3. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

Wer bist Du?

1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11
2. Lesung: 1Thess 5,16-24;
Evangelium: Joh 1,6-8.19-28

Wer bist du? – Eine wichtige Frage

Wer bist du? – Das ist eine wichtige Frage. Wir möchten einfach wissen, woran wir sind mit uns selbst, mit den Menschen, mit denen wir es zu tun haben, und mit den Lebewesen überhaupt. Ohne Klarheit, ohne Transparenz, ohne Eindeutigkeit und ohne Deutlichkeit können wir schlecht leben. Es geht uns um die Identität unserer selbst, unserer Mitmenschen und unserer Lebenswelt. Wir brauchen sie, um uns orientieren zu können. Wer bist du? – Darauf zu antworten ist nicht so einfach. Wir wünschen ja nicht die äußeren Daten, etwa diejenigen, die im Personalausweis, im Reisepass oder auf einem anderen Datenträger angegeben sind, sondern eine tiefere Auskunft, die uns etwas vom Wesen dessen, dem unser Interesse gilt, offenbart. Das wird natürlich besonders kompliziert, wenn sich sein vordergründiges Bild bunt schillernd, rätselhaft und geheimnisvoll darbietet.

Wer bist du? – Frage an den Täufer

Wer bist du? Diese Frage stellen die Priester und Leviten aus Jerusalem dem Täufer Johannes. Johannes predigt und tauft am Jordan mit großem Erfolg. Das weckt ihr Interesse. Offensichtlich können sie ihn und sein Tun nicht richtig inordnen. Zu schillernd, zu vieldeutig, zu rätselhaft, zu geheimnisvoll kommt ihnen alles an ihm vor. Natürlich haben sie sich schon ein Bild von ihm gemacht, aber so ganz sicher sind sie sich nicht. Das merkt Johannes instinktiv und deswegen beginnt er sofort, dieses Bild zu zerstören: Der Messias, auf den ihr wartet, bin ich nicht, auch nicht der wiederkommende Elia und auch nicht der Prophet der Endzeit. Johannes protestiert gegen seine Identifizierung mit diesen endzeitlichen Gestalten und vielleicht überhaupt gegen den Versuch, ihn in bekannte Bilder, Vorstellungen und Entwürfe einzuordnen und einzufangen. Das alles bin ich nicht und werde ich nie sein. In mir und meinem Tun ereignet sich etwas ganz anderes. Dazu reichen eure bisherigen Begriffe und Vorstellungen nicht aus. Wenn ihr mich und meine Botschaft begreifen wollt, müsst ihr euch auf etwas ganz anderes bzw. auf einen ganz anderen einlassen. Ich bin eine Art lebendiges, dynamisches Ereignis, das auf den eigentlich Kommenden hinweist. Ich bin jemand, der sich durch diese hinweisende und verweisende Aktivität bestimmt. „Ich bin (also) die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!“ Ich bin jemand, der dafür sorgt, dass Jahwe, der „Ich – bin – da“, sich auf euch zu bewegen und wirklich bei euch da sein kann. Er ist schon anwesend in dem, den ihr nicht kennt. Mein Wesen, mein Sein, mein ganzes Leben bestehen in der existentiellen Geste des Hinweises auf den, der so kommt und jeweils kommen will. Ich bin die lebendige Aufmerksamkeit, die alles in ihren anziehenden Sog hineinreißen will, damit sich ein Freiraum auftut für den, der sich so neu ereignen will.

Wer bist du? – Frage an die Frager

Wer bist du? In der Existenzweise des Johannes, in dem, was er sagt und tut, wird diese Frage zu einer Anfrage an die Frager. Wer bist du? Wer seid ihr? Was seid ihr für Menschen, die sich nur dann wohl fühlen, sich nur dann zufrieden geben und nur dann in Übereinstimmung mit sich selbst leben können, wenn sie jemanden in ein bekanntes System einordnen können? Was seid ihr für Menschen, dass ihr nur dann eure Selbstsicherheit und euer Selbstbewusstsein bewahren könnt, wenn ihr euch auf bekanntem Terrain bewegt? Merkt ihr nicht, dass ihr euch dadurch selbst jeder Lebendigkeit beraubt und auch den Gott, der euch jeweils neu gegenwärtig sein will, abtötet und allenfalls nur noch als Götzen leben lassen wollt? Dieses Spiel spielt Gott aber, gerade weil er ein lebendiger Gott ist, nicht mit. Wenn ihr diese Frage: „Wer bist du?“ „Wer und was für Menschen seid ihr?“ bei euch wirklich zulassen könnt und wollt, dann beginnt erst das Abenteuer eures Lebens. Der Gott des Lebens ist der jeweils Kommende. Er und die Menschen, die ihm verbunden sind, und in seinem Dienst stehen, sind deswegen nicht abzupacken in den Schubladen und Schubfächern eines bekannten Systems. Er und sie rufen zu einer lebendigen Begegnung auf, und die ist jeweils neu. Er ist der Kommende und sie sind die Kommenden. Sie sind Wesen des Weges und Wesen auf dem Wege. Wirklich leben können nur die, die dieses Ereignis, die diesen Advent zulassen.

Wer bist du? – Frage an mich

Wer bist du? Ja, wer bin ich? Lasse ich diese Frage an mich herankommen und will ich sie im johanneischen Horizont beantworten, spüre ich sofort: Ich kann mich nicht auf bestimmte Rollen, Funktionen und Auftritte, die die Regie meines vordergründigen Lebens nahe legt, zurückziehen. Ich kann mich auch nicht hinter sicheren Formeln, Schablonen und Charakterisierungen, mögen sie noch so richtig sein, verstecken, und ich kann vor allem nicht mich selbst in meinen bisherigen Erfahrungen mit mir, mit anderen und auch mit Gott einschließen. Ich muss antworten, indem ich sie alle überschreite und mich öffnen lasse für neue Begegnungen auf all diesen Ebenen, vor allem aber mit dem, der mein Leben jenseitig führt. Ich darf jemand sein, der sich bemüht, die Botschaft zu hören: „Mitten unter euch steht er, den ihr nicht kennt“. Ich darf als jemand leben, der sich sehnsüchtig nach dem Ankommen des Kommenden in seinem Leben ausstreckt und damit nach seinem Ankommen in der Welt überhaupt. Ich darf als adventlicher Mensch leben und darin meine eigentliche Identität als Mensch und als Christ finden. Vielleicht darf ich darin auch etwas von dem johanneischen Dienst heute realisieren. Vielleicht darf ich dann durch meine Lebensart zu jemand werden, der auf das Kommende und den Kommenden hinweist. So kommt die Frage „Wer bist du?“ zu einer Antwort, die dem Gelingen des Lebens insgesamt dient.

 

P. Franz-Josef Janicki SVD