Weihnachten - Geburt des Herrn / In der Heiligen Nacht (H)

Predigtimpuls

Licht für jene, die meinen, im Dunkel zu sein

1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14

 

Wir sind ganz leise

Vor etwa 55 Jahren schrieb der 1947 verstorbene Schriftsteller Wolfgang Borchert in einer eigenartigen Kurzgeschichte folgendes: „Dann waren welche an der Tür. Wir sahen das Licht, sagten sie, vom Fenster. Wir wollen uns 10 Minuten hinsetzen. Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins Zimmer, stießen Nebel aus den Nasen und hoben die Füße hoch. Wir sind ganz leise, flüsterten sie, und hoben die Füße hoch. Dann fiel das Licht auf sie.

Drei waren es. In alten Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der dritte hatte keine Hände. Erfroren, sagte er, und hielt die Stümpfe hoch. Dann drehte er dem Mann die Manteltasche hin. Tabak war darin und dünnes Papier. Sie drehten Zigaretten. Aber die Frau sagte: Nicht, das Kind! Da gingen die vier vor die Tür, und ihre Zigaretten waren vier Lichtpunkte in der Nacht.“

 

Um des Kindes willen

In dieser Geschichte klingen Erfahrungen von Krieg, Bedrohung und Verlorenheit mit. Aber auch Davongekommensein und Aufatmen, Vertrauen und Menschlichkeit schwingen mit -um des Kindes willen. Um des Kindes willen sind die Fremden „ganz leise“, rücksichtsvoll. Um des Kindes willen gehen sie hinaus, um zu rauchen, im gemeinsamen Einvernehmen. Das Kind, obwohl es nicht beschrieben wird, ist Mittelpunkt dieser Geschichte. In seiner Nähe finden sie selbst etwas Licht, und sie gehen mit glühenden Zigaretten ins Dunkel vor die Tür, jetzt zu viert.

Es ist fast unvermeidbar, wo ein neugeborenes Kind in eine Familie kommt, da wird es automatisch Mittelpunkt. Es wäre ein Zeichen großer Verkommenheit, wäre es nicht so. Und es rührt uns an mit seiner Winzigkeit, Hilflosigkeit und Bedürftigkeit, weckt in uns Zärtlichkeit, aber dann auch Erwartungen; es wirkt, wenn es beginnt, kraftvoll zu strampeln und zu zappeln, wie ein Magnet voll intensiven Lebens trotz aller Bedürftigkeit. Ein Kind, so kann man das sicher sagen, ist eine Herausforderung an das Gute im Menschen, an das Leben, an die Welt.

 

Eine neue Zeit beginnt

So war das sicher auch mit dem Kind Jesus in der Weihnachtsgeschichte. Die Welt allerdings erwartete Großes von einer ganz anderen Stelle, von einem ganz anderen Menschen. Es gibt da nämlich eine Inschrift auf einer uralten Tafel in Priene in Kleinasien aus dem Jahre 9 vor Christi Geburt. Darauf steht geschrieben: „Dieser Tag hat der Welt ein anderes Gesicht gegeben. Sie wäre verloren, wenn nicht in seiner Geburt für alle Menschen das Heil aufgestrahlt wäre. Endlich ist die Zeit vorbei, da man es bereuen musste, geboren zu sein.

Zum Heil der Welt ist dieser Mensch mit solchen Gaben erfüllt, dass er uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland gesandt ist. All Fehd’ hat nun ein Ende, alles wird er herrlich machen. Die Hoffnungen der Väter sind erfüllt. Unmöglich, dass je ein Größerer kommen könnte. Sein Geburtstag hat der Welt das Evangelium beschert, das sich mit seinem Namen verbindet. Mit seiner Geburt beginnt eine neue Zeitrechnung.“ Das klingt alles so bekannt, doch 9 Jahre vor der Geburt Christi galten diese Worte dem damaligen Kaiser Augustus von Rom. Von ihm erwartete die große Welt das Heil, nicht von Jesus.

 

Mit Heilserwartung

Auf Jesus dagegen schauen unscheinbare Menschen voller Erwartung, unscheinbare Menschen wie Josef, Maria, die bedeutungslosen Hirten, dann später die Weisen aus der Ferne. Immer wieder haben Menschen für ihre Rettung, für ihr Heil auf die Politik, auf die Macht gesetzt auf Augustus, Nero, Otto, Adolf, Clinton, Saddam, Kohl und Schröder. Und immer wieder gibt es neue Gesetze und Formulierungen, inzwischen oft so kompliziert, dass viele aufgeben, sie verstehen zu können. Niemand hat bisher wirklich das Heil gebracht.

Mit diesem Kind, so wird uns versichert, setzt Gott selber einen neuen Anfang. Wohl deshalb all dies Licht in diesen Tagen. Gott sagt „ja“ zu uns, indem er wie wir existiert. Er sagt nicht: „Ich brauche erst einmal Steuern für meine Dienste.“ Er sagt: „Ich liebe dich, Mensch!“ Und dann wird uns in Jesus Christus gezeigt, wie ein geliebter Mensch spricht und handelt. Und wer dann so lebt und spricht, es jedenfalls ernsthaft versucht, der ist ein Beweis dafür, dass es Gott gibt, einen liebenden Gott.

 

Das Geschenk Gottes an die Welt

Mag ja sein, dass man Gott in der Natur, in jedem Wassertropfen irgendwie erkennen kann. Doch seit Bethlehem ist der geliebte und dann der liebende Mensch, das Zeichen, dass Gott unter uns, mit uns ist, Immanuel, wie es im Hebräischen heißt. Deshalb ist Jesus das Geschenk Gottes an die Welt. Und die Geschenke unterm Weihnachtsbaum sollten eigentlich nichts anderes als Symbole sein dafür, dass wir uns selber einander schenken, füreinander da sind. Und da kommt es ja dann wohl auf die Echtheit an, aber nicht auf die Preisklasse.

Wenn heutzutage gesagt wird, die Welt bei uns sei gottloser geworden, dann sagt man nichts anderes als: es gibt weniger liebende Menschen. Wer darüber klagt und traurig ist, sollte anfangen zu lieben. Damit hätte man dann sehr viel zu tun, und Gott würde durch einen solchen liebenden Menschen wieder Fleisch werden, würde wieder Mensch. Auf die Frage, wo ist eigentlich Gott, antwortete einmal ein jüdischer Rabbi: Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Und dort wird er dann auch erkannt.

 

Glocken und Geschenke – Erinnerungen

Es gibt in unserer Stadt Streit um den Ruf des Muezzin. Aber weiß eigentlich noch jemand, was das tägliche, dreimalige Glockengeläut von den katholischen Kirchtürmen, morgens und abends um 7 und mittags um 12 Uhr, besagt? Eigentlich ist es eine Erinnerung an Weihnachten, dreimal täglich. Es soll daran erinnern, dass sogar noch heute) sprachen wir Christen dabei das Gebet: „Der Engel des Herrn“. Engel heißt „Angelus“ im Lateinischen, daher das Wort Angelus-Läuten. Nach einem dreimaligen Glockenschlag wird gebetet: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist.“ Nach erneutem dreimaligen Glockenschlag heißt es dann: „Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ Und schließlich, wieder nach dreimaligem Glockenschlag beten wir: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Nach jedem dieser drei Verkündigungen wird ein Gruß an Maria eingefügt, das „Gegrüßet seist du, Maria!“

Dreimal am Tage erinnert uns das Angelus-Läuten an die Menschwerdung Gottes unter uns, und daran, dass Gott sich im Menschen, der liebt, erkennen lässt. Es bedeutet aber auch: Alle die meinen, das letzte Wort über uns zu haben, Mächtige, Gewaltige, Verführer, selbst der Tod in seiner Lebensverneinung sind nur Scheinmächte. Denn dieses Kind erweist sich als der, der den Tod besiegte und alles, was zum Tod führt. Das dreimalige Glockengeläut täglich und die Weihnachtsglocken, das sind die gleichen Glocken. Sie sagen das Gleiche: „Und das Wort ist Mensch geworden und wohnt unter uns, bei jedem, der sich dafür öffnet.“ Das ist das Licht der heiligen Nacht für alle, – für jene mit dem Pappkarton, für jene mit dem Sack und für jene, die nicht einmal mehr Hände haben. Wer sich dem Kind zuwendet, wird Licht für die, die glauben, im Dunkel zu sein. Amen.

 

P. Hermann-Johann Schnieders SVD