01. Feb 2004
Wir beten, dass jede einzelne Missionskirche sich für die Ausbildung von pastoralen Mitarbeitern einsetzt.
Im Beispiel der Erzdiözese Quito
Die Erzdiözese Quito (Ekuador) ist 11.000 qkm gross, hat etwa 2 Millionen Einwohner, von denen gut eineinhalb Millionen katholisch sind. Für sie gibt es 145 Pfarreien, die von 180 Diözesanpriestern betreut werden. Außerdem arbeiten dort noch 280 Ordenspriester und 1.600 Schwestern. In vielen Pfarreien werden Gemeinden und barrios (Stadt- und Elendsviertel) von Schwestern betreut. Es ist völlig klar, dass ohne die ernsthafte und verantwortliche Mitarbeit von vielen Katechisten und Katechistinnen, von Männern, Frauen und Jugendlichen, die sich um das Gemeindeleben kümmern, von Kirche schwer die Rede sein könnte. Quito ist nur eines der Beispiele für die Realität in vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens (auch wenn Quito selbst nicht unbedingt eine junge Kirche ist, bleibt sie offensichtlich doch deutlich abhängig). Die Frage der Ausbildung dieser Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist daher durchaus vital für die Kirche, und es ist gut, sich diesem Thema gleich am Anfang des Jahres im Gebet und im Gedenken zu widmen.
Was man unter Ausbildung versteht, ist recht unterschiedlich. Ein Bischof in Ekuador hat bei seinem Amtsantritt gleich allen Pfarreien seiner Diözese eine Ausgabe des Kirchenrechts sowie der eigenen gesammelten Schriften zukommen lassen: damit sei wohl der Grund gelegt, vertrauensvoll in die Zukunft schauen zu können. In manchen Gegenden kommt auch der "Osservatore Romano" pflichtgemäß ins Pfarrhaus.
In vielen anderen Diözesen gibt es allerdings auch umfangreiche Programme für eine andere Art der Ausbildung, von Wochenendveranstaltungen bis zu monatelangen Kursen. In Ekuador hat es da z.B. vor Jahren das "Nationale Pastoralinstitut für die Indiovölker" (INPPI) gegeben: Die indigenen campesinos (also nicht: mestizos, weiß oder afro) und Gemeindeleiter verschiedener Diözesen haben sich mehrmals einen ganzen Monat hindurch getroffen, um sich, ausgehend von ihrer eigenen Kultur, über das Christentum und ihre eigene Spiritualität auszutauschen. Bei diesem Treffen sind immer auch Wandgemälde entstanden, Darstellungen ihres Weltbildes und ihres Verständnisses der Schöpfung. (Ein Video der Päpstlichen Missionswerke in Wien zeigt die Arbeit dieses Instituts und die Wandgemälde). Das "Nationale Pastoralinstitut" war ein Versuch, in der Ausbildung den christlichen Glauben mit der angestammten Kultur in Verbindung zu bringen.
Es gibt aber auch viele andere Formen von Ausbildungsprogrammen, die diese Brücke nicht schlagen. Das trifft auf viele Ausbildungshäuser religiöser Gemeinschaften zu. Da findet man jemanden, der "Berufung" hat, oft in sehr armen Stadtvierteln oder auf dem Land. Im Ausbildungshaus, das vielfach ohnehin in relativ einfachen Lebensverhältnissen geführt wird, soll diese "Berufung" getestet und gefördert werden. Aber der Zugang zur Universität, die Möglichkeit, sich ausschließlich dem Studium widmen zu können und nicht gleichzeitig für den Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, die Regelmäßigkeit im Gebet und Leben eines Ausbildungshauses bringen große Änderungen in das Leben dieses jungen Menschen. Wenn er oder sie dann nach Jahren wahrscheinlich einigermaßen gut ausgebildet wieder in das Stadtviertel oder in die ländliche Gemeinde zurückkehrt, um dort endlich voll in die Evangelisierung einzusteigen, braucht es wieder eine ernsthafte und harte Arbeit: Die Rückkehrer müssen wieder den Anschluss finden an die lokale Kultur und Lebensform. Viele finden diesen Zugang nicht mehr. Ihre Ausbildung hat sie ihrer eigenen angestammten Lebenswelt entfremdet.
Was heißt Ausbildung?
Was aber heißt dann "Ausbildung" für die Evangelisierung? Oft hat man den Eindruck, es ginge darum, die richtigen Antworten zu erlernen. Das Theologiestudium wird oft in dieser Weise aufgezogen. Das ständige Bestehen auf der notwendigen doktrinären Klarheit weist in diese Richtung. Gelegentliche Akzentuierungen im Feld von "Dialog und Verkündigung" gehen auch in diese Richtung, als ob der Dialog eine Plauderei während des Aperitifs wäre, und die "feste Nahrung" des hl. Paulus (1 Kor 3,2) dann in der unverblümten Verkündigung käme. Ja, als ginge es darum, gut trainierte Polizeihunde zur Verfügung zu haben, die die Herde der Schäfchen in Kontrolle hält - das Wort von der Pastoral hat etwas von dieser Vorstellungswelt. Schlimmer noch ist es, wenn die Not um Priester dazu verführt, es bei einer sehr leichten Kost in Theologie und Wissenschaft zu belassen und die Unterwerfung unter die Autorität als ausreichend für die Pastoral und Evangelisierung zu sehen. Leider sieht man solche Fälle nicht selten in letzter Zeit. Grundsätzlich geht es um eine Ausbildung für die Evangelisierung. Das Ankündigen der Guten Nachricht vom Reich Gottes steht also im Zentrum. Und damit wird der Spieß gleich umgedreht: Der Ausgangspunkt sind nämlich die Hörer, die "anderen". Es interessieren nicht die richtigen Antworten, sondern es geht darum, die wichtigen Fragen zu erkennen. Das verlangt vor allem Sensibilität für die Prozesse und Entwicklungen in der Gesellschaft, dazu die Möglichkeit, die Phänomene einigermaßen einzuordnen. Wie es auch Jesus getan hat: "Geh hin, deine Sünden sind dir vergeben... Aber damit ihr seht.... nimm dein Bett und geh!". Seine Verkündigung des Reiches ist immer ausgegangen von einer konkreten Situation, nicht von der Doktrin.
Der Preis der Ausbildung
Die meisten Katechisten und Laienmitarbeiter in den jungen Kirchen bekommen nichts bezahlt für ihre pastorale Arbeit. Wenn es gut geht, werden ihnen die Kurse finanziert, aber auch das oft nicht. Die Schwestemgemeinschaften in den barrios bekommen in der Erzdiözese von Quito einen Betrag von 50 Dollar pro Monat oder weniger. Klar, davon lebt niemand. Und das Einsparen trifft dann zuerst die Ausbildung und die Fortbildung. Eine lateinamerikanische Theologiezeitschrift kostet normalerweise um die 25 Dollar, Concilium an die 70 und ist daher unerschwinglich. So wird dann der Diskurs immer einfacher, der Horizont immer enger. Die eigene Praxis wird nicht mehr hinterfragt und die Antworten werden immer simpler. Es ist daher wohl kaum überraschend, dass die Kirche und die Theologie in der öffentlichen Meinung immer weniger mitzureden haben. Der Glaube kommt nicht mehr zu Wort, die Verkündigung und Evangelisierung bleiben aus, es gibt noch die angestammte Frömmigkeit der (vor allem älteren) Leute und die Riten, die auch von relativ simplen Funktionären rubrikengemäß ausgeführt werden können. So ein Christentum ist nicht mehr Salz der Erde und Licht der Welt.
Die Ausbildung für die Evangelisierung kostet manches: Sie muss sich der Gesellschaft zuwenden, von den "Freuden und Hoffnungen, den Sorgen und Nöten" der Menschen ausgehen und auf sie zugehen. Dann ist es auch klar, dass es nicht nur eine Form von Ausbildung für die Evangelisierung der ganzen Welt geben kann, sondern es herrscht ein Imperativ der Vielfältigkeit. Der gründet sich allerdings im Vertrauen auf den Heiligen Geist, der in der Welt verschiedentlich wirkt - immer noch wirkt - und die Christen zu einem kreativen Dialog einlädt. Auf diesen Dialog soll die Ausbildung in allen Kirchen vorbereiten.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 1/2004