01. Dez 2007
Wir beten, dass sich die menschliche Gesellschaft aller von AIDS Betroffenen annimmt, besonders der Kinder und Frauen, und dass die Kirche sie in Umgang und Pflege die Liebe Gottes spüren lässt.
Wichtiger Bewusstmachungsprozess
Macht man sich bewusst, dass die Immunschwäche HIV/Aids bisher über 20 Millionen Menschenleben gekostet hat und dass gegenwärtig auf der ganzen Welt über 40 Millionen, darunter 2,5 Millionen Kinder, mit dem Virus infiziert sind, spürt man, wie wichtig das obige Gebetsanliegen ist. Macht man sich zusätzlich klar, dass über 90 Prozent der infizierten Menschen aus den sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern kommen und hier die Kinder vor allem als Aidswaisen und die Mädchen und jungen Frauen besonders zu leiden haben, potenziert sich anlässlich dieses Gebetsanliegens hoffentlich das Bewusstsein der besonderen Verantwortung der Gesellschaft und der Kirche für die Wahrnehmung und Überwindung dieses Problems und der damit gegebenen Herausforderungen.
Armut
Lässt man sich dann auf diesen Prozess ein, wird einem bald aufgehen, wie sehr das Problem der HIV/Aids-Infizierung in diesen Ländern auch ein Problem der Armut ist, die von den reichen Industrienationen mitverursacht wird. Sie haben deswegen auch eine besondere Verantwortung bei der Überwindung dieser Pandemie, die sie aber nicht im geforderten Maße wahrnehmen. Der Jesuitenpater Martin Maier schreibt: Die Bekämpfung von Aids ist mit dem Problem struktureller internationaler Ungerechtigkeit verbunden. Bis heute fehlt vor allem in den Industrienationen eine angemessene Bereitschaft, stärker in die HIV/Aids-Bekämpfung zu investieren. 2005 wären dafür 15 Milliarden Dollar nötig. 2003 brachte die Weltgemeinschaft gerade einmal etwas mehr als drei Milliarden Dollar dafür auf. Der UN-Sonderbeauftragte für Aids, Stephan Lewis, erklärte mit Blick auf die Terroranschläge vom 11. September 2001: '3000 Menschen starben durch einen furchtbaren Terrorakt, und ein paar Tage später redete die Welt von Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Terror. Im gleichen Jahr sterben 2,3 Millionen Afrikaner an Aids und wir müssen betteln um ein paar hundert Millionen Dollar'."
Stigmatisierung, Marginalisierung, Diskriminierung
Stellt man sich ferner vor - und hier kommt die mehr individuelle, psychosoziale Seite dieses ganzen Problems in den Blick - welches Maß an Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Isolation, Einsamkeit, Schmach und Schande die HIV/Aids-Infizierten zu durchleiden haben, kann man verstehen, dass sie sich selbst oft umzubringen versuchen, ehe die Krankheit ihr tödliches Werk verrichtet hat. Wenn dann zusätzlich noch hinzukommt, dass die HIV/Aids-Infizierten durch unerleuchtete "Gottesmänner" und gefühlskalte Droh- und Unheilspropheten in eine Schuldfalle getrieben werden, indem sie diese Krankheit als "Strafe" und "Rache Gottes" für den unmoralischen Lebenswandel der Infizierten darstellen, ist auch die Hoffnung auf das ewige Heil bedroht und die Verzweiflung total.
"Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben." (Joh 10,10)
Dagegen müssen gerade die Christinnen und Christen sich immer wieder an dem Wort Jesu ausrichten: "Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben" (Job 10,10). Sie haben sich für das Gelingen des Lebens aller Infizierten, besonders aber für das der Kinder und Frauen einzusetzen. Das aber kann nur gehen, wenn sie sich die ganze Bandbreite der Problematik dieser weltweiten Pandemie immer wieder bewusst machen, umfassend wahrnehmen und sich persönlich für die Überwindung der Marginalisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung der erkrankten Menschen engagieren. "Einen zentralen Stellenwert bekommt hier die Sensibilität des christlichen Glaubens für das Leid des anderen, die Johann Baptist Metz Compassion nennt. Für die Kirche ergibt sich daraus, dass sie eine Kirche der Mitleidenschaft als Ausdruck ihrer Gottesleidenschaft sein muss. Bezugspunkt im Evangelium dafür ist Jesu Umgang mit den Aussätzigen und den gesellschaftlich Ausgegrenzten." (Martin Maier). Die Kirche führt den Umgang Jesu mit den Aussätzigen und gesellschaftlich Ausgegrenzten weiter, indem sie sich in allen ihren Institutionen und Einrichtungen für eine "integrierte Strategie, wo Aufklärung, Prävention und Behandlung ineinandergreifen" (Martin Maier) stark macht. Und tatsächlich gehört gerade die katholische Kirche weltweit zu einer der wichtigsten Protagonisten im Kampf gegen HIV/Aids und wird so zu einem bewusstseinsverändernden und verhaltensändernden Ferment in den jeweiligen Gesellschaften und Kulturen.
Franz-Josef Janicki SVD, Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung Dezember 2007 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 6/2007, Steyler Verlag, Nettetal