Hl. Michael, hl. Gabriel, hl. Rafael, Erzengel (F)

Predigtimpuls

Von guten Mächten wunderbar geborgen

Lesung: Dan 7, 9-10.13-14
Oder: Offb 12-17a
Evangelium: Joh 1, 47-51

Von guten Mächten wunderbar geborgen

Der Text des Liedes von Dietrich Bonhoeffer, verfasst in einer extremen
Lebenssituation und heute von vielen als sehr beeindruckendes Glaubenszeugnis
angesehen, drückt gerade für den Menschen, der sich in einer schwierigen Situation befindet, einen Anruf, einen Trost aus. Sich von einer guten Macht behütet und getragen zu wissen – auch wenn scheinbar alles um einen herum einstürzt –, ist existenziell wichtig und notwendig für den Menschen. An diese Stelle treten für nicht mehr kirchlich geprägte oder gebundene Zeitgenossen dann oft irgendwelche esoterische Praktiken, die ihnen Heil und Rettung versprechen – bis hin zu Engeln oder anderen Geistwesen.

Der schlichte Glaube
Die Engel, so sagen einige, haben in unserer aufgeklärten Zeit keine
„Existenzberechtigung“ mehr, denn sie verdecken Wesentliches unseres Glaubens. Sie bleiben bei althergebrachten oder sogar nichtchristlichen Vorstellungen, die so auch nicht in der Heiligen Schrift zu belegen bzw. falsch gedeutet seien. Und doch ist auch der heutige Mensch auf der Suche nach Halt, nach guten Mächten, die sein Leben tragen und beschützen. An Gott und seine Führung glauben, an die Kraft der Sakramente, ja – aber man möchte doch noch etwas Spezielles, Außergewöhnliches – vielleicht einen Engel?

Erscheinungen von Engeln in Entscheidungssituationen
Immer wieder tritt das Phänomen der Engelerscheinung in der Heiligen Schrift
auf, und zwar an „Knotenpunkten“ des Lebens, wo oft dem Menschen eine Botschaft übermittelt wird, die sein ganzes Leben verändert – wie etwa dem Mose bei seiner Gotteserscheinung und Berufung (Ex 3,2ff): Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Der Engel erscheint somit als Bote und auch als die Ausdrucksweise, in der Gott selbst dem Menschen begegnet – was dieser aber aus Ehrfurcht vor dem Göttlichen nicht aussprechen darf. Der Engel tritt in den verschiedensten Naturphänomenen auf, um z. B. das Volk Israel vor dem Pharao auf seiner Flucht in die Freiheit zu schützen (Ex 14,19).

Oder Num 22,32, wo der Engel dem Bileam verdeutlicht, dass er sich auf einem
„abschüssigen“ = falschen Weg befindet und er ihn vor dem bevorstehenden Unheil bewahren will. Bileam – in seiner Verblendung und Verstockung – sieht nur das Äußere, ihm fehlt die „andere“ Wahrnehmung; so muss sich schließlich der Engel deutlicher zu erkennen geben.

Gottes Zeichen in unseren Alltagserfahrungen
Wie oft passiert es auch uns heute, dass wir meinen, richtig zu handeln und alles
gut überlegt zu haben – und dann müssen wir auf einmal feststellen, dass sich
Abgründe auftun, unser Leben in die Irre gegangen ist, weil wir die Hinweise seiner „Engel“ nicht haben wahrhaben bzw. verstehen wollen. Es geht nicht darum, wieder einen Engel-Kult zu beleben. Das tun schon andere für uns, wie allein schon das Internet zeigt. Aber es geht wohl darum, die Sprache und Ausdrucksweise der Bibel richtig zu interpretieren und für unser Leben bedeutsam zu machen – ausgehend von der Bedeutung der Namen der Erzengel, dessen Fest wir heute feiern. Wenn da der Vorschlag gemacht wird, z. B. Michael (Wer-ist-wie-Gott) so zu verstehen bzw. zu übersetzen, dass daraus die Frage wird: Gibt es eine Alternative zu Gott? – dann trifft mich diese Frage ganz persönlich und direkt; dann stehe ich selbst mitten drin und muss zumindest für mich eine lebbare Antwort finden. Oder ich werde vielleicht selbst zu einem Gabriel (Kraft-Gottes), der anderen zu vermitteln sucht, dass bei Gott möglich ist, was wir allein nicht bewirken können, z. B. die Botschaft an Maria; oder heute konkret: die Friedensbotschaft immer wieder hinauszusagen, auch wenn sich die Zeichen von Gewalt und Unrecht tagtäglich neu in den Vordergrund drängen; oder ich erfahre den anderen wirklich als einen Raphael (Gott-heilt), der mich gerade in wichtigen Abschnitten meines Lebens begleitet und Heilung ermöglicht, z. B. in einer Ehe- oder Lebenskrise, die ich nicht allein bewältigen kann. 

Engel müssen nicht unbedingt Männer oder Frauen mit Flügeln sein.
 

P. Heinz Schneider SVD