1. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

„Sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (Jes 2,4)

 1. Lesung: Jes 2,1-5
2. Lesung: Röm 13,11-14a
Evangelium: Mt 24,29-44

Können wir etwas anderes als hoffen?

Der Philosoph Ernst Bloch hat ein einflussreiches Buch mit dem Titel „Prinzip Hoffnung“ geschrieben. Darin weist er nach, dass Hoffnung zu unserer menschlichen Existenz gehört. Wir können gar nicht ohne Hoffnung leben. Unsere Hoffnung richtet sich auf verschiedenste Dinge. Wir hoffen jedoch immer auf eine bessere Zukunft. 

Diese Einsicht stammt aus der Bibel. In vielen Texten und Bildern stellt uns die Heilige Schrift eine bessere Zukunft vor Augen. Die bessere Zukunft wird von Gott geschenkt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass für die Bibel das Warten auf die von Gott in Aussicht gestellte Heilszeit Flucht aus der Gegenwart wäre. Für die Bibel ist Hoffnung auf eine bessere Zukunft zunächst einmal Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen, dann aber auch Orientierung für unseren Glauben und unser Handeln in der Gegenwart.

 

Worauf dürfen wir hoffen?

Eines der Hoffnungsziele der Bibel findet sich in der heutigen ersten Lesung, die aus dem Prophetenbuch Jesaja stammt. Es ist der universale Völkerfriede. Dieser ist für die Zukunft verheißen. „Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (Jes 2,4). Auf diesen universalen Frieden dürfen wir hoffen. 

Mit der Verheißung für die Zukunft übt unsere Lesung Kritik an der Gegenwart. Diese ist durch das Gegenteil von Frieden gekennzeichnet, nämlich durch Krieg. Das war damals so, vor Tausenden von Jahren, als unser Text geschrieben wurde, und das ist leider auch heute noch so. Auf fast allen Kontinenten unserer Erde herrscht Krieg: Völkerkrieg, Bürgerkrieg, Terrorismus.

Die Älteren unter uns haben die Schrecken des Krieges und seine Folgen am eigenen Leib erfahren. Aber auch die Jüngeren unter uns können sich vorstellen, was gemeint ist. Denn durch die Berichterstattung der Medien sind wir alle Augen-und Ohrenzeugen von kriegerischen Auseinandersetzungen und terroristischen Handlungen heutzutage. Ja, Terrorismus und Gewalt mitten unter uns, lassen uns vor Schreck erbleichen. Denn wir können heute oder morgen ihre Opfer sein. 

Die heutige erste Lesung ist hochaktuell. Nehmen wir folgende Aussage als Beispiel: „Sie werden den Krieg nicht mehr lernen“ (Jes 2,4). In einigen Ländern bringt man bereits Kindern das „Kriegshandwerk“ (welch ein Unwort!) bei. Wir kennen die Bilder, auf denen Kindersoldaten Kalaschnikows tragen und skrupellos ihre eigenen Verwandten töten. Oder nehmen wir folgende Aussage: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern“ (Jes 2,4). Wenn Waffenproduktion in friedliche Funktionen umgelenkt würde, was könnte da nicht an Geldern frei werden für die Entwicklung der armen Länder oder für die Herstellung von Medikamenten zu erschwinglichen Preisen, so dass die Bewältigung schlimmer Krankheiten gelingen könnte! Die Friedensbewegungen haben mit Recht den Satz aus unserer Lesung zu ihrem Slogan gewählt: „Schwerter zu Pflugscharen!“ 

 

Wie ist Friede möglich?

Friede, wie ihn der Jesajatext verheißt, ist möglich, wenn folgendes geschieht: „Viele Nationen werden sich aufmachen und sprechen: Kommt, lasset uns hinaufziehen zum Berge des Herrn, zu dem Hause des Gottes Jakobs, dass er uns seine Wege lehre und wir wandeln auf seinen Pfaden, denn von Zion wird die Weisung ausgehen, und das Wort des Herrn von Jerusalem“ (Jes 2,3).

Die Völker folgen ihren eigenen Wegen. Dort geht es um Einflussnahme, Machtgewinn, Wirtschaftsvorteile und ähnliches. Das führt zu Rivalitäten, Konflikten und Kriegen. Die Wege des Gottes Israels müssten die Völker kennen und auf ihnen müssten sie gehen! Gott hat seine Wege im „Gesetz“ geoffenbart. „Gesetz“ bedeutet nicht kleinliche Vorschriften, sondern eine Lebens-und Gesellschaftsordnung, die durch Brüderlichkeit, Solidarität, Teilen und Versöhnung bestimmt ist. Wenn die Völker dieser Ordnung folgen, werden sie in Frieden miteinander leben können. Das ist die große Hoffnungsbotschaft unserer heutigen ersten Lesung.

Damit die Völker der vom Gott Israels gesetzten Lebensordnung folgen, muss allerdings so etwas wie ein Wunder geschehen. Gott selbst muss in die menschliche Geschichte eingreifen. Genau das verheißt unsere Lesung für die Zukunft: „Und es wird geschehen in den letzten Tagen, da wird der Berg mit dem Hause des Herrn festgegründet stehen an der Spitze der Berge und die Hügel überragen; und alle Völker werden zu ihm hinströmen“ (Jes 2,2).

Das ist ein Bild. Der „Berg mit dem Haus des Herrn“ ist der Tempelberg Zion. Doch hier steht er für das Volk Israel. Die „Hügel“ meinen daher die anderen Völker. In der kommenden Heilszeit wird Israel zu einer weithin sichtbaren Modellgesellschaft für die anderen Völker der Welt werden. Denn in dieser Gesellschaft wird man auf Gottes Wegen gehen. Das wird so attraktiv für die anderen Völker sein, dass sie das gleiche tun möchten. „Dass er uns seine Wege lehre und wir wandeln auf seinen Pfaden“, werden sie sagen (Jes 2,3). Wenn das geschieht, wird endlich Friede unter ihnen herrschen. Darauf dürfen wir hoffen.

 

Was sollen wir tun?

Ist der verheißene Völkerfriede nur „Zukunftsmusik“? Können wir nur auf ihn hoffen? Können wir gar nichts zu seinem Zustandekommen tun? 

Der wohl wichtigste Satz unserer Lesung ist der letzte Satz: „Haus Jakobs, auf, lasset uns wandeln im Lichte des Herrn!“ (Jes 2,5). An dem, was Gott für die Zukunft verheißt, zeigt sich, was er für die Völker wirklich will. Diesem Willen Gottes muss menschliches Handeln bereits jetzt in der Gegenwart entsprechen. Deshalb der Aufruf an Israel: „Haus Jakobs, auf, lasset uns wandeln im Lichte des Herrn!“ (Jes 2,5). 

Wir Christen glauben, dass Jesus von Nazareth der von Gott gesandte Messias ist. In der Adventszeit bereiten wir uns auf die Feier seiner Geburt an Weihnachten vor. Mit seinem Kommen in die Welt ist das Wunder geschehen. Gott hat die verheißene Heilszeit beginnen lassen. In der Tat hat Jesus das messianische Israel gesammelt. Berufung und Aussendung der zwölf Apostel weisen darauf hin. In der Jüngergemeinde Jesu, d. h. in der Kirche hat das messianische Israel Gestalt angenommen. Vor allem in der Bergpredigt, aber auch in vielen anderen Unterweisungen hat Jesus seinen Jüngern das Kriterium gegeben, das es ihnen erlaubt, die von Gott seinem Volk gegebene Lebensordnung in die Tat umzusetzen: die Liebe. So beginnt die Erfüllung der Verheißungen des Alten Testaments, auch derjenigen der heutigen ersten Lesung.

Wir sind Jesu Jüngergemeinde heute. Sein Geist gibt uns die Kraft, entsprechend dem Kriterium der Liebe zu denken und zu handeln und so die von Gott gewollte Lebens- und Gesellschaftsordnung zu verwirklichen. Dadurch werden wir die weithin sichtbare „Stadt auf dem Berg“ und das „Licht der Welt“ sein. Uns gilt daher weiter und ganz besonders der Aufruf: „Haus Jakobs, auf, lasset uns wandeln im Lichte des Herrn!“ (Jes 2,5). 

In der Tat, wenn alle Völker in diesem Licht wandeln sollen, dann muss ihnen irgendwo nicht nur gesagt, sondern auch gezeigt, d. h. vorgelebt werden, wie das geht. Das ist Gottes Strategie und die Aufgabe der Kirche in der Geschichte des Heils. Deshalb ist Kirche wichtig, und wir sollten uns freuen zu ihr zu gehören. Denn wir nehmen an ihrer großartigen Aufgabe teil, Licht der Welt zu sein. Die Völker werden das Licht sehen und ebenfalls darin wandeln wollen. Wenn sie das tun, wird Friede möglich sein. Die erste Kerze, die wir auf dem Adventskranz angezündet haben, soll uns an diese Hoffnung erinnern.

 

P. Dr. Dieter Skweres SVD