2. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Er sah Jesus auf sich zukommen

 1. Lesung: Jes 49,3.5-6
2. Lesung: 1 Kor 1,1-3
Evangelium: Joh 1,29-34

Der sanfte Täufer

Manchmal kommt man mit einem unbekannten Platznachbarn ins Gespräch, bei einem Festbankett z. B. oder bei einer Tagung in der 11. Reihe oder auf einer Reise im Zugabteil. Womöglich stellt sich heraus, dass er oder sie eine bedeutende Persönlichkeit ist, von der man schon gelesen oder gehört hat, deren Werk einen tief beeindruckt hat: ihre Kunst oder eine technische Erfindung oder eine soziale Reform. So umgänglich und bescheiden hatte man sie sich nicht vorgestellt. Da war kein Hauch von Starallüren, vielmehr ein Erfasstsein von einer „Sache“, einer Aufgabe, die sich als immer größer zeigt, je tiefer man in sie eindringt. Da werden Bewunderung und Selbstinszenierung wie Nebelkerzen, die den Blick auf Tieferes, Kommendes beeinträchtigen.

So etwa stellt der Evangelist Johannes seinen Namensvetter, den Täufer dar. Der wilde Mann aus der Wüste, wie ihn Matthäus, Markus und Lukas vorstellen, der Asket mit Kamelhaar-Umhang, der mit markigen Worten auf die Zuhörer eindrischt, wird zur Gestalt mit behutsamer, bescheidener Sprache. Als „Stimme, die in der Wüste ruft“ bezeichnet er sich selbst. Die Wüste ist der Inbegriff der Stille. Da kommen ganz andere Stimmen zu Wort, die kein Tonband aufnehmen kann, die im Lärm des Geschäftslebens untergehen.

Es ist, als müsste man selber erst einmal still werden, um zu erahnen, wovon der Täufer spricht: Schaut nicht auf mich, sondern richtet eure Aufmerksamkeit in die Richtung, in die meine Worte und Taten, die Taufe, weisen. „Ebnet den Weg für den Herrn“. Der Evangelist lässt den Täufer sprechen wie den Propheten Jesaja (40,3) ein halbes Jahrtausend zuvor. Die Israeliten waren in Gefangenschaft, in der Fremde, heimatlos, bedrückt. Jesaja kündigt die Neugründung der alten Heimat an, nicht so sehr die Wiederherstellung der alten Mauern, als vielmehr die Heimkehr dorthin, wo Gottes Wort verkündet und gelebt wird.

 

Wasser der Bereitschaft, Geist der Verwirklichung

Fünfhundert Jahre nach dem Wiederaufbau Jerusalems die Situation wiederum bedrückend. Die Römer beherrschen das Land und machen die Bewohner zu Gefangenen in ihrer eigenen Heimat. Sie bringen den Glanz der Zivilisation der Großmacht ins Land. Es ist schwer, bei so vielen übermächtigen, verführerischen Einflüssen sich nicht zu arrangieren, sich nicht Vorteile zu verschaffen, die Geschenke und Segnungen der fremden Götter nicht anzunehmen. Nach und nach weicht der Bund mit Gott auf, schlittert man unbemerkt in den Ehebruch gegenüber Jahwe, dem „Ehemann Israels“, verheddert sich in einem Geflecht von Entfremdung und Schuld, aus dem man allein nicht mehr heraus kommt. Die Geste des Taufens drückt das Verlangen nach reinem Tisch aus, nach Neuanfang, nicht in Baumaßnahmen, sondern in innerer Umkehr. Niemand kann aus seiner Haut, keiner macht sich selber besser. Das Einzige ist: sich dem überlassen, der einen bessern kann. Das zumindest könnt ihr an euch geschehen lassen, vermittelt Johannes in der Taufe. Wegbereitung nennt er es. Die wirkliche Erneuerung vollbringt der, der nicht mit Wasser, sondern mit Heiligem Geist tauft. Johannes kannte ihn nicht. Er wusste aber: Er ist schon da. „Mitten unter euch steht er, den ihr nicht kennt“ (Joh 1,26). Er fühlt sich gesandt, Israel mit ihm bekannt zu machen. Wenn seine Stunde kommt, wird er in Erscheinung treten, nicht imposant wie ein brüllender Löwe, sondern Vertrauen erweckend sanft wie ein Lamm. Nicht wie ein Adler im Sturzflug – häufig Symbol Furcht einflößender Macht –, sondern schwerelos schwebend im leichten Aufwind wie eine Taube. Göttlicher Schöpfergeist, der Leben entstehen lässt und erhält, der auf unbegreifliche Weise der Erde immer neues Leben entlockt, wurde im Altertum durch ein vogelartiges geflügeltes Wesen dargestellt. Die Taube zeigt an, dass dieser Unbekannte, den Johannes da auf sich zukommen sieht, mit göttlicher Vollmacht ausgestattet ist, dass „der Geist auf ihn herabkommt und auf ihm bleibt“.

 

Geisttaufe: sanfte Berührung in bescheidenem Dienst

Die geheimnisvolle Gegenwart des Gesandten (Messias) Gottes und sein Zutagetreten mitten unter den Menschen – „outen“ würden wir neudeutsch sagen, und der Evangelist sagt: „Er offenbart seine Herrlichkeit“ –, dies zieht sich wie ein roter Faden durch sein Evangelium. Ein paar Verse weiter (2,1-12) geschieht auf der Hochzeit die Verwandlung von Wasser in Wein. Nur wenige bekommen mit, was da vorgeht. Das Fest geht unbeschwert weiter. Es wird eher die Beschwerde laut: Warum erst jetzt der gute Wein?!

Beim Zeichen des Brotes, wo so viele von so wenig satt geworden sind (Kap. 6), überdeckt das politische Interesse die Wahrnehmung der Herrlichkeit Gottes. Sie wollen Jesus zu ihrem politischen Führer machen. Er muss sich ihnen entziehen. – Bei der Heilung des Blindgeborenen (Kap. 9) wird nur der Schwerstbehinderte, der sich den Worten Jesu anvertraut, sehend. Später erst, als er wie zufällig Jesus wieder begegnet, erkennt er, wie der Bote Gottes aussieht, der ihn heil gemacht hat. Die mit der Prüfung des Falles Betrauten sind misstrauisch verbohrt. Sie werden (glaubens)-blind.

Dass einer nach mir kommt und mir schon voraus ist, das gibt es bei Menschen nicht, das ist nur für Gott möglich. Er ist Alpha und Omega. In ihm fallen Anfang und Ende zusammen. Jesus hat diese göttliche Eigenschaft. So spricht der Täufer über ihn: „Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“

Jesus ist mit den ehrlich Suchenden unterwegs (Gott mit uns) zu dem, der da kommen wird (Gott unserer Zukunft). Seine Jünger reinigt (tauft) er in der dienenden Geste der Fußwaschung (Joh 13,1-20). In der Fußberührung vermittelt er ihnen seinen Geist: So sollt auch ihr aneinander tun. Gott offenbart seine Herrlichkeit in bescheidenen Zeichen. Im Tun solcher Zeichen können wir uns vergewissern, ob wir mit Heiligem Geist getauft sind.

 

P. Dr. Gerd Birk SVD