„Ich wollte immer einer von ihnen werden, um dann einer für sie zu sein.“

27. Sep 2012

Von zweien die auszogen, um keine Priester zu werden.

Brüder sind sie alle. Doch gibt es zwischen Ordensleuten feine Unterschiede. Bruder oder Priester – das ist hier die Frage. Heutzutage von außen vielleicht kaum noch wahrgenommen spielen sie innerhalb der Orden durchaus eine wichtige – identitätsstiftende – Rolle. Über das Brudersein und ihre international auch unterschiedliche Wahrnehmung unterhielt sich Tamara Häußler-Eisenmann mit Bruder Bernd Ruffing und Bruder Gregor Weimar, die beide Brüder sein wollen. Am 29. September werden die beiden ihre Ewigen Gelübde in Sankt Augustin ablegen. Gemeinsam übrigens mit zwei indonesischen Mitbrüdern, die als Ordenspriester leben wollen.


Als er mit 30 bei den Steyler Missionaren eintrat, war für Bruder Bernd klar, dass er auf keinen Fall Priester werden wollte. „Ich habe meine Berufung als Bruder so deutlich gespürt – ich will den Menschen ein Bruder sein, kein Priester.“ Schwestern hatten den heute 38jährigen Bernd Ruffing inspiriert: „Die Einfachheit, die sie gelebt haben. Dieser bedingungslose Einsatz für die Menschen, das hat mich fasziniert.“


Abgehobenes Priesterbild

Aber kann jemand, der Steyler Missionar wird und sich damit an die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ – wie die Steyler Missionare offiziell heißen - bindet, auch als Bruder das Evangelium verkünden? „Ich verkünde das Evangelium nicht durch Worte, sondern durch meine Arbeit.“

Bernd Ruffing ist Krankenpfleger und Diplom Pflegepädagoge. In Deutschland, dann bei Aidskranken in Thailand und zuletzt wieder im ordenseigenen Pflegeheim im saarländischen St. Wendel. Bruder Bernd wollte bei den Menschen sein. „Ich hatte ein ganz klassisches Priesterbild, von einem der oben auf einer Kanzel steht. Das war aber nicht der Ort, an dem ich Menschen begegnen wollte. Mein Priesterdenken war streng hierarchisch geprägt.“

Ein Bild, wie es heutzutage noch häufig in Ländern Asiens oder Afrikas anzutreffen ist. Dass Priester einen abgehobenen Platz haben, ist durchaus auch heute noch ein gängiges Bild. „Ja, das waren auch meine Erfahrungen in Thailand. Ein Priester hat natürlich einen gewissen Status und sicherlich auch eine Machtposition. Ich kann mir vorstellen, dass das für den einen oder anderen Priesteramtskandidaten auch Motivation ist, diesen Beruf ausüben zu wollen. Wer die Möglichkeit zum Studium hat, will vielleicht auch Karriere machen. Brüder gehen den einfachen Weg und machen ihre Karriere eher von unten. Priestern, wird bisweilen auch von außen, weil man „das“ von ihnen erwartet, ein ganz anderer Status zugeschrieben. Es ist an uns, damit aufzuhören und einfach für jede Form der Berufung dankbar zu sein, ohne sie mit den Attributen ‚besser, höher, mächtiger’ zu vergleichen. Lustig finde ich heute noch, dass die Tatsache, ein Studium absolviert zu haben in scheinbarem Widerspruch mit meiner Berufung zum Brudersein steht.“

Auch für seinen Mitbruder Gregor Weimar stellte sich die Frage nach dem Priesteramt nie. „Die Vorstellung als Pfarrer in einem Pfarrhaus zu sitzen, kam für mich nie in Frage“, so der 28jährige. „Mich hat das alltägliche Leben interessiert und Provinzial wollte ich eh nie werden“, lacht er. Das nämlich, sei das einzige, dass man bei den Steyler Missionaren als Bruder nicht werden könnte. „Ansonsten steht mir die gesamte Steyler Welt offen. Ob mit oder ohne Priesterweihe.“ Sein Theologiestudium hat er dennoch abgeschlossen. „Nicht jeder Ordensbruder muss, wie beispielsweise Bernd, eine Ausbildung machen oder haben, statt eines Theologiestudiums. Es gibt durchaus Brüder, die Theologie studiert haben. Das war auch für mich der richtige Weg, weil ich eher ein Kopfmensch bin und mir die Wissenschaft und das Denken Spaß macht. Der Abschluss eines Theologiestudiums muss für mich aber ja nicht automatisch in die Priesterweihe führen.“ Zudem kommt, dass auch Brüder ohne Theologiestudium alles andere als theologisch ungebildet sind. „Schließlich sieht die Ordensausbildung für jedes Mitglied eine theologische Grundausbildung vor“, erklärt Bruder Gregor.


Unterschiedliche Wege zum „Brudersein“

Während seiner Ausbildung – Bernd Ruffing wird am Samstag, 29. September gemeinsam mit drei weiteren Steyler Missionaren seine ewigen Gelübde ablegen – hat er immer versucht, seiner Identität als Bruder näher zu kommen. „Ich habe immer versucht mit den Menschen am Rand der Gesellschaft in Berührung zu kommen und mich von ihnen berühren lassen. Es waren Begegnungen im Abschiebegefängnis, mit lebenslänglich Gefangenen in Hochsicherheitsgefängnissen, mit Menschen, die auf der Straße leben und Menschen mit geistiger Behinderung. Sie alle haben mich etwas für mein Leben gelehrt.“ Diese Begegnungen machen für ihn sein Selbstverständnis als Ordensbruder aus. „Viele dieser Begegnungen, würde ich sagen, waren Gottesbegegnungen, die sich ereignen, wenn ich mich auf den Menschen einlasse, jenseits von Vorurteilen, und wenn wir gemeinsam das Leben teilen, auch den Glauben!“


„Das Wort“ als Grundlage?

Wenn Bruder Bernd gefragt wird, woher er seine Motivation nimmt, so ist die Antwort einfach: Das Evangelium. Dies mag sich abstrakt anhören, in der praktischen Umsetzung erscheint es jedoch mehr als deutlich. „In Thailand habe ich einen Mann gepflegt, der Aids hatte. Sein Krankheitsverlauf war sehr schwer und er befand sich im Endstadium. Es waren wenige da, die ihn pflegten. Er hat sich ständig erbrochen. Ich bin täglich zu ihm gegangen. Habe ihn frisch gemacht, sein Bett neu gemacht. Wenn ich diesen Mann berührte, war es für mich, als wenn ich Gott berühre. In jedem meiner Gegenüber finde ich Gott, so auch in diesem totkranken Mann. Irgendwann schaute der Mann während der Pflege auf das Jesusbild, was im Zimmer hing und er fragte mich: „Machst Du das alles wegen ihm? Aber ich bin ja nur ein Buddhist.“ Und ich sagte ihm, ja und das ist ja auch gut. Das Lächeln, was ich dann auf dem Gesicht dieses Mannes sah, werde ich nie vergessen. In solchen Momenten fühle ich mich so beschenkt und weiß, dass dieser Weg der für mich richtige ist.“

Auch für Bruder Gregor ist „das Wort“ die Grundlage seines Handelns. „Ich sehe es für mich aber weniger in der konkreten Verkündigung der Bibel, sondern mehr als den spirituellen Hintergrund meines Handelns. Wobei ich es nicht so formulieren würde, dass ich das Medium bin, wodurch das Wort wirkt. Das finde ich immer etwas abgehoben. Nein, für mich ist beispielsweise die Arbeit im Steyler sinologischen Institut Monumenta Serica auch ein wichtiger Beitrag für die Verkündigung des Wortes. Denn dort geht es um die Verständigung der Religionen und das liegt mir sehr am Herzen.“ Nächstes Jahr will Gregor seine „chinese studies“ in Hongkong aufnehmen um dann mit ihrem Abschluss für Monumenta Serica, das sich auf dem Campus der Steyler Missionare in Sankt Augustin bei Bonn befindet, zu arbeiten.


Identitätssuche 

Um seine „Bruder-Identität“ zu beschreiben, braucht Bruder Bernd nur einen Satz: „Ich wollte immer einer von ihnen werden, um dann einer für sie zu sein.“ Gemeint sind damit die Menschen – alle Menschen. „Das bestimmte mein Handeln. Ich glaube, dass wir Brüder – besonders im Ausland - anders mit den Menschen über das Leben sprechen können. Manchmal, so glaube ich, ist es vielleicht leichter, sich an einen Bruder zu wenden, denn an einen Priester. Ich finde es daher toll, dass wir als Ordensmissionare, Brüder und Priester, zusammenarbeiten, die Menschen zu begleiten. Da kann jeder etwas anderes einbringen. In Thailand beispielsweise suchte eine Frau jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie wollte keinen Priester, sondern einen Bruder.“

„Ich glaube, dass das Brüderbild noch sehr stark im Wandel ist. So, wie es früher war, ist es nicht mehr. Weil man heute keine klaren Bruderbilder hat, ist es schwer, sich für diese Lebensform zu entscheiden.“ sagt Bruder Bernd Ruffing. Dass vor allem in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas dem Bruderberuf so wenig Beachtung geschenkt wird, dagegen aber ein sehr hierarchisches Priesterbild vorherrscht, erklärt sich Bruder Bernd so: „„Nunja, das ist ja nunmal ein Bild, was bei uns bis vor einigen Jahrzehnten auch noch vorherrschte. Dieses Bild wurde natürlich auch in unsere sogenannten Missionsländer transportiert. Ich denke, dass sich das dort auch langsam ändern wird, aber derzeit will kaum jemand unserer Steyler Mitbrüder aus diesen Ländern Bruder werden.“

Die Statistik gibt ihm da Recht. Gab es Mitte der 60er Jahre noch rund 1400 Steyler Ordensbrüder, ist ihre Zahl bis heute auf knapp 600 zurückgegangen. Und während 245 Brüder aus Europa stammen, kommen aus den Provinzen der übrigen Welt 357 – im Verhältnis recht wenige. „Mir sind solche Zahlen egal,“ sagt Bruder Bernd. „Ich finde super, dass wir bei den Steylern nicht in eine bestimmte Ecke gedrängt werden. Nehmen wir unsere Rolle und füllen wir sie aus. Ich glaube, dass unsere Lebensform als Steyler-Ordensbruder lebensfroh und sinnerfüllend gelebt werden kann, mit Gottes Hilfe!“

Am Samstag werden Bruder Bernd und Bruder Gregor in der Kirche des Missionspriesterseminars ihre Ewigen Gelübde ablegen und sich damit ewig an den Orden der Steyler Missionare binden. Gemeinsam übrigens mit zwei indonesischen Mitbrüdern, die beide Priester werden wollen.

„Man ist als Bruder oder Priester nicht mehr oder weniger, sondern wir sind alle Steyler und wir leben alle dieselben Gelübde.“ Da sind sich alle vier, die am Samstag die ewigen Gelübde ablegen, einig!

Tamara Häußler Eisenmann