre alten Zeitschrift Tausende Klosterrezepte, die – neu aufbereitet – auch die heutige Küche mehr als bereichern würden. „Da entstand die Idee, diese alten Rezepte noch einmal herauszukramen und unserer Zeit anzupassen. Wir haben sie dann gesammelt und in unserem neuen Buch „Omas leckerste Rezepte“ herausgegeben.“

 

Lebenszentrum Küche

Das Buch entführt seine Leser in eine Zeit, in der die Küche der Mittelpunkt der Wohnung war. Hier saß die Familie zusammen, weil der Herd gleichzeitig auch die Küche heizte. Hier wurde geredet, gefeiert und natürlich gekocht. „Die Rezepte stammen alle aus den Jahren zwischen 1900 und 1940 und sind damals in der stadtgottes erschienen“, erklärt Herchenbach.

 

Keine Verschwendung

Besonders beeindruckt hat den 61-Jährigen, wie wertvoll Lebensmittel für die Menschen damals waren. „Sie sind so behutsam, sorgsam und nachhaltig mit ihnen umgegangen. Lebensmittel hatten wirklich einen großen Wert. Gekocht wurde, was es den Jahreszeiten entsprechend im Garten und auf dem Wochenmarkt gab; Fleisch war teuer und wurde deshalb meist nur an Sonntagen aufgetischt. Und die Reste wurden nicht etwa in eine Biotonne geworfen, sondern sie wurden phantasievoll für neue Gerichte verwendet.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Films „Taste the waste“ erlangt dieses Buch noch einmal eine ganz andere Bedeutung“, meint Herchenbach. Der Dokumentarfilm zeigt schonungslos, wie unsere Wegwerfgesellschaft mit Essen umgeht. Die zentrale Frage darin lautete: Warum werfen wir die Hälfte aller Lebensmittel auf den Müll? „Und zwar auch Lebensmittel, die völlig in Ordnung sind“, so Herchenbach. Unvorstellbar für den Chefredakteur, der in seiner Zeitschrift immer auch wieder Projekte der Steyler Missionare darstellt, in denen der Hunger der Menschen das zentrale Thema ist.

 

Alte Rezepte – relaunched 

Einfach nur die Rezepte von damals sammeln und abdrucken wollte Albert Herchenbach aber nicht. „Die Rezepte haben wir bearbeitet und unserer modernen Zeit mit Elektroherd und Backofen angepasst. Temperaturangaben und Garzeiten haben wir ergänzt. Auch die Mengenangaben haben wir präzisiert. Oder könnten Sie etwas mit ,ein Teller Mehl' anfangen?“, lacht Herchenbach. 

Nachgekocht hat der Journalist die Rezepte alle allerdings nicht. „Die Gerichte sind doch alle recht nährreich, was damals auch sehr wichtig war, weil die Menschen körperlich hart arbeiteten. Ich würde wohl nach einem guten Dutzend Rezepten nicht mehr durch meine Bürotür passen“, schmunzelt Herchenbach weiter.

Eintöpfe, Aufläufe, Getreidespeisen, Marmeladen, Torten und Gebäck – auf 144 Seiten erleben die Leser das Lebensgefühl der damaligen Zeit. Und natürlich dürfen auch die Tischgebete nicht fehlen.

 

Den Kardinal als Plätzchen

„Meine besondere Empfehlung aus unserer „Weihnachtsbäckerei“ wären die Kardinalsplätzchen. Drei Eiweiß steif schlagen, 100 Gramm Zucker und Vanillezucker dazu, 25 Minuten rühren. Dann 45 Gramm geschälte, fein geriebene Mandeln und 100 Gramm geriebene Schokolade dazugeben. Auf ein Blech mit Backpapier kleine Häufchen dieser Masse bei etwa 160 Grad backen und fünf bis zehn Minuten auskühlen lassen. Lecker!“, meint Albert Herchenbach und reibt sich seinen – kleinen – Bauch.

Tamara Häußler Eisenmann