Hochfest Allerheiligen

Predigtimpuls

Leben mit Heiligen

1. Lesung: Offb 7,2-4.9-14
2. Lesung: 1Joh 3,1-3
Evangelium: Mt 5,1-12a

Vorbemerkung
Diese Predigtanregungen fallen etwas aus dem Rahmen des Allerheiligenfestes heraus. Ausgehend von der riesigen Schar der Heiligen aus allen Völkern und
Nationen, wie der Seher der Offenbarung uns die „glorreiche Kirche“ beschreibt,
stelle ich meine „Lieblingsheiligen“ vor und untersuche, wie sich Beziehungen zwischen uns und Heiligen fruchtbar gestalten können. Der Zuhörer soll in diese ziemlich persönliche Betrachtung mit hineingenommen werden, um sich selbst
Gedanken über seine „Lieblinge“ und das Verhältnis zu ihnen zu machen.


Leben mit Heiligen

Das Bad in der Menge
En Bad in der Menge mit Gleichgesinnten macht Sinn. Sich unter Hunderttausenden zu befinden, wie etwa beim letzten Kirchentag, gibt das Gefühl, nicht alleine zu sein, sondern getragen von einer Gemeinschaft, die mit mir auf dem gleichen Weg ist, die das gleiche Ziel verfolgt. Das heutige Hochfest Allerheiligen ist auch so ein Bad in der Menge und übersteigt bei weitem den Rahmen eines Kirchentages. Der Seher der Geheimen Offenbarung schildert uns: „Dann sah ich eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen ... Lobpreis und Dank, Ehre und Macht unserem Gott in Ewigkeit.“ Italiener, Franzosen, Afrikaner, Asiaten, Junge, Alte, Reiche, Arme, heiliggesprochen oder nicht, vielleicht ist sogar ein guter Bekannter oder jemand aus der Verwandtschaft unter ihnen... Wir gehören zu ihnen. Im Glaubensbekenntnis beten wir: Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen. „Triumphierende“ und „streitende“ Kirche bilden eine große Gemeinschaft. Die Heiligen strecken uns ihre Hände entgegen, um uns aufzunehmen. Ich lasse mich gehen und tragen ...

Wir brauchen hin und wieder solch ein Fest, eine Hochstimmung, um Freude an
unserem Glauben zu haben. Feiern schweißt uns irgendwie zusammen.

Meine Lieblingsheiligen
Mit allen Heiligen jedoch einen persönlichen Kontakt aufzubauen, geht nicht. Der Festrausch ist schnell vorbei, und wir sind wieder allein. Es ist in etwa wie mit unserer Liebe. Wir sollen alle Menschen lieben; eine globale Liebe jedoch ist nicht möglich. Liebe ist immer ganz konkret, eine persönliche Beziehung und mit ganz konkreten Menschen. So ähnlich denke ich mir die Beziehung zu den Heiligen: Aus der Schar, die niemand zählen kann, habe ich mir einige herausgepickt: meine Lieblingsheiligen, ohne die anderen ausschließen zu wollen.

Haben Sie Lieblingsheilige, zu denen Sie ein besonderes Verhältnis haben, die Sie
in ihrem Leben besonders geprägt haben? Ich habe einige. Sie haben im Laufe des Lebens gewechselt. Es waren Lebensabschnittsheilige, die aus der großen Schar auftauchten, die mir eine Zeit lang sehr vertraut wurden, sich dann aber wieder verloren, nachdem sie mich maßgeblich beeinflusst hatten. Sie waren mir Hilfe in meinen Problemen; sie haben mich geprägt. Es waren wie Zufallsbegegnungen – wenn man hier überhaupt von Zufall reden darf. Durch eine Lektüre, einen Vortrag, ein Bild wurde ich auf sie aufmerksam und beschäftigte mich dann eingehender mit ihnen. Warum gerade diese und weniger die anderen? Vorsichtig ausgedrückt könnte ich von einer situationsbedingten Seelenverwandschaft sprechen, die ein Sich-Öffnen bewirkte, eine Aufnahmebereitschaft, bis zu einer bewundernden Verehrung, – ein Gerne-Haben. Wenn wirkliche Gemeinschaft mit den Heiligen besteht, muss das auch ihnen selbst Freude gemacht haben, wechselseitig gewesen sein (Ich freue mich schon auf später bei ihnen, wenn wir uns darüber austauschen werden.)

Namen, die für etwas stehen
Sie haben Namen, sind ganz konkrete historische Gestalten.

Da ist zunächst einmal Maria, die Mutter Gottes, über die ich hier jedoch nicht weiter reden möchte, da sie den Rahmen übersteigt.

Maria Goretti, meine Jugend-Heilige mit ihrem verbissenen Kampf um ihre jungfräuliche Unversehrtheit und mit ihrer Bereitschaft, ihrem Aggressor zu vergeben.

Joseph Cardijn, der Gründer der CAJ (Christl. Arbeiter-Jugend), seine tiefe Sorge
um das ganzheitliche Vorankommen der Jugendlichen; sein unkonventioneller
Einsatz für sie.

Theresia, die Große, mit ihrem unermüdlichen Einsatz für eine erneuerte
Vertiefung des Ordenslebens, ihr Absolutheitsanspruch für Gott: Gott allein genügt, und dabei das verstehende Wissen und Eingehen auf die Bedürfnisse ihrer Schwestern: „Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn.“

Theresia, die Kleine, ihre tiefe Liebe zu Jesus – in den kleinsten Dingen, ihre
Missionsbegeisterung.

Theresia, die Mutter, die starke tatkräftige Frau von Kalkutta mit dem weiten Herzen und bedingungslosen Einsatz für die Ärmsten; ihr stilles Dienen und ihr öffentliches Eintreten: „Bei den endlosen Versammlungen und Diskussionen sind meine Gedanken weit weg: bei meinen Armen.“

Die beiden großen Bischöfe Camara und Romero, ihr Mitgefühl für die ausgebeuteten Massen in Südamerika und ihr Eintreten für radikale Veränderungen.

Anuarite, eine junge kongolesische Ordensschwester, die von einem Offizier der
Rebellen getötet wurde, weil sie sich ihm verweigerte. Ihre Worte kurz vor dem
Sterben: „Ich habe es so gewollt.“

Sebiyera, eine kongolesische Studentin, unheilbar krank, die um ihren baldigen Tod weiß, aber aus freudigem Glauben heraus kein Mitleid will, Freude auf ihre Umgebung ausstrahlt und die Freunde tröstet.

Und dann sind da noch Paulus und Joseph, mit denen ich mich als Pfarrer einer St. Pauls Pfarrei und als Seelsorger eines St. Joseph Krankenhauses beruflich näher befassen musste. Früher gehörten sie für mich zu der großen Schar; sie sind daraus hervor getaucht und heute haben beide einen ganz hohen Stellenwert für mich.

Und dann lebe ich noch mit Mechthild und Tobias und ihren Kindern Lara und Julian, die ich schon längst als Heilige einstufe. Allein diese Geburtsanzeige für ihren schwerbehinderten Nachkömmling verdient die Heiligsprechung: „Hurra, unser Wunschkind ist da! Wir freuen uns auf das Zusammenleben mit Marko, unserm Sohn und Bruder mit Down-Syndrom.“ Es klingt nach freudiger, zärtlicher Annahme – und provozierender Kampfansage. Mechtild schreibt mir: „Es wird eine Fruchtwasser-Untersuchung vorgeschlagen, wobei im Falle einer Behinderung eine Abtreibung folgen kann. Das haben wir abgelehnt, was zu einigem Ärger mit den Ärzten geführt hat. Wir waren uns beide sicher, dass wir kein im Grunde fertiges Kind abtreiben wollten, und erst recht nicht mit einer Behinderung, wie dem Down-Syndrom.“

Und zuletzt noch Herr Sommer (76). Seine Frau liegt seit langem hier im Krankenhaus, schwerstkrank, hilflos wie ein Kind. Er selbst ist kränklich. Jeden Tag, kommt er gegen zehn mit dem Bus und bleibt bis gegen Abend am Krankenbett seiner Frau. Manchmal hält er es einfach nicht mehr aus, sie leiden zu sehen. Er muss raus aus dem Zimmer, weinend und schluchzend. Er kann es nicht mehr mitansehen, wie sie leidet; er ist fertig mit seinen Nerven. – „Schonen Sie sich etwas. Sie können ihrer Frau doch nicht helfen“, sage ich ihm. – „Ich muss einfach bei ihr sein; ich kann sie nicht allein lassen. Das ist für sie wichtiger als alle andere Hilfe“, sagt er mir.

Heilig sein: Provokation und Zärtlichkeit.
Im zweiten Hochgebet beten wir: Ja du bist heilig, du bist der Quell aller
Heiligkeit.“ Und Jesus sagt: „Seid heilig wie euer Vater im Himmel heilig ist.“ Als
Kinder des einen Vaters sind wir berufen, unseren Vater sichtbar zu machen. Wir
sollen uns als Bild Gottes erkennbar machen. Dieses Bild Gottes und unseres
Bruders Jesus erstrahlt in jedem Heiligen – und es soll in uns erstrahlen.

Der Heilige ist wie ein Prophetenwort. Zu jedem Heiligen gehört ein ihm eigener
provokativer Zug. Er ist oft ein Gegenbild zu einer herrschenden Glücksvorstellung, ein Denkanstoß, ein Anruf, mit ihm ein Stück Weges gestaltend mitzugehen – provokativ.

Heiligenverehrung? Ich habe meine Lieblingsheiligen, die provozierenden
Gegenbilder zu vorherrschenden menschenverachtenden Strömungen; – mit ihrer Zärtlichkeit. Ich habe sie gerne. Sie haben oder hatten mir etwas zu sagen, – ich bewundere sie, meine Weggefährten. Haben auch Sie ihre Lieblingsheiligen?

 

P. Heinrich Schwis SVD