Palmsonntag (B)

Predigtimpuls

Einzug Jesu in Jerusalem – Einzug ins Leben

Evangelium: Mk 11,1-10 oder Joh 12,12-16
1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Passion: Mk 14,1-15,47 (15,1-39)

Auf dem Weg durch das Kirchenjahr sind wir am österlichen Vorgebirge Palmsonntag angelangt, am Einstieg in die Karwoche, in die Große, Stille, Heilige Woche – wie sie unterschiedlich in verschiedenen Sprachen genannt wird.

Der Palmsonntag erinnert auch an den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem.

Gewiss ist dieser Einzug für sich kein Schicksal-entscheidendes Ereignis im kurzen und heißen Erdendasein des Nazareners, aber ein prophetisches Symbolgeschehen, das seine Sendung kennzeichnet.

Reitesel, Palmzweige und Palmsonntag

Wie der Einzug wirklich vor sich ging, lässt sich aus den Schilderungen der Evangelien nicht erkennen: Die drei Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas berichten von einer legendär-wunderbaren Beschaffung eines Reitesels; nach Markus und Matthäus bereitet dann das Volk, das mit Jesus nach Jerusalem unterwegs war, ihm einen feierlichen Einzug: Es ruft Hosanna, streut Baumzweige auf den Weg, legt Kleider auf Reittier und Straße; nach Lukas ist es die Jüngerschar Jesu, die diesen Einzug inszenierte; nach Johannes sind es Festpilger, die sich schon in Jerusalem aufhalten und von dorther dem ankommenden Jesus entgegengehen und ihn mit Hosanna-Rufen und Palmzweigen empfangen – den Esel entdeckt Jesus wie zufällig selber und besteigt ihn als hoheitliches Reittier (vgl. Ri 10,4; Sach 9,9). Bei der Einzugshuldigung erwähnt nur der Evangelist Johannes die Palmzweige; von ihnen hat der Sonntag vor Ostern seinen liturgischen Namen: Palmsonntag.

Hosanna für Gott und Gottes Sohn, aber nicht für einen Bischof

Angesichts der vollen Leidensgeschichte, die in der Liturgie des heutigen Tages vorgetragen wird, mag einem dieser Einzugsbericht nebensächlich und unnötig scheinen; mehr noch gilt dies von einer zusätzlichen diesbezüglichen Predigt.

In der Erinnerung der Urkirche allerdings haftete dieses Ereignis so stark, dass es in alle vier Evangelien aufgenommen wurde; und von daher hat es, ausgehend von Jerusalem, schon in der frühen Kirche ins liturgische Feiergedenken der Heilstaten Christi Eingang gefunden und steht bis auf den heutigen Tag in der liturgischen Begehung des Palmsonntags in einem symbolisch-heilsgeschichtlichen Licht.

Das biblische Hosanna ist ursprünglich ein Bittruf an Gott den Helfer: So hilf doch! – wird später zu einem Huldigungsruf im Sinne von: Heil dir! Beim kirchenliturgisch nachgefeierten Einzug in Jerusalem vertrat damals in der ausgehenden Antike der Bischof den einziehenden Christus und wurde auch mit Hosanna bejubelt. Kirchenvater Hieronymus (347 - 420) tadelte es öffentlich als Unsitte, den Bischof mit dem Begrüßungsruf Hosanna zu empfangen.

Zunächst verstanden die Jünger nichts

Keiner der vier Evangelisten gibt mit seiner Schilderung des Einzuges in Jerusalem den genauen tatsächlichen Ablauf dieses Einzugs wieder, sondern eher Symbolisches und Theologisches zur Person und Sendung Jesu – wobei in der Schilderung des Jubels um diesen Jesus von Nazaret bereits Messiasglaube und göttliche Verehrung aus der nachösterlichen Gemeinde vorweggenommen werden. Nur Johannes sagt in seinem Evangelium – wie heute gehört – über das Erleben der Jünger beim Einzug in Jerusalem in einer eigenen Bemerkung: „Dies verstanden seine Jünger zunächst nicht; als Jesus aber verherrlicht war, da wurde ihnen bewusst, dass es so über ihn in der Schrift stand und dass man so an ihm gehandelt hatte“ (Joh 12,16). – Vorher schon verschmilzt Lukas Symbolisch-Hintergründiges mit Geschichtlich-Vordergründigem, wenn er über das Hinaufziehen Jesu von Galiläa nach Jerusalem sagt: „Als die Zeit herankam, in der er (in den Himmel) aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen“ (Lk 9,51) – und wenn Jesus dann selber dem Herodes ausrichten lässt: „Heute und morgen und am folgenden Tag muss ich weiter wandern; denn ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen“ (Lk 13,33).

Sanftmut und Sieg, Menschenfreundlichkeit und Herrlichkeit

Der Esel, das in alten biblischen Zeiten hoheitliche Reittier, symbolisiert zusätzlich Sanftmut und Menschenfreundlichkeit seines Reiters (vgl. Ri 10,4; Sach 9,9). Der Palmzweig weist hin auf den König und Sieger (vgl. 1Makk 13,51; 2Makk 14,4; Offb 7,9) – Christus ist endgültig Sieger über Tod und gottfeindliche Welt. Er ist auf der Siegerstraße, wenngleich nach dem Hosanna noch das Kreuzige ihn! Folgen wird. In seiner letzten Erdennacht vor Kreuz und Tod spricht er nicht von Kreuz und Tod, sondern von Verherrlichung und Herrlichkeit für sich und die Seinen: „Vater, verherrliche du mich jetzt... mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war... Ich bitte auch für alle, die an mich glauben... ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast... Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin“ (Joh 17,5.20.22.24).

Leid und Tod vor Freude und Leben

Symbolisch und rätselhaft weist der Einzug in Jerusalem auch auf ein Lebensgesetz hin – nämlich: Der Weg zu Sieg und Triumph führt durch Niederlage und Schmach – vor Freude und Leben stehen Leid und Tod.

Dies bekundet der irdische Jesus für seine Person in den wiederholten Weissagungen über Leiden, Tod und Auferstehung; das eröffnet er den Seinen in der Aufforderung zur Kreuzesnachfolge; das verkündet er mit dem Hinweis auf das Weizenkorn, das sterben muss, um vielfältig weiter zu leben – und mit der Versicherung: Wer sich bereitwillig vom irdischen Leben löst, für den tut sich ewiges Leben auf (vgl. Joh 12,24-25). Das sagt der himmlische Jesus im Rückblick auf seine irdische Existenz: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26)

Erst im erwachten Glauben an den Auferstandenen haben die Jünger die unlösbare Verkettung zwischen leidvollem Sterben und verherrlichtem Leben und die Menschenfreundlichkeit Gottes in Jesus von Nazaret begriffen. In diesem Glauben und in dieser Rückschau steht die Kirche, stehen auch wir. Und damit stehen wir in einer Zukunft des Lebens, wie es der Lebendige selber uns zugesichert hat: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).

 

P. Georg Raiml SVD