Der Fremde – ein Freund

23. Nov 2013

Die „Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin“ beschäftigte sich bei ihrer Jahrestagung in Sankt Augustin mit der Bedeutung der ethnologischer Feldforschung.

Mit dem Obertitel „Stranger and Friend“ trafen sich vom 15.-17. November 35 Kulturwissenschaftler, darunter auch acht Ärzte, in den Räumen der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Sankt Augustin. Sie diskutierten die Vorteile und Beiträge von langfristigen ethnologischen Feldforschungen aus dem Bereich der Medizinethnologie, die zur Verbesserung der Gesundheit in lokalen Feldern beitragen.

Der Titel der Tagung wurde dem berühmten Buch der Ethnologin Hortense Powdermaker entlehnt, die 1962 ihre damals bahnbrechenden Überlegungen zur Feldforschung so benannte. Beim Treffen wurde insbesondere die Person des Forschenden und die gegenseitige Betroffenheit des Forschenden und seiner Forschungsobjekte reflektiert, die in der Begegnung von Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen auftauchen. Dazu gehört unter anderem das Stichwort Kulturschock, aber insbesondere auch eine Reflexion über die vielfältigen menschlichen Seiten der Begegnung und die dadurch entstehende Beeinflussung der Forschungsergebnisse. Diese Überlegungen entsprechen durchaus dem Konzept der über 100-jährigen Vorsätze und Leitbilder der Steyler Missionare für Kontakte in Achtsamkeit und Wertschätzung der Kulturen – Tugenden, die ja nicht vom Himmel fallen, sondern manchmal nach Frustrationen und Irrtümern immer wieder erarbeitet werden müssen.

Bei der Tagung wurden Referate mit Überblicken und Darstellungen aus zum Teil bis zu 40 Jahre langen Kontakten geboten, wie die des Humanethnologen Wulf Schiefenhövel vom MPI (Max-Planck-Institut) Andechs und der Kulturanthropologin Verena Keck (Universität Frankfurt) zu ihren Forschungen in Irian Jaya und Papua Neuguinea.

Es wurden auch drei Filme gezeigt, in denen sich die Autorinnen und Autoren nicht nur dokumentarisch mit ihrem Gegenüber auseinandersetzten, sondern auch im Medium Film die eigene subjektive Perspektive bewusst einfließen ließen. Die Filme thematisierten den Festzyklus der Tarahumara in Nordmexiko (Claus Deimel, Hamburg), ein traditionelles zentrales Stierfest im Wandel bei den Mafa in den Mandara-Bergen von Nordkamerun (Godula Kosack, Leipzig) und den Weg der Initiation zu einem Medium in den Trance-Ritualen in der Dominikanischen Republik (Yvonne Schaffler, Wien).

Insgesamt gelang es den 13 Referenten und den fünf Moderatoren, die die 1970 gegründete Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin repräsentierten, die zentrale Thematik der Aufgaben von Feldforschung und ihrer kritischen Selbstreflektion zur Sprache zu bringen. Auch wurde ein fruchtbarer Gedankenaustausch zwischen den sehr verschiedenen kulturellen Orten bis zu dem eines Pflegeheims für an Alzheimer Erkrankte entwickelt.

Neben den äußeren konkreten oder flüchtigen Orten der ethnologischen Felder wurde dadurch deutlich, dass diese durch eine Reflexion des eigenen inneren Ortes mit psychologischen und ethischen Fragestellungen ergänzt werden muss. Diese Ansätze wurden systematisch vor allem mit der sogenannten Ethnopsychoanalyse und ihren geistigen Ahnherren George Devereux und Paul Parin in die theoretischen Debatten eingeführt und werden in der AGEM gepflegt.

Die Tagung wurde durch einen Überblick über die lange ethnologisch forschenden Tradition einzelner Steyler Missionare durch Prof. Joachim Piepke SVD, dem bisherigen Rektor der Hochschule, ergänzt sowie durch eine ausführliche Führung durch die Bibliothek des Anthropos-Instituts und das „Haus der Völker und Kulturen“ abgerundet. Das Tagungskonzept und die Leitung der Veranstaltung hatte der Nervenarzt und Ethnologe Ekkehard Schröder, der die 1978 gegründete medizinethnologische Zeitschrift „Curare“ im Auftrag des Vereins herausgibt. In ihr werden die Beiträge auch veröffentlicht.

Ekkehard Schröder / Tauchner SVD