Allgemeine Gebetsmeinung - April 2007

01. Apr 2007

Wir beten, dass jeder Christ, vom Heiligen Geist geleitet, dem Ruf zur Heiligkeit im Alltag des Lebens treu folgt.

Heilige sind anders, aber menschlich

Zur Heiligkeit gerufen oder berufen?

Die Frage setzt zunächst einmal voraus, dass da jemand ist, der ruft oder beruft. "Nehmt Gottes Melodie in euch auf!", forderte der hl. Ignatius von Antiochien die Hörer seiner Zeit auf. Er wollte damit ausdrücken, dass es da eine Melodie gibt, die es zu entdecken und zu spielen gilt, damit Leben zu klingen beginnt, und d. h. dann auch, damit Leben gelingt. Berufung bezieht sich also auf Gottes Plan mit jedem Menschen. Der Ruf, der an den Menschen ergeht, soll ihn folglich aufmerksam machen - und dann in die Richtung führen, die seinem Leben Sinn und Ziel gibt. Wenn dies die Heiligkeit ist oder sein soll, dann muss der Mensch sie auch verstehen und erreichen können. Aber was verstehen denn die Menschen heute unter "Heiligkeit"? Ist dies nicht ein Begriff aus einer vergangenen Zeit oder eine rein innerkirchliche Ausdrucksweise? Ein Rundfunkjournalist (und katholischer Theologe) sprach einmal davon, dass wir in der Kirche zu viele Begriffe oder Worte gebrauchen, die heute niemand mehr verstehe. Und dennoch: Papst Johannes Paul II. hat einmal in einer Botschaft die Jugendlichen in aller Welt dazu aufgerufen, keine Angst davor zu haben, die "Heiligen des neuen Jahrtausends" zu sein. Er wollte damit offensichtlich den Jugendlichen eine Alternative zu den vielen Idolen aufzeigen, die letztlich auch verführen können und den Menschen in die Irre und Leere führen. Es lohne sich, anders (heilig) zu sein, gegen den Strom zu schwimmen.


Ein komischer Heiliger 

Das Wort "Heiliger oder Heiligkeit" - und erst recht dessen inhaltliche Bedeutung ist - besonders für diejenigen, die der Kirche fremd gegenüberstehen - nur schwer verständlich. Im kulturellen Bereich, bei Besichtigungen von Museen oder Kirchen, wird man damit konfrontiert. Aber trifft es dann auch unser Inneres, oder bewundert man da mehr das Kunstwerk, das Bild oder die Plastik eines Heiligen, und ist nur von diesem Werk beeindruckt? Heilig hat ja wohl auch etwas mit "anders sein", mit abgesondert und fremd zu tun, das uns auf der einen Seite anzieht, aber auch erschreckt (Mysterium tremendum et fascinosum). Das Interesse, aber auch das Unverständnis für dieses Phänomen des Andersartigen scheint gleichermaßen zu wachsen. Gehen wir zum Ursprung oder Urbild des Heiligen zurück, wie es in der Bibel bildhaft dargestellt ist, so finden wir im Schöpfungsbericht des Menschen den Ausdruck "nach seinem Abbild". Das hieße dann, als Menschen sind wir ge-rufen, unser Menschsein zu verwirklichen; und dazu be-rufen, dem Ebenbild Gottes immer ähnlicher zu werden, also immer mehr heilig zu werden. Die Berufung zur Heiligkeit gilt also für alle Menschen, nicht nur für die Geistlichen, für die geistliche Berufung eines Priesters, einer Ordensfrau oder eines Ordensmannes.

 

An die Heiligen von... 

Deshalb konnte auch ein Paulus seinen Brief an die Römer beginnen mit: "An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus."(1,7) Und er führt aus, warum er seine Adressaten so sehr schätzt und sie auch für andere Gemeinden ein wichtiges Zeichen sind und als Heilige Zeugnis ablegen: "Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird." (1,8) Die Heiligen werden also als ein Beispiel dafür angeführt, wie der Glaube den Menschen verändert und somit heiligen kann. Darin sind sie treu, und darin finden sie auch ihre Freude.


Die Darstellung von Heiligen 

Heilig-sein hat also nichts mit Weltfremdheit, Sauertöpfigkeit oder übersteigerter Askese zu tun. Heilige sind Menschen, die mitten im Leben stehen; die ihre Begrenzungen und Fehler haben, die auch Sünder sind. Aber sie haben - mit Gottes Gnade - verstanden, ihr Leben ganz nach Gott auszurichten und in intensiver und radikaler Weise Jesus nachzufolgen. Wie bei ihm sind es nicht in erster Linie Worte, sondern ihr Leben, das Bände spricht und anzieht. Es ist also ein "frommer Witz", wenn da jemand fragt: "Was ist ein Martyrer?", und der andere antwortet: "Das ist jemand, der mit einem Heiligen zusammenleben muss." Heilig-sein kann natürlich auch anstrengend sein - für einen selbst und für andere -, wenn man alles nur alleine, aus eigener Kraft zu erreichen sucht. Nur wer auch mit Freude Jesus nachfolgen will, der wird etwas ausstrahlen, was andere dann auch aufmerken und nachfragen lässt. Gott will ja unser Leben nicht beschneiden, sondern dass wir es in Fülle haben. Aber wir sollen auch erkennen, dass dieses Leben ein Ziel hat, das über diese erkennbare Welt hinausgeht; dass wir Gott gegenüber unser Leben verantworten müssen. Wir haben es als Geschenk und Aufgabe von ihm erhalten, um es mit anderen zum Wohle aller Menschen zu teilen. Das ist unsere universale Berufung zur Heiligkeit: heilig zu sein, wie unser himmlischer Vater heilig ist. Damit ist aber nicht etwas Statisches gemeint, sondern ein Tun, ein Handeln. Für Ordensleute hat das einmal die Selige Maria Helena Stollenwerk SSpS so ausgedrückt: "Nicht unser Stand macht uns heilig, sondern wie wir ihn leben." Lassen wir uns deshalb vom Heiligen Geist erfüllen und unsere Berufung zur Heiligkeit mit Freude leben.

 

Heinz Schneider SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung April 2007 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 2/2007, Steyler Verlag, Nettetal

ndk