Darstellung des Herrn (F)

Predigtimpuls

Begegnung zwischen Generationen

1. Lesung: Mal 3,1-4
2. Lesung: Hebr 2,11-12.13c-18
Evangelium: Lk 2,22-40

Begegnung zwischen Generationen

Folgende Aussagen über ihre Großeltern kamen von Kindern, die miteinander über das Evangelium sprachen, das die Begegnung zwischen dem greisen Simeon und der 84-jährigen Witwe und Prophetin Hanna mit dem Jesuskind erzählt.

„Zur Schlafenszeit packen Großmütter dich ins Bett und machen es dir nett und
gemütlich.”

„Ein Großvater ist jemand, der dich nie vergisst, niemals. Ich werde nie seine Hand in meiner vergessen, wenn wir die Straße entlang gehen.”

„Eine Großmutter ist lustig, und wenn sie lacht, strömt eine große Wärme über dich.” „Großvater zieht herrliche Himbeeren und tut immer so, als ob er nicht bemerkt, wenn wir sie essen.”

Geschichten vom Altsein und den Erfahrungen mit den Enkelkindern, Geschichten von den eigenen Großeltern, von alten Menschen, die für unser Leben wichtig waren oder sind, könnte jeder und jede erzählen, gute Geschichten und manchmal auch böse Geschichten.

Als die Großfamilie noch eine übliche Lebensform war, gehörte das Zusammenleben von Alt und Jung zum Alltag. Die meisten wuchsen in einer Familie auf, in der mehrere Generationen zusammen lebten. Dadurch waren Menschen in ein großes und bedeutendes Beziehungsgeflecht eingebunden. Für viele Menschen ist das heute anders. Immer mehr alte Menschen leben in ihrer eigenen kleinen Welt, oft getrennt von den Familien ihrer Kinder. Wo jede Generation jedoch ihr eigenes Leben, weitgehend getrennt von der anderen, lebt, versiegen viele Möglichkeiten des Austauschs. Leicht schwindet der Blick für das, was Alt und Jung einander zu sagen haben.

Wenn ich vor dieser Situation das heutige Evangelium bedenke, entdecke ich es als die Geschichte einer Begegnung zwischen den Generationen. Zwei alte Menschen, Simeon und Hanna, und eine jungen Familie, Maria, Joseph und Jesus, begegnen sich und gerade in dieser Begegnung wird Heil erfahrbar.

Der alte Simeon wartet und kann nicht sterben. Er sehnt die Begegnung mit dem
Messias, die ihm von Gottes Geist verheißen ist, herbei. Im Jesuskind kommt seine Sehnsucht zur Erfüllung. Simeon erinnert mich an Großeltern, die sehnsüchtig auf die Geburt ihres Enkelkindes warten. Sie freuen sich darauf, dass das Leben in der Familie weitergeht. In der Begegnung mit Großeltern hören Kinder Geschichten aus früheren Zeiten. Kinder erfahren etwas über die Kindheit ihrer Eltern. Kinder lernen das Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen.

Von Simeon heißt es, dass Gottes Geist auf ihm ruhte und dieser Geist ihn in den
Tempel führte. Hanna wird als Frau gezeichnet, die sich ständig im Tempel aufhält, die Gott allezeit mit Fasten und Beten dient. Beide, die Führung Simeons durch den Heiligen Geist wie auch die tiefe Gottesfürchtigkeit Hannas, kommen mir nicht fremd vor, wenn ich an alte Menschen denke, die nach allem, was das Leben ihnen brachte, aus einer tiefen Verbundenheit mit Gott leben. Oft haben sie eine faszinierende Geduld und Ausdauer beim Gebet, eine tiefe Frömmigkeit, einen ganz selbstverständlichen Glauben an Gott.

Auf der anderen Seite sehe ich die Eltern des Kindes. Maria und Joseph haben ihr
Kind in den Tempel getragen, um die Vorschriften des jüdischen Gesetzes zu erfüllen. Als sie jedoch im Tempel Simeon und Hanna begegnen, wird plötzlich mehr aus diesem Tempelgang. Sie sind erstaunt darüber, was Simeon über Jesus und sein Leben sagt.

Eltern staunen darüber wie ihre Kinder sich entwickeln, welchen Lebensweg sie
einschlagen. Eltern erleben auch, dass sie immer wieder ihre Kinder loslassen müssen. Sie erfahren auch den Schmerz, von dem Simeon zu Maria spricht: „Dein Herz wird ein Schwert durchdringen”. Maria wird an der Ablehnung, die ihrem Kind entgegenschlagen wird, sie wird am Leiden ihres Sohnes mitleiden, wie jede Mutter und jeder Vater es tut, wenn dem eigenen Kind Entsetzliches zustößt.

Simeon, der das Kind Jesus in seinen Armen hält, weiß aber auch darum, dass
gerade dieses Kind auf seinem Lebensweg bis in seinen Tod hinein für viele Menschen ein Licht sein wird. Der alte Simeon spürt es an seinem eigenen Leib:
Jesus ist das Licht für die Menschen. Und er sagt es laut heraus, damit alles es hören können: „Dies Kind ist Gottes Licht für alle Menschen. In ihm schenkt Gott allen Völkern Rettung und Heil“. Auch die Prophetin Hanna bestätigt dies. Sie spricht zu allen über dieses Kind, das der Welt Erlösung bringt. So wird in dieser Begegnung zwischen Alt und Jung eine Botschaft der Hoffnung und des Lebens weitergegeben. Auf seinen Armen trägt der noch stärkere Simeon den noch schwachen Jesus.

Simeons Leben neigt sich zu Ende, Jesu Leben hat erst begonnen. Erfüllt von großer Freude kann Simeon das Ende seiner Tage erwarten, denn er ist im Kind Jesus dem Glück seines Lebens begegnet: Dem, der Licht für alle Generationen bringt, damit sie in Frieden zusammenleben können.

Das Fest, das wir heute feiern, macht mir wieder bewusst, dass in der Begegnung
zwischen Alt und Jung sich tausend Hoffnungen erfüllen können, und dass Alt und Jung einander nicht nur Last, sondern auch Segen sein können.

 

P. Dr. Bernd Werle SVD