Erscheinung des Herrn (H)

Predigtimpuls

Gott ist immer vor dir dagewesen

1. Lesung: Jes 60,1-6
2. Lesung: Eph 3,2-3a.5-6
Evangelium: Mt 2,1-12

 

Heil für alle Völker

Am heutigen Fest feiern wir das Erscheinen Gottes in dem Kind Jesus vor aller Welt. Gott selber kommt in Jesus in die Welt der Menschen, um seine Liebe und sein Erbarmen allen Menschen mitzuteilen. Er schenkt den Menschen seine Gemeinschaft und versöhnt sie so mit sich und untereinander. So schenkt er den Menschen die Fülle des Lebens, die Erfüllung ihres Menschseins, ihr Heil.

Der besondere Charakter des heutigen Festes wird uns verdeutlicht in der Geschichte der Sterndeuter, die nicht aus dem Volk Israel stammen. Diese Männer, die die Völkerwelt darstellen, sind ein Sinnbild für alle Menschen, die auf der Suche sind in ihrem Leben und die von Gott zu seiner vollen Offenbarung in Jesus von Nazareth geführt werden.

Hier kommt mir das Wort des philippinischen Bischofs Julio X. Labayen in den Sinn, das er am Schluss einer Betrachtung zum Epiphaniefest sagte: „Wann immer du auf andere Kulturen zugehst, zieh deine Schuhe aus, denn du betrittst heiligen Boden. Und vergiss nie, Gott ist immer schon vor dir dagewesen.“ Dieses Wort hilft mir, das Evangelium des heutigen Tages zu deuten.

Das christliche Brauchtum hat im Laufe der Jahrhunderte die Geschichte der Sterndeuter weiterentwickelt. So spricht man von drei Weisen und man gab ihnen Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Sie wurden zu Königen. Sie waren Vertreter der damals bekannten Kontinente. Für den Evangelisten Matthäus und seine judenchristliche Gemeinde handelt es sich bei den Sterndeutern um Nicht-Juden, und das waren für sie die Heiden.

 

Für wen stehen die Sterndeuter heute?

Die Geschichte von damals hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder wiederholt, und sie wiederholt sich auch heute. Menschen machen sich auf den Weg, auf die Suche, sie folgen dem Stern bis sie zu dem Kind in der Krippe geführt werden, niederfallen und es anbeten. Seit dem 2. Vatikanum ist es stärker in unser Bewusstsein getreten, dass Gott sich auf vielfältige Weise in unserer Welt zeigt und den Menschen nahe kommt. Er offenbart sich in der Schöpfung sowie in der Geschichte der Menschen. Gott ist auch anwesend in den Kulturen und Religionen. In besonderer Weise hat er sich im Volke Israel geoffenbart. Zur Fülle kam diese Offenbarung in Jesus Christus. Hier hat er sich in endgültiger und unüberbietbarer Weise geoffenbart.

 

Die Offenbarung geht weiter

Aber auch diese Offenbarung Gottes in Jesus Christus geht weiter in der Geschichte der Kirche und der Menschen. Wir müssen immer neu auf der Suche bleiben, um zu erkennen, wo und wie sich Gott in unserem Leben zeigt und uns nahe ist. So spielt heute in der Kirche und in der Welt das Thema Dialog eine zentrale Rolle.

Wenn es denn wahr ist, dass Gott schon in der Schöpfung, den Kulturen und Religionen da ist, dann hilft uns das Bemühen um ein Begreifen dieser Anwesenheit, den Gott Jesu Christi besser zu erkennen und sein Wirken zu erfahren.

Wir beklagen z.B. den Glaubensschwund in der säkularisierten Welt Westeuropas. Ist es aber wahr, dass Gott immer weniger anwesend ist? Kann es nicht sein, dass er sich in anderer Weise kundtut, als wir das bisher gewohnt sind? Müssen wir nicht das Leben des heutigen modernen/ postmodernen Menschen zuerst einmal richtig wahrnehmen, versuchen es zu verstehen. Ist es richtig, wenn wir gleich mit fertigen Urteilen kommen? Wir müssen uns ernsthaft mit den Fragen und Nöten, den Ängsten und Wünschen, den Überzeugungen und Ansichten der Menschen auseinandersetzen. Die Menschen heute sind doch nicht schlechter als die Menschen früherer Zeiten! Sie wollen doch auch verantwortungsbewusst und ehrlich die Neue Welt bauen. Vielleicht erkennen wir im Gespräch mit der modernen Kultur Gottes Offenbarung in Jesus Christus für uns heute auf neue Weise.

Denken wir an die Kulturen anderer Völker! So ist etwa seit einigen Jahren in weiten Teilen Lateinamerikas das Bestreben festzustellen, die einheimischen Kulturen, der Indios zum Beispiel, wieder mehr zu beachten. Die Indios hatten und haben eine Kultur, auch eine religiöse Kultur. Sie haben eine bestimmte Vorstellung von Gott und seinem Wirken im Leben der Menschen, bestimmte Vorstellungen des menschlichen Zusammenlebens u.a. Bei der Eroberung Lateinamerikas durch die Spanier und die Portugiesen hat man ihnen diese Kultur wegzunehmen versucht und auch weggenommen. Aber ganz gelang dies nicht. Die Menschen leben immer noch in ihrer Kultur. Aber sie werden darin behindert. Das neue Bemühen der Kirche geht nun dahin, den Menschen zu ermöglichen, den christlichen Glauben in ihrer Kultur zu leben. Man versucht, den christlichen Glauben im Gespräch mit der Kultur der Indios neu zu verstehen und zu buchstabieren. Denn auch dort war Gott schon anwesend. Das Evangelium erhält so eine neue Gestalt und die Kulturen selbst erfahren die Fülle des Evangeliums.

Ähnliche Bemühungen gibt es auch in Asien und in Afrika. Dort gibt es die großen religiösen Traditionen. Die Menschen waren und sind auf der Suche nach Gott und dem Sinn des Lebens. Und Gott ist auch ihnen entgegengekommen und hat sich ihnen geoffenbart. Dieses Suchen und Antworten auf Gottes Entgegenkommen ist hoch zu schätzen. Aufgabe der Kirche ist es auch hier, im Gespräch mit den Religionen Gottes Offenbarung in Jesus Christus tiefer zu verstehen. Auf diese Weise können die Menschen in Asien und Afrika Gott, wie er sich endgültig in Jesus Christus geoffenbart hat, auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen besser und tiefer verstehen und niederfallen und ihn anbeten.

Es geht nicht darum zu sagen, Gott hat sich in verschiedener Weise geoffenbart und alle diese Offenbarungen sind gleich. Die Fülle der Offenbarung Gottes ist seine Offenbarung in dem Kind in der Krippe von Betlehem. Seine Anwesenheit in der Schöpfung, in den Kulturen und Religionen will die Menschen das Kind in der Krippe umfassender und der Erfahrung von Menschen angemessener erkennen lassen. So können die Menschen Gott in Jesus Christus als ihren Gott, den „Gott für uns“ erkennen und anbeten.

So will das heutige Fest die Kirche zum Dialog ermuntern mit den Menschen verschiedener Kulturen und Religionen im Vertrauen darauf, dass Gott so alle Menschen hinführt zum Kind in der Krippe, dass alle Menschen ihn anbeten, denn nur in ihm ist das Heil.

 

P. Dr. Heribert Bettscheider SVD