14. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Wem glaub’ ich?

1. Lesung: Ez 1,28b-2,5
2. Lesung: 2Kor 12,7-10
Evangelium: Mk 6,1b-6


 Wem glaub’ ich?

Sicher kennen Sie die Geschichte von den beiden Männern, die miteinander Streit hatten und sich an einen Schiedsrichter wandten. Der hörte erst dem einen
Streithahn zu und sagte dann: „Du hast Recht!“ Dann hörte er den zweiten an und sagte auch ihm: „Du hast Recht!“ Der Sohn des Schiedsrichters stand dabei und erhob Einspruch: „Vater, das geht doch nicht! Beiden sagst Du: Du hast Recht! Es kann doch nur einer Recht haben!“ Da sagte der Schiedsrichter zu seinem Sohn: „Du hast auch Recht!“

Es gibt Menschen, die keine eigene Meinung haben, noch weniger sich eine
Überzeugung zutrauen und deshalb alles akzeptieren, was sie hören, mag es noch so widersprüchlich sein. Was sie irgendwo gehört oder gelesen haben ist für sie Realität. Dann gibt es andere, die zu allem nicht ja, sondern nein sagen. Sie wollen sich kritisch geben, möchten sich anderen überlegen zeigen; aber ihr grundsätzlicher Widerspruch entlarvt sie.


Wer hat es gesagt?
Mehr Menschen schauen, wir mir scheint, darauf, wer etwas sagt. Das ist ja nicht ganz falsch. Wenn ich wissen will, was ein bestimmtes Auto wert ist, dann muss ich damit rechnen, dass jemand, der mir dieses Auto unbedingt verkaufen möchte, die positiven Seiten des Wagens kräftig herausstreicht und die Mängel herunterspielt. Ich muss also sehen, wer etwas sagt. Doch wenn das zum wichtigsten Kriterium wird, kann es Erkenntnis oder die Anerkennung der Wahrheit blockieren. In der Politik scheint oft ein grundsätzliches Nein zu dem, was der politische Gegner sagt, vorprogrammiert; das Höchste, was man ihm zugesteht, ist, dass er – nach einer Phrase, die sich seit Jahren höchster Beliebtheit erfreut – „einen Schritt in die richtige Richtung“ tue. Mit dem Hinweis auf den Sprecher suchen wir gern unangenehmen Wahrheiten oder Forderungen aus dem Weg zu gehen. Spüren Sie auch manchmal diese Versuchung?


Das ist doch der Zimmermann!
Genau dieser Versuchung sind die Leute von Nazaret erlegen. Sie staunten über Jesu Lehre; was er verkündigte, veränderte ihr Bild von Gott, sogar in wohltuender, befreiender Weise. Jesu Worte, und noch mehr das, was durch Jesus an Menschen und in Menschen geschah, rief Betroffenheit hervor. Das war die Reaktion, die aus dem Herzen kam. Aber dann setzte die Überlegung ein:

So faszinierend Jesu Botschaft war, wenn man sie annahm, konnte das Leben nicht bleiben, wie es war. Man musste sich ändern, musste neue Wege gehen. Und das war ein Wagnis. Das bisherige Leben mag schwierig sein, aber man kennt es und kann damit umgehen. Ein anderes Leben macht zuerst einmal unsicher, man weiß vieles noch nicht und weiß vor allem nicht, was am Ende herauskommt. Besser also, beim Alten bleiben und das verlockende Neue abwehren. Alte Vorurteile halfen dabei:

Den kennen wir doch seit Jahr und Tag; sein ganzer Familienklan ist bekannt, das sind doch alles ganz normale einfache Leute wie wir; der ist doch auch nur ein Zimmermann. Will der sich hier groß machen? Woher will der denn diese großartigen Erkenntnisse haben? Der hat sich doch nur etwas zusammengesponnen. Der soll sich bloß nicht so aufspielen!

Da konnte Jesus tun und sagen, was er wollte, dagegen kam er nicht an. Übrigens
nicht einmal in der eigenen Verwandtschaft, ja, da wohl am wenigsten. Die paar
Heilungen, die durch Jesus in seiner Heimatstadt geschahen, konnten die Vorurteile nicht überwinden: Wer weiß schon, was dahinter steckt. Waren die Leute wirklich ernsthaft krank gewesen? Vielleicht haben die Medikamente mit Verspätung gewirkt. Oder die Suggestion, die Einbildung. Spontanheilungen, von denen wir die Ursache nicht erkennen können, gibt es immer wieder. Wir kennen diese Reden. Der Unglaube blockierte Jesus. Er brauchte und braucht immer noch den Glauben von uns Menschen, damit er wirken kann. Wie viel Glaube bringen wir auf?


Wie sehen denn seine Leute aus!
Ist die Weise, wie die Leute von Nazaret reagierten, uns so fremd? Nazaret war ein kleines Städtchen, in dem jeder jeden kannte. Sie kannten Jesus, den Zimmermann, von klein auf, hatten seinen Vater schon gekannt und kannten die Licht- und Schattenseiten eines jeden aus seiner Sippe. Wie kann man ihm also glauben, wenn er plötzlich etwas anderes lehrt als all die Rabbiner und die frommen Pharisäer?

Bei uns kann es ähnlich heißen und heißt es oft auch: Wir kennen „seine“ Leute:
Leute, die regelmäßig in die Kirche gehen und als gute Christen gelten, aber im
Umgang mit anderen gehässig sind, hartherzig, im Gespräch ständig über andere herziehen, Intrigen schmieden... Und was es in der Geschichte der Kirche nicht alles gegeben hat...! Und außerdem: Wir geben ja zu, Jesus war ein großartiger Mensch, aber schließlich hat er in einer anderen Zeit gelebt; was kann er uns schon zu unseren heutigen Problemen und überhaupt zum heutigen Leben sagen! Seine Grundsätze sind sicher edel, aber doch nicht für unsere Zeit, nicht für uns, nicht für mich.


Verteidigungslinien bauen
So können auch wir Verteidigungslinien aufbauen, die denen der Leute von Nazaret sehr ähnlich sind. Und doch, wer so sein Fell rettet, verliert das Leben, das Leben, zu dem Jesus uns einlädt. Wir retten unser altes Leben, in dem wir für uns selber sorgen, uns gegen andere abgrenzen; in dem wir auf unsere Kosten zu kommen suchen, und sei es auf Kosten anderer; wir retten – vielleicht – unseren Lebensstandard, mögen die neben uns und nach uns sehen, wo sie bleiben. Wir retten dieses selbstbezogene Leben und verpassen das Leben, das Jesus uns anbietet, das Leben in der Freiheit der Liebe, der Solidarität, ein manchmal sicher nicht leichtes Leben, in dem wir aber Gemeinschaft tief erleben können. Sehnen wir uns nicht gerade danach?

Um unser altes Leben behalten zu können, behalten wir auch das alte Gottesbild,
das Gott vielleicht sehr streng zeigt, aber wenn ich niemanden umbringe, nichts
raube und keinen Ehebruch begehe – oder es hinterher beichte –, dann ist Gott
schon zufrieden. Oder ich verneble das Gottesbild: Man weiß nicht recht, wie Gott ist – wenn es ihn denn gibt. Oder – sehr beliebt – ich baue mir ein passendes Gottesbild zusammen aus Teilen unterschiedlicher Gottesvorstellungen. Aber das Bild Gottes, der Liebe ist, der mich liebt und zur Liebe herausfordert, das lehne ich ab; denn das bedroht meinen Lebensstil. Und den möchte ich auf keinen Fall aufgeben.

Vielleicht baue ich mir auch ein Jesusbild zusammen, das mich bestätigt und meinen Lebensstil nicht bedroht. Nur – dieser synthetische Jesus ist nicht der Erlöser, denn der kann kein Leben schenken, der kann meine Wunden nicht heilen, weil er reine Phantasie ist und keine Realität.

Wo Menschen sich ernst auf Jesus einließen, ihm glaubten, dort erlebten sie Wunder: Sie wurden heil und frei, ihr Leben veränderte sich, sie fanden Gemeinschaft... Die Leute von Nazaret lehnten Jesus ab, sie glaubten nicht; deshalb heißt es von ihrer Stadt: „Und Jesus konnte dort keine Wunder tun...“ Gilt das vielleicht auch für uns?

 

P. Lothar Janek SVD