1. Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Großartige Zusage des Neubeginns

1. Lesung:: Jer 33,14-16
2. Lesung: 1Thess 3,12 – 4,2
Evangelium: Lk 21,25-28.34-36

Zeitansagen am Beginn eines neuen Kirchenjahres

Mit dem 1. Sonntag im Advent beginnt für uns ein neues Kirchenjahr. Es wird zu einem Gang durch das Leben Jesu. Wir hören seine Botschaft und können ihre Umsetzung an seinem Leben ablesen. Im Zusammenhang damit feiern wir die großen Feste unseres Glaubens. Wir können unser Leben neu auf Jesus Christus hin ausrichten. Die Menschen früherer Zeiten waren sicher weniger gestresst als wir. Aber geplagt und beladen waren sie ebenso. Doch sie hatten etwas sehr Einfaches begriffen. Der Mensch funktioniert nicht rund um die Uhr. Er benötigt Zeiten des Rastens, der Stille. Diese Erkenntnis hat die Leute auch dazu geführt, den Advent zur stillsten Zeit des Jahres werden zu lassen. Es könnte wieder so kommen. Müsste es nicht wiederum so werden? Der Weg zurück, zu stillen, nachdenklichen Stunden im Advent, ist nicht Rückschritt in verstaubte Zeiten. Er ist notwendige Rast. Wer die Zeit dazu finden will, der muss ins moderne Leben hinein schneiden, muss einen Schnitt machen.

Die Menschen werden vor Angst vergehen

Ist das ein gutes Wort zum Jahresbeginn? Es ist kein Neujahrswunsch. Es ist die Feststellung einer Realität. Lange schon vergehen die Menschen vor Angst, wenn sie an die Zukunft denken. Es ist noch gar nicht lange her, da wurde lebhaft einer neuen Weltordnung das Wort geredet. Inzwischen geben kleine und große Kriegsspieler den Ton an. Es darf geraubt, gebrandschatzt und gemordet werden. Menschenrechte scheinen nicht einmal das Papier wert zu sein, auf dem sie formuliert wurden. Wahnsinnig viele Menschen leben heute in Angst. Sie vergehen vor Angst. Daran kommen wir nicht vorbei.

Erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe

Mitten im Chaos am Ende der Geschichte wird sich etwas ereignen, das einen Neubeginn signalisiert. Ich möchte ein Wort aus der Offenbarung des Johannes anfügen. „Er, der auf dem Throne saß, sprach: Seht, ich mache alles neu“. Ich höre die Antworten. „Hört doch auf mit diesen frommen Sprüchen“. Oder: „Die
Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Oder ganz einfach: „Gott sei
Dank!“
Es gibt viele, die diese großartige Zusage des Neubeginns als frommes Geschwätz abtun. Das hat vermutlich damit zu tun, dass sie ihre Häupter nicht erheben. Es fehlt am Weitblick. Ihnen genügt die Kurzsichtigkeit des heutigen Tages, der vielleicht nicht einmal nach dem morgigen fragt. Was kümmert mich das Morgen. Wenn das Leben mir eine Reihe guter Tage schenkt, das genügt. Wenn es dann aus ist, ist es aus. Auf alle Fälle habe ich etwas vom Leben gehabt. Man kann mit dieser Kurzsichtigkeit leben, bis zu einem bestimmten Punkt. Und über diesen Punkt redet man eben nicht! „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Allzu gerne richten Menschen sich auf, wenn sie von Erlösung hören. Nur, wie steht's mit der Garantie? Wird es wirklich so sein? Es wird erkennbar, wie wichtig es ist, mit jedem neuen Kirchenjahr einen Gang durch das Leben Jesu anzutreten. Jesus ist mit seiner Person – buchstäblich bis zum letzten Atemzug - für seine Botschaft eingestanden. Er selbst ist im Vertrauen auf Gott das Wagnis des Todes am Kreuz eingegangen. Wie gewagt das war, bezeugen seine Worte am Kreuz. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Die Frauen, die in aller Frühe zum Grab kamen, und den Leichnam Jesu nicht fanden, erhielten dort diese Botschaft: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er gesagt hat, als er noch in Galiläa war“ (Lk 24, 5-7). Wir dürfen seiner Botschaft glauben. Aber dazu gehört vorher die Kenntnis dieser Botschaft.
„Gott sei Dank“, sagen Menschen, die diese Botschaft hören. Das ist weder Arroganz noch Weltfremdheit. Der Christ versucht sein Leben zielgerichtet zu leben, auf Christus hin. Er wird kommen, um die Erlösung der Seinen zu vollenden. Die, für die er gestorben und auferstanden ist, führt er in das Reich des Vaters. Der Sinn des Lebens erschöpft sich nicht in hinter sich gebrachten Tagen. Es geht nicht darum sagen zu können „Pech gehabt“ oder „Glück gehabt“. Der Mensch gehört an die Seite Gottes, weil er kein Geschöpf auf Abbruch ist, sondern auf Vollendung hin ausgerichtet. Das Leben Jesu zeigt, wie Gott zum Menschen steht. Könnte Gott am Ende der Geschichte nur noch zertrümmerte Menschen zusammenkratzen, dann müsste ich konsequenterweise ohne Rücksicht auf Verluste leben. Das wird von Menschen getan, und es wird chaotisch. Der Christ hat eine andere Lebensperspektive. „Nehmt euch in acht, dass die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren“.
Mit dieser Mahnung soll uns auf keinen Fall das Leben vermiest werden. Nur,
wenn Menschen so sehr dem Augenblick leben, dass sie sonst nichts mehr wahrnehmen, geht die große Lebensperspektive zwangsläufig verloren. Für was, über das Tagesgeschäft hinaus, haben wir heute noch Zeit? Wir sind dabei durchaus nicht glücklich. Wir sind Gefangene eines unerbittlichen Betriebes geworden, den wir selbst aufgebaut haben. Viele Menschen leben nicht mehr. Sie funktionieren nur noch als Teil eines gigantischen Getriebes.
Wer nur dem Augenblick lebt, hält Zeit nicht mehr aus. Das macht uns kaputt. Ohne ein weit gestecktes Ziel lebt der Mensch im Ghetto. Ein Ghetto ist kein Lebensraum. Ohne Hoffnung auf Gott bleiben uns die täglichen Sorgen und die Angst, damit nicht fertig zu werden. Es bleibt die Angst, wie lange kann ich behalten, was ich habe. Wer seine Hoffnung auf Gott setzt, lebt nicht sorglos. Aber er erhebt seine Augen zu einem großen Ziel. Christus hat mit seinem ersten Kommen eine wahrhaft neue Dimension in die Welt gebracht. Der Mensch gehört unwiderruflich zu Gott.
Bei seinem zweiten Kommen wird Christus uns fragen, ob wir getan haben, was er uns aufgetragen hat. Der Mensch lebt verantwortlich vor Gott. Das ist keine Bedrückung. Gott betätigt sich nicht als Fallensteller im Leben des Menschen, auch nicht als Erbsenzähler. „Gottes große Leidenschaft ist der Mensch!“ Darum wird er kommen, um unserem Leben die Vollendung zu schenken. Den Gipfel seiner Selbstverwirklichung wird der Mensch an der Seite Gottes erreicht haben. Es ist nicht weltfremd, nach dem großen Ziel des Lebens Ausschau zu halten und sich darauf zu freuen. Eher erscheint es weltfremd, sich in den Sorgen des Alltags zu verlieren.

Wacht und betet allezeit

Die Stunde des Endes aller Geschichte soll nicht bleibendes Chaos sein, sondern die Vollendung allen Lebens durch Gott. Niemand kennt diese Stunde. Alle Berechnungen haben sich als Falschrechnungen erwiesen. Sie wird überraschend kommen. Also müssen wir doch wieder in Angst leben? Dazu kommt noch etwas. Kein Christ lebt sein Christsein lebenslänglich auf Hochtouren. Es wird immer nur ein Mühen um das sein, was Christus uns aufgetragen hat. Noch einmal Angst? Nein! Wir können beten, d.h. wir können zu jeder Zeit unser Leben mit Gott ausreden.
Er weiß, wie schwer ein Menschenleben sein kann. Mein Gebet muss keine fortwährende Jubelarie auf Gott sein. Es gibt Augenblicke, da kann es so sein. Ich kann aber - ja ich sollte auch so beten – „Herrgott, lass mich nicht zugrunde gehen!“ Er wird uns erhören. Ich glaube, beten ist bei Gott Ruhe finden, ist die Befreiung von Angst.
Am Beginn des neuen Kirchenjahres stehen große Ansagen des Evangelisten. Sie sind inhaltsschwer und machen uns nachdenklich. Die Zeit darüber nachzudenken, sollten wir uns nehmen. Der Advent wäre die richtige Zeit dafür.

 

Pfr. Klaus Mucha