17. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

„Damit es uns das Brot des Lebens werde!“

1. Lesung: 2 Kön 4,42-44
2. Lesung: Eph 4,1-6
Evangelium: Joh 6,1-15


„Damit es uns das Brot des Lebens werde!“

Brot für hungernde Kinder
TV-Sendungen von hungernden Kindern mit aufgequollenen Bäuchen und weit aufgerissenen Augen sehen wir nicht gern. Sie tun weh. Und doch sind sie da, diese Kinder, Hunderttausende weltweit. Wer in der dritten Welt lebte und ihnen gegenüberstand, versuchte dort zu helfen, mit Brot, Maniok oder Reis und mit ein paar freundlichen Worten; heute und hier könnte er weitermachen mit mahnenden und warnenden Worten an alle, die für Kinder nichts übrig haben oder sie fehlleiten. In Deutschland herrscht eine andere Not, wenn Kinder- und Jugendärzte versichern, „Verzicht auf Konsum könne einen Beitrag zur Suchtvorbeugung leisten“ (KNA, Inland, 18.03.03). Es sind nicht nur Kinder, die hungern, und nicht nur nach Brot. Der Mensch braucht viel mehr als Brot, um sich am Leben zu erhalten, oft ist das beste Brot ein gutes und klares Wort.


Brot für Tausende
An diese Kinder, an die Erwachsenen, an alles, was der Mensch braucht, dürfen wir heute denken anlässlich der Brotvermehrung, die Jesus gewirkt haben soll laut Bericht des Evangelisten Johannes. Eine phantastische Geschichte. Wir würden gerne wissen: Hat sich alles wirklich so abgespielt? Wir scheinen schon viel davon zu kennen: Jesus lehrt – er tut es gerne. Zu Tausenden sitzen die Menschen auf dem spärlichen Gras des Steilabhangs zum See Genezareth. Sie hören ihm gern zu und vergessen die Zeit. Er auch. Es wird spät. Hat Jesus über das Paschafest geredet, das gerade bevorsteht? Darüber könnte er viel sagen. Plötzlich wendet er sich an Philipp – er kommt von dieser Gegend – und fragt ihn, wo Brot zu kaufen ist für diese Leute. Brot für diese Menge? Ein unrealistisches Unterfangen. Andreas weist auf einen Jungen hin, der spontan seinen Proviant anbietet, fünf Gerstenfladen und zwei kleine Fische. Eine edle Geste, aber mehr nicht. Doch dann geschieht etwas, was niemand verstehen kann und kaum zu glauben ist. Jesus nimmt diese kleine Gabe armer Leute an, spricht ein Dankgebet und teilt sie aus. Und das Wunder geschieht. Wie immer es zustande kam: Diese Menschen hatten ein überwältigendes Erlebnis. Sie wurden satt, überreichlich. Es bleibt viel davon übrig, was nicht verloren gehen soll. Die Reaktion der Menge lässt nicht lange auf sich warten: Sie wollen sich ein sattes Leben sichern. Sie meinen: Dieser Jesus ist so gut wie Brot, er ist der erwartete Prophet; ihn können sie zum König machen. Dieses Missverständnis über seine Person darf Jesus nicht nähren: Er entzieht sich ihnen, geht auf den Berg, er ist allein.


Eine Deutung der Brotvermehrung
Die Menge hat offensichtlich nicht verstanden, was Jesus tun und sagen wollte. Sonst hätte er sie nicht verlassen. Zwar ahnen sie richtig, Jesus muss mehr sein als nur einer ihrer vielen Lehrer. In seinem Reden und Handeln werden die strengen Gebote Gottes zur frohen Botschaft. Ist er ein neuer Mose? – so fragen sie sich – oder ein Prophet wie Elischa, durch den Gott Wunderbares geschehen ließ? Was will Gott ihnen durch Jesus zeigen? Sind seine Wunder schon Zeichen von der verschwenderischen Liebe Gottes, die für die heilsgeschichtliche Endzeit vorhergesagt ist? Könnte diese Zeit mit Jesus angebrochen sein? Heute glauben wir: Ja, so ist es. Aber den Menschen von damals war diese Sicht wohl weniger klar, denn verschiedene religiös oder politisch ausgerichtete Interessengemeinschaften stritten sich und machten Menschenwort zu Gotteswort oder zerredeten Gotteswort zu Menschenwort.

Jesus spricht jeden persönlich an unter den Tausenden, die ihm nachfolgen, damals wie heute: „Durch Hunger hat er (der Herr) dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was aus dem Mund des Herrn hervorgeht.“ (Dtn 8,3; – vgl. Ex 17; Num 11,4-9; Mt 4,4; Lk 4,4; 1 Kor 10,3)


Ohne Frieden kein Brot
Die Juden damals waren zerstritten und sind es heute noch. Alles wird hin und her gewogen, die Zeit vergeht und reicht für sie nicht mehr aus, um auf den Kern der Sache zu kommen. Dazu schlagen noch die Emotionen hoch, Interessen werden eigenmächtig und verführen zu spontanem, unüberlegtem Handeln. Wie ergeht es uns? Glauben wir etwa, wir seien eines Sinnes und könnten klar sehen und urteilen – und erkennen, wer Jesus ist und was er uns zu sagen und zu geben hat? Schon die Scheidungsrate unserer Familien z. B. verhöhnt solche Gedanken. Der Staatengemeinschaft gehen die Worte aus: Um Frieden zu schaffen, lässt sie Bomben sprechen. Dann erst schickt sie Brote – für die Toten zu spät. Es ist absurd. Christliche Werte zählen immer weniger. Das Gesicht Christi ist zerkratzt. Schon seit zweitausend Jahren mahnt uns das Wort: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.“ (Eph 4,3) Wenn wir uneins sind, wird kein Friede des Auferstandenen auf uns ruhen können. Der kleine und große Terror werden mit Brot und Wasser allein nicht zu beschwichtigen sein, mit Krieg schon gar nicht, nur mit lebensspendendem Geist, der einhergeht mit dem Wort Gottes und Neues schafft, zusammen mit allen, die guten Willens sind.


Fasziniert von Gott
Wir denken spontan an die Bitte im Vaterunser: „Dein Wille geschehe“ (Mt 6,10), wenn wir von Menschen guten Willens sprechen. In irgendeiner Weise stehen sie mit Gott in Beziehung. Von Jesus wird gesagt „(Er) nahm die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, soviel sie wollten“ (Joh 6,11). Das Dankgebet gehört zu Jesus wie das Atmen. Es ist lebenswichtig. Ob wir es auch so sehen? Fragen wir uns aufrichtig: Wer dankt für das Brot, das er jeden Tag essen
kann und für das er überhaupt arbeiten darf? Das Dankgebet ist bei den gläubigen Juden ein ständiger Brauch. Sie sind überzeugt: Was um sie herum und in ihnen ist, kommt von Gott. Die verschwenderische Natur, ihre eigene Gesundheit, und so vieles mehr. Sind wir uns der reichen Gaben bewusst, die uns Gott, der Schöpfer, schenkt? „Dass mit wenigen Gerstenbroten eine große Menge ernährt wird, mag alle erstaunen“, sagt der hl. Augustinus, „aber dass auf unseren Feldern Korn in Fülle heranreift, das ganze Völker ernähren kann, wird kaum einer als wunderbar empfinden“. Wer genauer hinschaut und tiefer blickt, sieht auch im Gewöhnlichen etwas Außergewöhnliches. Wer staunt, beginnt zu denken und zu glauben. Und schließlich zu lieben. Wen ich liebe, dessen Nähe suche ich, den schaue ich wie gebannt an. Gott müsste uns faszinieren – wie Jesus offensichtlich von ihm ergriffen war, von seiner göttlich großen, unbegrenzten Liebe. Nur so konnte er sich selbst verschwenderisch als „Brot für die vielen“ verschenken. Es wird auch uns – allen Menschen guten Willens – helfen, die verschwenderische Liebe Gottes für sein Volk weiterzutragen in die ganze Welt.

 

P. Anton Gessler SVD