Karfreitag – Die Feier vom Leiden und Sterben Jesu Christi

Predigtimpuls

Karfreitag

1. Lesung: Jes 52,13-53,12
2. Lesung: Hebr 4,14-16; 5,7-9
Passion: Joh 18,1-19,42

Karfreitag

Ein Vater entrüstet sich bei der Klassenlehrerin einer Grundschule, dass ein Kreuz mit dem Gekreuzigten im Klassenzimmer hängt. Sein Kind kann den ständigen Anblick eines so Gefolterten nicht ertragen. Hat es nicht Recht? Dies Bild bewusst wahrzunehmen ist unerträglich. Aber auch das Unerträgliche ist wirklich. Da hängt er, mit Nägeln gehalten, am Kreuz, bäumt sich auf in Atemnot, Krämpfen und Schmerz. Langsam vergiftet ihn der Tod. Und dann ist es irgendwann vorbei. Der Tod hat ihn erlöst. Ein Tod unter vielen. Jesus war nicht der einzige, der den grausamen Tod am Kreuz zu sterben hatte. Aber die Freunde, Frauen und Männer, die zu ihm gehört hatten und weiter zu ihm gehören wollten, mussten damit fertig werden. Sie mussten mit dem Ungeheuerlichen, Unfassbaren leben. Da genügte es nicht, einfach zu berichten. Sie suchten zu verstehen, wenigstens im Versuch, verstehend zu deuten.

So kann Lukas in seiner Leidensgeschichte Jesus als den Unschuldigen schildern, der den Qualen der Todesangst ausgesetzt ist. Er kann Jesu Angst nachempfinden und seine Bitte um Bewahrung vor dem Furchtbaren verstehen. Jesus betet am Ölberg: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Lk 22,42-44). Und dann ist er einer der unzählbar vielen, die zu Gott um Hilfe flehen und um Bewahrung vor dem Bedrohenden beten und darin nicht erhört werden. Der Engel vom Himmel gibt ihm Kraft zum neuen Durchhalten, nicht mehr und nicht weniger. Die Angst verringert sich nicht. Er betet noch inständiger. Und der Angstschweiß rinnt wie Blutstropfen zur Erde. „In allem uns gleich, außer der Sünde“, beten wir im Hochgebet.

Das Johannesevangelium, aus dem wir gerade die Leidensgeschichte hörten, ist ein anderer Versuch, Jesu leidvollen Tod auszuhalten. Da ist vorher von Worten des Lebens gesprochen. Jesus ist das Brot des Lebens. Er ist der gute Hirt, und anders als Diebe und Räuber vor ihm, ist er gekommen, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Er schenkt Lebensmöglichkeiten und vermittelt, wodurch Menschen leben können. Aber zerbricht nicht das Vertrauen in solche Worte bei diesem Tod? Das Johannesevangelium lässt ihn auch sagen: „Eine größere Liebe hat niemand als wenn er sein Leben hingibt für die Freunde. Und ich gebe mein Leben“ (Joh 15,13).

Entsprechend wird der Tod als Tat der Liebe hingenommen und Passion als wechselseitige Verherrlichung von Vater und Sohn gedeutet. So betet Jesus in seinem Abschiedswort (Joh 17,1-5): „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche... Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war.“ Die Stunde der Angst am Ölberg ist Stunde gegenseitiger Verherrlichung geworden. Im Tod am Kreuz vollendet sich Jesu Sendung in die Welt. Und diese Sendung wird jetzt als unüberbietbare göttliche Liebe deutlich. Verherrlichung, Herrlichkeit (doxa) war die alttestamentliche Bezeichnung für die machtvoll leuchtende helfende Gegenwart Gottes bei seinem Volk. Diese Herrlichkeit zeigt sich nun in neuer nicht gekannter Tiefe. Im Gehorsam des Sohnes bis zu diesem Tod am Kreuz offenbart er, wie Gott bis zum Äußersten bereit ist, uns Leben und Heil zu schenken. So wird beider Herrlichkeit ein Aufstrahlen göttlicher Liebe. Er hängt am Kreuz in seinen Qualen, bis der Tod ihn erlöst und er in die Liebe des Vaters hineinsterben kann. Die Ungeheuerlichkeit des Leidens offenbart die Ungeheuerlichkeit liebender Hingabe. Aber ist damit das Leid, sein Leid und das der vielen Menschen dieser Welt erklärt? Die Evangelisten versuchen nicht, es wegzuerklären. Es bleibt unverständlich auch noch in der Unfassbarkeit der Liebe, aber es lässt ahnen und hoffen, dass Gottes letzte Worte zu uns Menschen Liebe und Leben sind.
 

P. Dr. Josef Salmen SVD