Blutdiamanten

12. Dez 2011

Unvergänglich, glitzernd, wertvoll – Diamanten sind ein beliebtes Weihnachtsgeschenk unter Liebenden. Was viele nicht wissen: Häufig kleben Blut, Schweiß und Tränen an den Steinen. Denn in Abbauländern wie Sierra Leone schuften die Schürfer wie Sklaven und leben in bitterer Armut. Doch es gibt Alternativen.

Elf Jahre lang herrschte ein blutiger Bürgerkrieg im afrikanischen Sierra Leone. Es war ein Krieg, der vor allem um Diamanten geführt wurde. „Mit dem Verkauf der Steine finanzierten die Kriegsparteien ihren Waffennachschub, und die internationalen Diamantenkonzerne hielten den blutigen Konflikt in Gang, indem sie den Kriegsherren die globalen Märkte erschlossen,“ erklärt der Journalist Michael Obert, der das Land mit seinen Minengebieten bereiste. Jetzt herrscht ein labiler Frieden. Der Warlord Charles Taylor steht vor Gericht, die mitverantwortliche Diamantenindustrie hingegen nicht. Sierra Leona zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Und Obert warnt: „Hält die soziale Ungleichheit an, bei der die meisten Menschen völlig verarmt, aber einige wenige von ihr profitieren, könnte der Krieg jederzeit wieder ausbrechen. Und: Ausgerechnet jene Konzerne, die jahrelang exorbitante Gewinne eingestrichen und Zehntausende von Toten in den diamantenreichen Ländern Afrikas mit zu verantworten hatten, lancierten nach Kriegsende eine millionenschwere Imagekampagne, um Konsumenten darüber aufzuklären, wie der geschundene Kontinent neuerdings vom Abbau der Steine profitiere.“

 

Zahnloser Tiger

Dank des 2003 in Kraft getretenen Kimberley-Abkommens, das über staatliche Herkunftszertifikate den Handel mit diesen „Blutdiamanten“ unterbinden soll, soll sich die Lage verbessern. Doch: „Weit gefehlt,“ sagt Anne Jung, die für medico international viele Jahre lang im Rahmen der Kampagne „Fatal Transactions“ den Kimberley-Prozess kritisch begleitete. „Der Kimberley-Prozess sieht als Selbstverpflichtungsabkommen keine bindenden Regeln für die Mitgliedsländer vor. Klare Regularien zur Überprüfung des Abkommens sowie Bestrafungsmechanismen für Länder, die gegen das Abkommen verstoßen, sind unabdingbar, um dem Abkommen Substanz zu verleihen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Kimberley-Prozess bereits als Vorbild für die Zertifizierung weiterer Ressourcen gehandelt wird.“


Vor Ort im Diamantengebiet

„Wir standen auf einem Erdwall und sahen hinab in die Diamantengruben von Kono, jenes Distrikts, der im Bürgerkrieg wegen seiner Bodenschätze besonders heftig umkämpft war,“ berichtet Michael Obert von seiner Reise. „Von hier aus fressen sich rostrote Krater auf einer Fläche von 20 000 Quadratkilometern durch Sierra Leone. Wir kletterten hinunter, vorbei an Erdhaufen und Teichen wie aus flüssigem Karamell, in denen die Männer bis zu den Schenkeln im Wasser stehen. Ihre Hosen sind zerrissen, mit nacktem Oberkörper schürfen sie mit ihren Sieben nach den wertvollen Steinen“, erzählt Obert. „Die Schürfer arbeiten in Gruppen, in ganzen Familien. 120 000 Menschen mühen sich in Sierra Leone in solchen wilden, aber legalen Minen ab. Manche seit Jahrzehnten.“ Wie viele Diamanten sie in dieser Zeit der Erde abgerungen haben, wissen sie nicht. „Sie wissen aber auch nicht, wie viele Milliarden sie in die Weltwirtschaft gepumpt haben. Sie selbst besitzen nicht einmal die rostigen Siebe, Spaten und Eimer, die sie benutzen“, erklärt Obert bitter.


In der Diamantengrube lernt Obert Solomon kennen. „Er hofft auf einen Diamanten so groß wie seinen Kopf“, sagt Obert. „Damit will er das Schulgeld seiner Kinder bezahlen. Nur die Bildung bringt die Menschen aus diesem Teufelskreis.“


Steyler musste auch in Minen schuften

Ortswechsel: Moses Awinongya lebt und arbeitet in München. Der junge Steyler Missionar stammt aus Ghana. Auch er hat in Diamantenminen gearbeitet. „Als das Geld knapp wurde und die Gefahr bestand, dass meine Eltern das Schuldgeld nicht mehr bezahlen konnten, bin ich mit meinem Bruder auch in die Diamantenminen unseres Landes gefahren, um dort zu arbeiten.“ Moses denkt noch heute mit sehr unguten Gefühlen an diese Zeit zurück. „Die Arbeit war entsetzlich hart. Und dann immer die Angst vor den Regierungsleuten, die uns alle hätten verhaften können. Zudem lagen die Minen in einem Gebiet von Ghana – so weit weg von unserem Dorf – ich verstand die Sprache nicht. Alles war fremd und dann diese furchtbare Arbeit, so viel Angst. Und das alles nur, damit ich weiter zur Schule gehen wollte.“

 

Ein Interview zu den Erlebnissen von Pater Moses finden Sie hier:

http://www.youtube.com/watch?v=vP1O6vE69UA

  

Die Grausamkeiten des Diamantenkrieges

Als in Sierra Leone die Revolutionäre Einheitsfront an die Macht kam, brachte sie die Diamantenfelder gewaltsam unter ihre Kontrolle und entführte Tausende aus ihren Dörfern, um sie zur Arbeit in den Minen zu zwingen. „Nach Schätzungen der Vereinten Nationen konnten die Rebellen für ihre Waffenkäufe auf jährlich bis zu 125 Millionen Dollar aus dem Diamantengeschäft zurückgreifen. Konzerne wie der britisch-südafrikanische Marktführer De Beers profitierten jahrelang skrupellos von den riesigen Gewinnspannen, welche die Fortführung des Krieges für alle Seiten lukrativ machte,“ berichtet Obert. „Den wahren Preis für die Konfliktdiamanten bezahlten die Menschen in Sierra Leone: Zehntausende wurden ermordet, Hunderttausende vertrieben. Als sie zurückkehrten, war ihre Lebensgrundlage zerstört. Ihnen bleibt bis heute nur die Knochenarbeit in den Gruben, wo sie uns jeden Tag erneut von den ungeheuren Grausamkeiten des Diamantenkrieges erzählen“, berichtet Michael Obert weiter. „So wie Tamba Njaujah. Er berichtete in allen Einzelheiten von jenem Tag, an dem die Rebellen sein Dorf überfielen und die männlichen Bewohner zwangen, ihre Hände auf einen Baumstamm zu legen; dann schlugen sie der Reihe nach mit der Machete zu. Er erzählt, wie seine Hände zu Boden fielen. Als er dies erzählte, zog sich die Haut seiner Stümpfe zusammen, als balle er die Fäuste“, sagt Obert. „20 000 Menschen wurden damals von den Rebellen verstümmelt.“


Der engagierte Journalist erzählt von seiner Begegnung mit Salimu Conteh – dem Diamantenhändler. Dieser verkauft die Diamanten an einen der wenigen lizensierten Exporteure in Sierra Leone. Wie viel er den Schürfern für die Diamanten zahlt, verrät er nicht. Dabei weiß Obert: „Die Gewinnspanne der Diamantenhändler beträgt oft mehrere hundert Prozent. Auf dem Weg vom Schürfer und einer Reihe von Zwischenhändlern bis zum Exporteur erhöht sich der Preis der Rohdiamanten um ein Zigfaches. Dazwischen liegen Sklaverei, Blut und Tod.“


Keine Hoffnung für Sierra Leone?

Fast zehn Jahre ist der Krieg in Sierra Leone nun vorbei. Doch auf den Straßen herrscht weiterhin Gewalt, Leid und Hoffnungslosigkeit. „Wir haben uns an einem Abend in ein „Getto“ gewagt – so nennen die Jugendlichen ihre geheimen Treffpunkte in Koidu. Die Gbongbor Street ist kaum beleuchtet. Auf der Straße verkaufen Männer ihre eigenen Hosen und 14-jährige Mädchen für einen halben Euro ihre Körper, um über die Runden zu kommen. Sofort waren wir von Jugendlichen umringt. Sie brüllten uns an, rempelten, steckten ihre Hände in unsere Hosentaschen, auf der Suche nach Geld. Plötzlich erkannten uns einige von ihnen wieder – aus den Minen – und stellten sich schützend vor uns. Einer von ihnen ist Mamadou. Ihn hatten wir einige Tage zuvor kennengelernt. Er erzählte uns: „Unsere Eltern sind im Krieg getötet worden. Wir schuften in den Gruben und schlafen auf der Straße.“ Die meisten von ihnen sind Anfang 20. Kaum einer kann lesen. Dann schrie einer: „Wir waren Kindersoldaten, Mann! Unsere einzige Ausbildung ist die an der Waffe. Wir sind Tausende! Wir sind das Sierra Leone von morgen! Wir wollen keinen Krieg mehr! Aber wenn sich die Situation nicht bessert, wird es wieder Gewalt und Blutvergießen geben! Bald!“


Wer trägt die Schuld?

Für viele Experten tragen die ausländischen Unternehmen die Hauptschuld an der unwürdigen Lebenssituation der Menschen. Für sie ist klar: Solange sklavenähnliche Arbeitsbedingungen herrschen und die Gewinnmaximierung der Unternehmen im Vordergrund steht, wird es keine Diamanten aus Sierra Leone geben, die man ohne ein schlechtes Gewissen tragen könnte. Eine Eine Alternative bietet allerdings die „Fair Trade in Gems and Jewelry“ aus Münster. Kleinbergbauexperten, Edelsteinkundlern und Goldschmieden gründeten diese Initiative, die zum Ziel hat, fairen Handel mit Edelmetallen und Edelsteinen zu etablieren. Die deutsche Initiative hat für die Diamanten aus dem eigenen Vertrieb das Markenzeichen „5C“ entwickelt. Es steht zusätzlich für conflict free (konfliktfrei), child labour free (kinderarbeitsfrei), corruption free (korruptionsfrei). Die Steine werden direkt von Bergbaukooperativen gekauft. Zahlreiche Zwischenhändler, die abkassieren wie im konventionellen Handel, entfallen.


Für den Steyler Missionar aus Ghana liegt das Problem woanders – nämlich in der mangelnden Solidarität unter seinen Landsleuten. „Ich bin weit davon entfernt im Falle Ghanas immer nur ausländische Unternehmen oder den „reichen Weißen“, der die Steine nachfragt, anzuprangern. Aus meiner eigenen Erfahrung her, kann ich nur sagen: Hätte es wohlhabende Ghanaen gegeben, die mich unterstützt hätten, hätten mein Bruder und ich diese traumatischen Erfahrungen in den Minen nicht machen müssen.“ Moses erwartet mehr Solidarität. „Bildung ist für die Menschen die einzige Möglichkeit aus ihrem Elend herauszukommen. Das galt für den kleinen Moses ebenso, wie für die Kinder des Minenarbeiters Solomon in Sierra Leone. Und auch heute gibt es immer noch Tausende kleine Moses und Solomons in Afrika.“ Der 39jährige hat deshalb eine Stiftung gegründet. Mit dieser möchte er Kindern in Ghana eine Schulausbildung ermöglichen. „Die Stiftung Regentropfen – Bildung zum Leben“ kümmert sich ausschließlich um Schul- und Berufsausbildung von Kindern und Jugendlichen in Ghana. Die Philosophie ist, dass jeder Mensch eine von Gott gegebene Gabe hat. Manche können diese Gabe jedoch nicht entfalten bzw. umsetzen, weil sie die Mittel dazu nicht haben. Die Kinder, die wir unterstützen erfahren dadurch eine Solidarität und Verbundenheit, die sie dann hoffentlich auch einmal, wenn sie die Mittel dazu haben, mit anderen teilen können, die sie dann ebenfalls benötigen.“

 

Weiterführende Links:
http://www.stadtgottes.de
http://www.stiftung-regentropfen.com
http://www.medico.de
http://www.faire-edelsteine.de
http://www.steyler-missionare.de


 

Tamara Häüßler Eisenmann und Michael Obert