Der moderne Missionar – ein Hörender

25. Sep 2012

Vor 50 Jahren wurde in Sankt Augustin das Steyler Missionswissenschaftliche Institut auf Initiative des damaligen Generalsuperiors Pater Johannes Schütte gegründet.

Pater Martin Üffing, Direktor des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts
Pater Martin Üffing, Direktor des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts
Pater Johannes Schütte
Pater Johannes Schütte

Schon durch seine Mitarbeit am Missionsdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils „Ad Gentes“ hatte er sich einen Namen gemacht. Bei der diesjährigen Studienwoche, die das Steyler Missionswissenschaftliche Institut in Zusammenarbeit mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD Sankt Augustin veranstaltet, soll es um Entwicklungen im Verständnis von Mission seit „Ad Gentes“ gehen.

Europa als sendende Kirche und die übrigen Länder der Welt als „Missionsländer“, die das Evangelium empfangen dürfen: So sah das Missionsverständnis lange Jahre aus. Das Zweite Vatikanische Konzil, das 1962 begann, sollte die Wende in diesem Denken einläuten. Es war ein ehemaliger China-Missionar, Theologe und Steyler Missionar, der dieses alte, eurozentrierte Missionsverständnis maßgeblich in Zweifel zog: Pater Johannes Schütte. „Pater Schütte war der erste Steyler Generalsuperior, der selber Missionserfahrung im klassischen Sinne hatte“, erklärt der Steyler Pater Martin Üffing, Leiter des Missionswissenschaftlichen Instituts. „Er hat immer wieder – auch später als Generalsuperior der Steyler Missionare – betont, dass diese Erfahrung maßgeblich in sein Missions- und Selbstverständnis mit eingeflossen ist."

Die theologische Auseinandersetzung mit dem Thema Mission war ein nicht unerheblicher Teil des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad Gentes“ legt das Konzil einen Entwurf von Mission vor, dem ein dynamisches Bild von Kirche zu Grunde liegt. „Es dauerte lange, bis das Dekret verabschiedet wurde“, weiß Üffing. „Pater Schütte gehörte federführend zur Kommission, die die letzte Fassung dieses Dekrets abgefasst hat. So konnte er sein aus der Mission geprägtes Missionsverständnis miteinfließen lassen. Und dieses hat einiges verändert.“

 

Mission früher und heute

Früher gingen Ordensleute vielfach in Kolonien ihres Heimatlandes und arbeiteten dort unter dem Protektorat der Kolonialmacht. „Diese enge Zusammenarbeit zwischen Kolonialimus und Mission, von der man sprach, weil Missionare auch den Kolonialbeamten bei der ,Zivilisierung‘ und Europäisierung der einheimischen Bevölkerung halfen und deshalb auch als ,Steigbügelhalter‘ der Kolonialisten galten, ist aus heutiger Sicht ziemlich fragwürdig“, erklärt Üffing. „Heute ist es aufgrund vieler Entwicklungen seit dem Zweiten Weltkrieg und seit ,Ad Gentes‘ ziemlich anders. Wie Mission gelebt wird – da gibt es sicherlich viele Wege. Das hängt auch stark von der jeweiligen Situation ab. Wir sprechen von kontextueller Evangelisierung‘. In der jeweiligen Situation gilt es herauszufinden: Wer sind die Menschen, zu denen ich gesandt bin – und was sind die wichtigsten Bedürfnisse dieser Leute? Und wenn die Leute das Bedürfnis nach Wasser haben, dann kann sich auch der Bau eines Brunnens aus der Botschaft des Evangeliums ergeben. Soziales Engagement wie der Bau von Brunnen, Häusern, Schulen hat mit der christlichen Überzeugung zu tun, dass jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden sollte.“ 

 

Die Gründung des Instituts

1962 wurde das Steyler Missionswissenschaftliche Institut gegründet. „Das Institut wurde weniger durch einen formalen Akt der Gründung ins Leben gerufen“, erklärt Üffing, „sondern durch eine Veröffentlichung, die seitdem als Reihe vom Steyler Missionswissenschaftlichen Institut herausgeben wird. Schütte war wichtig, dass die Arbeit der Missionare weltweit auch wissenschaftlich reflektiert wird. Für die konkrete Arbeit beim Aufbau des Instituts vor Ort in Sankt Augustin waren Pater Josef Schmitz und Pater Johannes Fleckner verantwortlich. Ohne sie und zahlreiche weitere Steyler Missionswissenschaftler vor Ort und in der ganzen Welt sowie die Mitarbeiterinnen hätte sich das Institut nie entwickeln können. Das Team vor Ort ist für unterschiedlichste Aufgaben verantwortlich und koordiniert die Beiträge zur Arbeit des Instituts aus aller Welt.“ 

Seit seiner Gründung ist das Institut im weiten Feld der Missionswissenschaft tätig. Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit werden auch an Missionare weitergegeben. „Missionarische Grundlagenforschung beschäftigt sich mit Fragen nach den Gründen und Motiven für Mission. Zum einen sind da der Auftrag und die Mission Jesu im Neuen Testament, an der wir uns immer wieder zu orientieren haben. Aber im Laufe der Geschichte des Christentums hat es verschiedene Interpretationen und Verständnisse dieser Sendung gegeben, an der auch wir als Christen, Kirche und Orden heute teilhaben. Und auch mit diesem Wandel des Verständnisses von Mission setzt sich das Institut auseinander.“

Das Institut versteht sich als Brückenbauer. „Wir glauben, dass wir einen wichtigen Beitrag leisten für ein besseres Verständnis von Menschen verschiedener Kulturen und Religionen.“ Mission wird heutzutage längst nicht mehr als Transfer in die Missionsländer, sondern als Dialog verstanden.

 

Wann ist ein Missionar ein guter Missionar?

„Ein guter Missionar ist nach dem heutigen Missionsverständnis ein Mensch, der in der Lage ist zuzuhören. Der in der Lage ist, sich selbst zurückzunehmen, der vorurteilsfrei in eine neue Situation hineingeht und in dieser Situation lebt, ohne direkt Korrekturvorschläge zu machen, oder der meint, den Menschen Rezepte an die Hand geben zu müssen, wie sie ihr Leben besser gestalten könnten. Ein Missionar ist also ein Hörender.“ Übrigens nicht nur in der Fremde. „Auch in der eigenen Kultur muss ein Missionar, muss eine Missionarin hinhören und hinsehen. Mission ist ein Dienst an den Menschen und Missionare nehmen – motiviert vom eigenen Glauben – an diesem Dienst teil. Es geht nicht darum, die eigene Agenda den anderen aufzuzwingen, sondern in der Begegnung mit anderen Menschen eine gemeinsame Agenda aufzustellen.“

Diesjährige Studienwoche beleuchtet Nachwirkungen von „Ad Gentes“
Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens lädt das Missionswissenschaftliche Institut in diesem Jahr zu seiner Studienwoche „Entwicklungen im Missionsverständnis seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil“ ein. „Die Referate wollen erinnern und unseren Blick auf missionarische Herausforderungen der Gegenwart lenken“, sagt Pater Üffing. Dabei soll der Blick in die Geschichte sowie auf Mission in verschiedenen Kontexten bei der Bestimmung des eigenen Standorts helfen und zugleich Horizonte hin zu den jeweils „Anderen“ erweitern.

Mission ist nach Ansicht der Wissenschaftler des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts immer gleichzeitig kontextuell und universal: eigene Kontexte im Blick behalten, ohne die Verantwortung für Andere und für das Ganze zu vernachlässigen, die sich aus der Botschaft des Evangeliums ergibt.

 

Studienwoche des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts und der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD
„Entwicklungen im Missionsverständnis seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil“
15. – 19. Oktober 2012

Anmeldungen bis 5. Oktober erwünscht an: missionswissenschaft@steyler.de

 

 

Zum 50 jährigen Bestehen des Missionswissenschaftlichen Institutes gibt’s auch einen Infoclip:

Tamara Häußler Eisenmann