Aus Flüchtlingen werden Nachbarn

30. Sep 2015

An ihren Standorten helfen Steyler Missionare Menschen, die nach Deutschland geflohen sind

Im Yrsa-von-Leistner-Haus auf dem Gelände der Steyler Missionare in Sankt Augustin haben 20 Flüchtlinge mit ihren Familien ein neues Zuhause gefunden.
Im Yrsa-von-Leistner-Haus auf dem Gelände der Steyler Missionare in Sankt Augustin haben 20 Flüchtlinge mit ihren Familien ein neues Zuhause gefunden.

Zehntausende Menschen, die durch Krieg und Not aus ihrer Heimat vertrieben wurden, sind in den letzten Monaten nach Deutschland gekommen. Aufnahme fanden sie auch bei den Steyler Missionaren an ihren verschiedenen Standorten. Nun bereitet sich der Orden auf die Unterbringung von weiteren Flüchtlingen vor. Im Zusammenleben mit Menschen in Not und aus unterschiedlichen Kulturen sehen sich die Steyler als internationale Ordensgemeinschaft in besonderer Weise herausgefordert.

   

Seit Mai sind Flüchtlinge auf dem Klostergelände in Sankt Augustin untergebracht. Mittlerweile wohnen 20 Menschen aus Syrien, Mazedonien, Albanien, dem Irak und der Mongolei im „Yrsa-von-Leistner-Haus“, unter ihnen sechs Kinder. Dafür zogen Ordensschwestern in einen Wohntrakt des Klosters und überließen das frisch sanierte Wohnhaus den Neuankömmlingen. Für Versorgung und Betreuung der Bewohner ist die Stadt zuständig. Nebenan in einem Instituts-Gebäude der Steyler bietet Dr. Hasan, Internist aus Siegburg, wöchentlich eine unentgeltliche Sprechstunde auf Deutsch und Arabisch an. Auch in der Stadt Sankt Augustin hat der Orden ein Wohnhaus für die Unterbringung einer Flüchtlingsfamilie zur Verfügung gestellt.


Die neuen Nachbarn beleben das Klostergelände in Sankt Augustin
Doch die Ordensgemeinschaft will nicht nur Quartiere anbieten: „Wichtig sind die ganz normalen persönlichen Kontakte. Es schauen immer mal Mitbrüder im Haus auf dem Klostergelände vorbei. Unsere Studenten spielen mit den Bewohnern Fußball, die kroatischen Schwestern aus unserem Haus helfen bei Übersetzungen. Zuletzt haben wir zum Abendessen eingeladen, und es kamen 18 Leute aus dem „Yrsa-Haus“, erzählt Pater Martin Üffing, Rektor des Missionspriesterseminars der Steyler in Sankt Augustin.


Die Beziehungen bleiben nicht einseitig, die neuen Mitbewohner beleben das Klostergelände: „In Sankt Augustin sind wir sehr international und gewohnt, mit Menschen aus vielen Kulturen und Nationen zusammen zu leben. Unsere neuen Nachbarn bringen jetzt etwas Neues hinein. Sie sind keine Ordensleute, sondern kommen mit Familien, sind zum Teil Muslime und eben keine Christen. Das ist auch eine Bereicherung“, weiß Pater Üffing.

 

In Sankt Augustin ist man bereit, weitere Flüchtlinge auf dem Klostergelände aufzunehmen: „Auf Anfrage der Stadt haben wir die Hälfte des alten Sportplatzes auf dem Klostergelände verpachtet. Dort wurden bereits die notwendigen Versorgungsleitungen verlegt. Im Januar, wenn dann die Wohneinheiten geliefert werden können, werden dort Unterkünfte für insgesamt 80 Menschen entstehen“, erläutert Pater Üffing.

Missionshaus St. Wendel
Missionshaus St. Wendel

Steyler in Sankt Wendel und Nettetal bereiten sich auf Flüchtlinge vor
Auch an ihren anderen Standorten in Deutschland engagieren sich die Steyler Missionare für Geflüchtete, etwa als Seelsorger zusammen mit ihren Gemeinden in Berlin, Hamburg und München. An den Standorten Nettetal und Sankt Wendel plant man darüber hinaus die Aufnahme von Flüchtlingen. Im Missionshaus Sankt Vinzenz im niederrheinischen Nettetal sollen bereits in Kürze in einem früheren Verlagsgebäude der Steyler etwa 60 Menschen aufgenommen werden. Die Ordensmitglieder haben bereits die von ihnen genutzten Bereiche geräumt und sind in ein benachbartes Gebäude umgezogen.

In Sankt Wendel im Saarland, wo die Steyler derzeit drei junge Männer aus Syrien beherbergen, wird das frühere Internat der Steyler mit Küche und sanitären Anlagen ausgestattet. Ab Mitte Oktober sollen dort zunächst zwölf weitere Flüchtlinge einziehen. Pater Roberto Alda, Rektor des Missionshaus Sankt Wendel, berichtet: „Alle Mitbrüder haben zugestimmt, die Menschen bei uns aufzunehmen. Wir stellen auch gerne noch mehr Räume zur Verfügung und freuen uns sehr auf die persönlichen Begegnungen.“


Engagement für Flüchtlinge ist für Steyler ein besonderer Auftrag
Für die Steyler gehört der Einsatz für Notleidende und Fremde zum Kern ihrer Sendung. „Erst vor zwei Jahren haben wir auf einer Provinzversammlung beschlossen, uns noch mehr als bisher für Migranten und Flüchtlinge einzusetzen“, erklärt Pater Ralf Huning, der als Provinzial die deutsche Ordensprovinz leitet. Jetzt sei es an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. „Wir fühlen uns sehr angesprochen von den Worten von Papst Franziskus, der erst kürzlich wieder betonte, es sei ein klarer Aufruf des Evangeliums, angesichts der Tragödie Zehntausender von Flüchtlingen nicht tatenlos zuzuschauen. Wir verstehen es als unsere christliche Pflicht, »Nächste« der Geringsten und Verlassenen zu sein.“

Natürlich ist den Steyler Missionaren bewusst, dass die Aufnahme von Flüchtlingen auch Probleme mit sich bringen kann. In ihrer weltweiten Arbeit erleben die Ordensleute immer wieder, wie es zu Spannungen zwischen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften kommt. „Darum verstehen wir Mission heute als Dialog und als gemeinsamen Einsatz für das Leben. Friede kann da beginnen, wo Menschen aufeinander zugehen und sich gegenseitig helfen, über alle Unterschiede hinweg“, ist sich der Provinzial der Steyler Missionare sicher.

Wolfgang Finke