01. Mai 2007
Wir beten, dass in den Ländern der Weltkirche sich genügend gute Lehrer für den Dienst in kirchlichen Seminaren und religiösen Instituten zur Verfügung stellen.
Auf einem Ausbildungskurs für Geistliche Begleitung, an dem unter anderem auch Ordensleute und Priester teilnahmen, meinte neulich der Referent zu den Teilnehmern: "Das Leben ist nicht leicht. Das Leben ist schwer!" Nach einigem Raunen und kritischen Blicken in der Runde fügte er hinzu: "Leid und Tod, Schmerz und Krankheit gehören genauso zum Leben eines jeden Menschen wie Freude und Hoffnung, Glück und Zuversicht. Wenn sie das vergessen in der Geistlichen Begleitung, blenden sie eine ganz wesentliche Hälfte des Lebens aus. Damit aber betrügen sie sich selbst und vor allem ihr Gegenüber. In der seelsorglichen Begleitung eines Menschen ist es daher wichtig, den Mut zu haben, auch die Schattenseiten des Lebens anzuschauen und anzusprechen."
Frauen und Männer, die heute in der Ausbildung von jungen Menschen für den geistlichen Beruf stehen, wissen genau und erleben es im Umgang mit ihnen täglich neu, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Die immer komplexer werdende Welt - auch, oder gerade in den so genannten Missionsländern - macht es wohl zunehmend notwendig, dass eine zukünftige Ordensfrau und ein angehender Priester weiß, wer sie ist und wofür er einstehen will. Wer kann ihnen dabei helfen? Wer bietet Unterstützung? Genau hier setzt wohl das Gebetsanliegen von Papst Benedikt XVI. in diesem Monat an: dass Christinnen und Christen um gute und vorbildliche Ausbilder in den Priesterseminaren und in den Orden dieser Welt beten sollen.
Wie aber, so darf man fragen, soll heute eine gute und vor allem ganzheitliche Ausbildung für zukünftige Priester und Ordensleute aussehen? Was braucht es wirklich? Ist es das wissenschaftliche Studium der Theologie? Ist es das Sich-vertiefen in die christlichen Werte und Traditionen? Oder braucht es für Priester und Ordensleute vor allem eine gesunde, ganzheitliche Spiritualität?
Wenn ich an meine eigene Studienzeit im Seminar denke und an die Menschen, die mich dort ausgebildet haben, dann sind mir nicht jene Priester und Ordensleute gut in Erinnerung geblieben, die für mich nur das lehrten, was sie selbst einmal studiert hatten, sondern jene, die auch versuchten, in ihrem eigenen Leben vorzuleben, wovon sie überzeugt waren. Der Professor, der selbst aus einem überalterten Skriptum vortrug, konnte mich nicht wirklich für den "wissenschaftlichen Eros", den er bei uns Studenten beschwor, begeistern. Dem Mitbruder allerdings, der an Heiligabend nach der Christmette zu den Obdachlosen der nahe gelegenen Großstadt ging, um ihnen eine warme Mahlzeit zu geben, konnte ich in der Vorlesung gut zuhören, wenn er von Jesu Liebe zu den Armen sprach.
Der vor elf Jahren verstorbene niederländische Priester und gefragte Seelsorger Henry Nouwen, betont in seinen Büchern immer wieder, wie wichtig es für Menschen ist, die ein spirituelles Leben in der Welt von heute leben wollen, in Berührung zu sein mit Gott, aber auch mit sich selbst und mit den Mitmenschen. "Gibt es Seelsorger", so fragt er sich in einem seiner Bücher, "denen deutlich vor Augen steht, dass die Menschen, mit denen sie täglich zu tun haben, eine der Hauptquellen ihrer theologischen Erkenntnis sind? Seit Gott Mensch geworden ist, ist der Mensch die Hauptquelle für die Erkenntnis Gottes geworden." Nouwen wusste aus eigener Erfahrung, wie viel innere Leere es bei den Gutverdienenden dieser Welt gibt, aber auch wie viel versteckte Angst und Armut nicht nur in den Slums der Entwicklungsländer, sondern auch bei den Kindern der reichen Geschäftemacher in den westlichen Industrieländern. Genau das ist aber die Welt, die auf Priester und Ordensleute von heute wartet. Wohl deshalb fragt er kritisch, in wie weit sie in ihren Ausbildungsstätten darauf vorbereitet werden. Lernen Theologen im Priesterseminar wirklich eine reife Selbstständigkeit, um im Leben zurechtzukommen? Werden sie vertraut gemacht mit Supervision - das Hineinwachsen in die seelsorgliche Praxis unter geschulter Begleitung, so, wie es heute für Ärzte und Sozialarbeiter eine Selbstverständlichkeit geworden ist?
Der Papst lädt uns ein, um "gute und erleuchtete Ausbilder an Priesterseminaren und in den Instituten des gottgeweihten Lebens" zu beten. Für mich sind das Menschen - um es mit den Worten von Mary Ward zu sagen - die sich zeigen können, so wie sie sind und so sind, wie sie sich zeigen.
Norbert Cuypers SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung Mai 2007
aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 3/2007, Steyler Verlag, Nettetal