„Eine erhebende Erfahrung“

13. Jun 2012

Am Sonntag beginnt das 17. Generalkapitel der Steyler Missionare. Rund 130 Delegierte aus den Wirkungsländern treffen sich in Rom, um die Schwerpunkte der Arbeit der nächsten Jahre zu besprechen. Unter ihnen ist auch der deutsche Missionar Pater Norbert Prittwitz, aus der brasilianischen Nordprovinz.

 

Pater Prittwitz, was passiert eigentlich auf einem Generalkapitel?

Das Generalkapitel ist die höchste Autorität unserer Ordensgemeinschaft. Es tritt alle sechs Jahre zusammen und besteht aus Amtsträgern und Delegierten der Mitbrüder aus den Provinzen. Es beurteilt die aktuelle Situation der Welt und der Gesellschaft und überprüft unsere Aufgaben als Missionsgemeinschaft. Außerdem wählt es den Generalsuperior und die Generalräte.

 

Die Teilnehmer kommen aus vielen verschiedenen Nationen. Wie verständigen Sie sich in Rom?
Die offiziellen Amtssprachen auf dem Generalkapitel sind Englisch und Spanisch. Früher gehörte auch Deutsch dazu, aber die deutschstämmigen Teilnehmer sind inzwischen in der Minderheit. Außer mir haben nur noch acht weitere Teilnehmer deutsche Wurzeln.

 

Sie waren schon bei den beiden vergangenen Generalkapiteln zu Gast. Wie läuft so ein Kapitel ab?
Es gibt natürlich eine Tagesordnung. Das Generalkapitel beginnt in der Regel mit einigen Tagen der geistlichen Übung, der Besinnung und des Gebetes. Danach geben dann alle Provinzen einen Bericht ab, viele Versammlungen werden während der ersten Woche in den einzelnen Zonen gehalten, in die sich die Steyler Missionare weltweit aufteilen – Europa, Amerika, Asien-Ozeanien und Afrika. Dort werden allgemeine Probleme besprochen, gemeinsame Aufgaben und Schwierigkeiten erörtert. Danach widmen sich alle Teilnehmer einem Arbeitspapier, das bereits im Vorfeld zum Generalkapitel formuliert worden ist. Darüber wird dann ausgiebig diskutiert und schließlich abgestimmt.

 

Was ist das Kernthema dieses Dokuments?
Das diesjährige Generalkapitel versteht sich als Fortsetzung der beiden vergangenen Kapitel. Auf ihnen haben wir uns intensiv mit dem Charisma der Gesellschaft des Göttlichen Wortes beschäftigt. Unser Gründer, der heilige Arnold Janssen, wollte ja vor allem Missionare für die damals so genannten „Heidenländer“ ausbilden. Zu seiner Zeit hat man die Welt in christliche und heidnische Länder aufgeteilt. Die „christlichen Länder“ waren nach damaliger Vorstellung in Europa und Nordamerika, also da, wo die Kirche lebendig war. Der Rest der Welt wurde als die „Missionen“ bezeichnet, also Gebiete vor allem in Asien, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien, die von der Kirche in Europa abhängig waren und in die Missionare gesandt wurden.

 

Eine Sichtweise, die sich inzwischen überholt hat…
Allerdings. Die Geografie der Welt ist heute eine ganz andere. Die Welt lässt sich nicht mehr einfach einteilen in „Kirche hier“ und „Missionen dort“. In fast allen Ländern gibt es funktionierende christliche Gemeinden. Und überall auf der Welt finden wir „missionarische Situationen“, also Situationen von Menschen, die die christliche Botschaft nicht kennen oder verstehen, oder von Menschen, die in Umständen leben, die der christlichen Botschaft widersprechen. Gerade auch in Europa suchen die Kirchen heute nach neuen Wegen, den Menschen die Botschaft des Evangeliums näherzubringen.

 

Verändert hat sich auch die Haltung der Missionare gegenüber anderen Kulturen und Religionen.
Richtig. Wir begegnen anderen Religionen – Islam, Buddhismus, aber auch den Naturreligionen der Afrikaner – heute ganz anders. Man hat entdeckt, dass all diese Religionen auch ihre wertvollen Bestandteile haben. Und nicht nur das. Es gibt viele Arten der Spiritualität, die unserem christlichen Glauben ähneln. Manches kann uns sogar eine Lehre sein. So entspricht unsere Haltung schon längst nicht mehr dem Leitsatz „Ich bringe die Wahrheit und Du musst bekehrt werden“. Wir begegnen anderen Menschen, Kulturen und Religionen in einem respektvollen Dialog auf Augenhöhe.

 

Sehen Sie die Steyler Missionare da auf einem guten Weg?
Die Kirche im Allgemeinen muss da noch viel lernen. Ich habe in diesen Tagen einen Chinesen gefragt: Was ist bei Euch die Farbe der Freude? Rot, hat er mir geantwortet. Dann fragte ich ihn nach der chinesischen Farbe der Trauer. Weiß, hat er mir geantwortet. Wie kann es also sein, dass wir an Ostern in China als liturgische Farbe Weiß benutzen? Wenn nicht einmal unsere liturgischen Farben angepasst an die Kultur eines Volkes sind, gibt es noch viel zu tun.

 

Auf den vergangenen Kapiteln haben Sie über pastorale Methoden diskutiert, die diese Dialoghaltung fördern. Außerdem haben Sie sich verpflichtet, sich besonders für Arme und gesellschaftlich Verstoßene einzusetzen. Welcher Fokus liegt auf dem 17. Kapitel?
Das Kapitel steht unter dem Motto „Aus allen Nationen, Völkern und Sprachen: Interkulturelles Leben und interkulturelle Mission“.  Wir leben heute in vielen Ländern als internationale Gemeinschaften zusammen. Doch wenn im selben Haus einer aus Afrika, einer aus Indonesien, einer aus Europa kommt, dann ist das nicht immer einfach. Schwerpunkt dieses Kapitels wird also die Frage nach dem internationalen Charakter unserer Gesellschaft sein: Wie können wir zusammen leben? Was können wir voneinander lernen? Und wie sollen wir uns in unsere Gemeinschaften inkulturieren?

 

Auch die Wahl eines neuen Generalsuperiors steht auf dem Programm. Was glauben Sie: Wer macht das Rennen?
Ich habe keine Ahnung. Meist kristallisiert sich in den Diskussionen vor Ort heraus, wer sich als kundiger Wortführer erweist. Manchmal einigen sich die Kapitulare der einzelnen Zonen auf einen Kandidaten, manchmal kristallisiert sich einer im Laufe des Kapitels heraus. Es werden viele Einzelgespräche geführt, auf der Bühne des Kapitels, aber auch hinter den Kulissen. Ich wüsste wohl einen Generalrat – einen Brasilianer, den ich schon als Schüler kannte –, der ein möglicher Kandidat wäre. Durch die Visiten ist er in den Provinzen bekannt, er kennt sich gut aus. Aber ob er bei der Wahl Chancen hätte, vermag ich nicht einzuschätzen.

 

Freuen Sie sich auf Ihren Monat in Rom?
Teilweise, denn so ein Generalkapitel ist eine sehr anstrengende Angelegenheit. Die vielen Diskussionen und Versammlungen können ermüdend sein. Aber es ist auch eine Erfahrung der Gemeinschaft, man lernt sich kennen, viele Freundschaften werden geschlossen. Es ist eine erhebende Erfahrungen, mit Mitbrüdern und Menschen aus der ganzen Welt zusammenzukommen. Das stärkt uns als Gemeinschaft ungemein.

 

Markus Frädrich