Seliger P. Josef Freinademetz

Predigtimpuls

„Wohl dem, der um seine Heimat im Himmel weiß“

Lesung: Röm 15,13-19a.20-21
Evangelium: Lk 10,1-9


„Wohl dem, der um seine Heimat im Himmel weiß“

Ein Mensch zwischen zwei Welten
Menschen zwischen zwei Welten – sie gibt es heute sehr oft. Laut UNO-Angaben
gibt es weltweit über 40 Millionen Flüchtlinge. Sie fliehen vor Katastrophen,
Verfolgung und Krieg aus ihrer Heimat, um ihr Leben zu retten. Oft sind ihnen dann die Grenzen der reichen, sicheren Länder verschlossen.

Noch viel zahlreicher als die Flüchtlinge sind Migranten – Menschen, die aus verschiedensten anderen Gründen umsiedeln; die Gründe sind meist wirtschaftlicher Art, vor allem wegen des Hungers. Allein in China sind zur Zeit innerhalb des Landes geschätzte 100 bis 150 Millionen Menschen auf Wanderschaft. Weltweit kommen noch zwischen 125 und 130 Millionen Umsiedler dazu.

Aber nicht nur Flüchtlinge und Migranten sind Menschen zwischen zwei Welten.
Es gibt sie auch mitten unter den westeuropäischen und österreichischen
Bürgerinnen und Bürgern. Fern-Urlauber erleben sich als Menschen zwischen den Welten. Jugendliche bilden Subkulturen und werden kaum mehr von der älteren Generation verstanden. Viele Menschen haben ihre religiöse Heimat verloren und suchen als Religionsnomaden in fremden Traditionen oder neuen spirituellen Wegen Halt und Sinn. Internet-Surfer bewegen sich blitzschnell durch den Cyberspace von Homepage zu Homepage, ohne sich irgendwo daheim zu fühlen.

Und wir selber, jeder und jede von uns: wo sind wir daheim? Die festgefügte, stabile christentümliche Gesellschaft ist vergangen. Heute sind wir alle herausgefordert von der Schnelllebigkeit unserer Zeit, von einem rasanten Kulturwandel und von der Informationsfülle, die uns die modernen Medien bieten. Via TV und Computer sind ständig ferne Welten in unseren Wohnzimmern zu Gast.

Viele sind fasziniert, viele sind verunsichert und ratlos. Manche reagieren ängstlich, ja aggressiv auf die ständige Konfrontation mit fremden Welten ... Sie werden als Bedrohung empfunden. Feindbilder entstehen, ja sie werden oft gezielt gefördert und mit machtpolitischen Interessen manipuliert und genützt.

In dieser Situation begegnet uns ein Mensch zwischen zwei Welten, der vor 150
Jahren geboren wurde. Einer, der auch – wie wir – durch Verunsicherung und
Ratlosigkeit hindurchgegangen ist. Einer, der voller Gottvertrauen seinen Weg
gegangen ist und neu Heimat gefunden hat. Einer, der von einem Tiroler zu einem Chinesen wurde. Der Selige Josef Freinandemetz.

Er wurde als Ujöp Freinademetz im abgelegenen ladinischen Gadertal geboren.
Als Bergbauernsohn wuchs er in einer arbeitsamen und frommen Familie auf. Dort wurde ein gesundes, gutes Fundament gelegt. Gottvertrauen, eine große Liebe zu den Menschen und ein gläubiges Ja auch zu Schwierigkeiten und Kreuz: Das hat der Ujöp daheim erfahren. Dieses Fundament war der sichere Boden, in den hinein er neue Erfahrungen und auch das Fremde verwurzeln konnte.

Wohl dem, der so ein Geschenk empfangen hat. Wer Heimat erfahren hat und um seine Herkunft weiß, der ist fähig zu neuen Begegnungen. Wer sich festgemacht hat in Gott, der kann durch viele fremde Welten fahren und wird doch sich selbst nicht verlieren.

Aus dem engen Gadertal geht es für Ujöp nach Brixen, der fürstbischöflichen
Stadt. Wohl kehrt er nach der Priesterweihe ins Gadertal zurück – aber der Wunsch, das Brot des Wortes Gottes den Heidenkindern zu bringen, die danach hungern, lässt ihm schon keine Ruhe mehr. Als er vom neu gegründeten Missionshaus in Steyl erfährt, fällt diese Nachricht in einen aufnahmebereiten Boden. Er ist bereit, zu gehen. Und im Gehen, über Holland nach Rom und China, wird er zum Patron des Hinübergehens von einer Kultur in eine andere, aus Liebe zu den Menschen. Sein Kompass, der ihn auf seinem Lebensweg begleitet, ist die Liebe zu den Menschen. Ihnen will er sein kostbarstes Gut bringen: Den christlichen Glauben. Überzeugt, dass „die Sprache der Liebe die einzige Sprache ist, die alle Menschen verstehen“ – so das wohl bekannteste Wort, das von ihm überliefert ist.

Wohl dem, der so eine Liebe in sich trägt. Der das Kostbarste, das er besitzt, nicht
im Tresor verschließt und für sich behält, sondern weitergibt. Wohl dem, der im
christlichen Glauben das kostbarste Gut sehen kann!

Der Weg des Hinübergehens war schwierig und ernüchternd. In China ist
Freinademetz zuerst erschrocken über das Fremde, dem er begegnet. Über die
Mentalität der Chinesen schreibt er nach Hause: „Es kostet uns nicht wenig, über
die Verstellungskunst, Herzlosigkeit und Gleichgültigkeit der Menschen hier wegzukommen...“. Mit allgegenwärtigen Drachenbildern, Symbol für Leben,
Fruchtbarkeit und Glück, aber auch des Kaisers, kann er wenig anfangen. Er kommentiert: „ China ist recht eigentlich das Reich des Teufels. Man kann kaum 10 Schritte tun, ohne nicht auf allerhand höllische Fratzen und verschiedene Teufeleien zu stoßen. Die Luft, die man hier einatmet, ist durch und durch heidnisch.“ Daraus folgert er: „Die Aufgabe des Missionars kann nur sein, Krieg gegen den Teufel zu führen, die Seelen dem Teufel zu entreißen, die Bilder des Teufels zu vernichten und seine Tempel zu zerstören.“ Freinademetz scheint in Gefahr, ein Bilderstürmer zu werden, und einen heiligen Krieg gegen den Unglauben zu führen.

Hinzu kommt noch, dass er und seine Gefährten massive Ablehnung erfahren:
daheim wurde er als Priester ehrfurchtsvoll mit „Gelobt sei Jesus Christus“ gegrüßt. Hier ist er für die Menschen ein „fremder Teufel“! In einem Brief in die Heimat klagt er: „Das ist es eben, was ich am bittersten fühle. Wir sind mit einem Feuereifer aus Europa herübergekommen; wir haben davon geträumt, dass uns vor lauter Taufen die Arme ermüden, dass jedes Jahr etliche Pagoden vor unseren Augen in Trümmer gehen und an ihrer Stelle christliche Gotteshäuser aus dem Boden wachsen. Statt dessen lachen uns erwachsene Leute auf offener Straße aus, schreien uns Kinder „fremder Teufel“ nach. Selbst die Hunde scheinen eine Freude daran zu haben, uns nachzulaufen und anzubellen. Es stimmt, was ein älterer Missionar gesagt hat: Der Missionar ist von vielen gehasst, von wenigen geduldet, von keinem geliebt.“

Trotzdem: Sein Lebenskompass bleibt weiter auf Liebe eingestellt. Als Wandermissionar besucht er vor allem die Armen und Kranken. Er kleidet sich chinesisch, erlernt mit großem Eifer die Sprache und die Sitten der Menschen und versteht immer besser ihre Mentalität. Immer mehr identifiziert er sich mit ihnen und wird den Chinesen ein Chinese, um sie für Christus zu gewinnen.

Wohl dem, der sich durch das Fremde im andern nicht abschrecken lässt. Der nie
aufhört, hinter Unverständlichem und Bedrohlichem den Menschen zu sehen und auf ihn zuzugehen.

Ablehnung und Verfolgung trafen nicht nur die europäischen Missionare. Vor
allem die chinesischen Christen mussten viel unter der Willkür von Mandarinen und der Anfeindung ihrer Landsleute leiden. Freinademetz ist ganz solidarisch mit ihnen und setzt sich aufopfernd für sie ein. Als ein Mandarin einen Christen verhaften und misshandeln lässt, tritt Freinademetz selber auf wie ein Mandarin, beruft sich auf kaiserlichen und französischen Schutz und erwirkt die Freilassung. Er hat nicht mit der Hinterlist der Gegner gerechnet. Sie hetzen das Volk auf, und Freinademetz und seine Begleiter werden von einer fanatisierten Menschenmenge angefallen, verprügelt, mit Kot im Gesicht beschmiert. Freinademetz meint, seine letzte Stunde sei gekommen. Da tut er noch einmal das, was ihm am meisten am Herzen liegt: Die Frohe Botschaft verkünden. Er beginnt seinen Peinigern von der Liebe Gottes zu predigen. Der Pöbel ist sprachlos, lässt von ihm ab. Freinademetz und seine Gefährten sind gerettet.

Wohl dem, der Ablehnung und Verfolgung nicht mit Gegengewalt vergilt! Der
trotz Anfeindung nicht aufhört zu lieben.

Europa war damals auf dem Höhepunkt seiner kolonialen Expansion. Die Steyler
Missionare in China hatten zuerst Frankreich als Schutzmacht. Deutschland nahm die Ermordung zweier Missionare als Anlass, die Provinz Süd-Shantung unter seine Kontrolle zu bringen. Als Freinademetz für deutsche Soldaten eine Messe feiert, weint er vor Ergriffenheit. Das Heimweh überwältigt ihn. Zugleich steht er kritisch zur verstärkten Anwesenheit europäischer Christen. Sie kommen ja nicht als Boten des Evangeliums, sondern aus machtpolitischen Gründen, mit wirtschaftlichen Interessen. „Dass doch die Europäer durch ihr schlechtes Beispiel immer die Feinde des Christentums sein müssen“, schreibt Freinademetz. Und er beklagt, dass seine chinesischen Christen als Kollaborateure der fremden Besatzer gesehen und verfolgt werden. Voller Gottvertrauen steht er in dieser schwierigen Situation den Seinen bei und spart nicht an Kritik seinem Mitbruder und Bischof Anzer gegenüber, der allzu sehr auf die Unterstützung der weltlichen Macht für die Mission baut. Wohl dem, der sich nicht auf Menschen und ihre Macht verlässt, sondern seine Hoffnung auf den Herrn setzt und ihm vertraut.

Freinademetz weiß im Glauben, dass es mehr gibt als weltliche Macht, mehr als
zahlenmäßigen Erfolg in der Arbeit, mehr als das Daheimsein in einer bestimmten Kultur hier in dieser Welt. Die eigentliche Heimat ist bei Gott. In ihm weiß er sich geborgen, wenn er in Treue sein Brevier betet, in der Hl. Schrift liest und betrachtet. Seine eigene Gesundheit achtet er gering, wenn es um die Arbeit in der Verkündigung und um die Pflege der Kranken geht. Immer wieder ist Freinademetz weiterträgt. „Der kürzeste Weg zur Auferstehung führt über Golgota“, das ist seine Überzeugung. Freinademetz verspielt endgültig seine Gesundheit mit kaum 56 Jahren, bei der Pflege von Typhuskranken. Durch seine Lebenshingabe gewinnt er das Ewige Leben.

Selig, wer darum weiß, dass die eigentliche Heimat der Himmel ist. Selig, wer
daraus die Kraft bekommt, zwischen den Welten zu leben, um den Menschen diesen seligmachenden Glauben zu bringen.
Seliger Josef Freinademetz, bitte für uns!

Festvortrag vom 15.April 2002 in St. Gabriel/ Mödling zum 150. Geburtstag des Seligen P. Josef Freinademetz SVD

 

P. Dr. Franz Helm SVD