19. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Der Anspruch Jesu – eine Provokation?

1. Lesung: 1Kön 19,4-8
2. Lesung: Eph 4,30-5,2
Evangelium: Joh 6,41-51


Der Anspruch Jesu – eine Provokation?

Streit in der Gemeinde
Vielleicht erinnern Sie sich, als nach dem Konzil die „Handkommunion“ eingeführt wurde. Viele Gläubige haben diese Entscheidung begrüßt. Aber nicht wenige hatten Bedenken oder waren sogar strikt dagegen. Die Begründungen waren sogar durchaus verschieden. Die stärksten Argumente der Ablehnung waren etwa: es bestehe die Gefahr der Verunehrung oder sogar des Missbrauchs der hl. Hostie und damit die Gefahr des Sakrilegs. Es war dann nicht einfach ein Streit um des Streites willen, sondern religiöse Überzeugungen standen zur Debatte, gegenseitige Vorwürfe von Glauben und Nichtglauben heizten die Atmosphäre an. Nicht selten wurde von den Eiferern von beiden Seiten die Liebe verletzt, obschon oder gerade weil es den meisten doch um die Reinheit und Ehrlichkeit im Glauben ging.


Das Murren der Juden
„Die Juden murrten gegen Jesus! (V. 41) steht im heutigen Evangelium. Wir tun den Worten des Evangeliums und den Juden, „die murrten“, Unrecht, wenn wir mit einer Handbewegung darüber hinweggehen. Wenn es in unseren Gemeinden schon einen Streit gab wegen der Handkommunion, dann müssen wir angewandt sagen: Hier geht es um mehr als um Handkommunion.

Was war denn geschehen? Die Vorgeschichte haben wir an den letzten beiden
Sonntagen gehört. Jesus hat Tausende mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen
gesättigt. Die Menschen waren begeistert, weil sie satt geworden waren. Aber wir
dürfen auch sagen, dass sie spürten: Hier geschieht etwas Besonderes, etwas nie
Dagewesenes.

Und Jesus führte sie weiter, versuchte, ihnen Augen und Ohren zu öffnen „für die
Speise, die für das ewige Leben bleibt“ (V. 27). Bis dahin gingen sie noch mit und
baten sogar: „Herr, gib uns immer dieses Brot“ (V. 34). Aber nun kommt der
Paukenschlag. Jesus sagt: „Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ (V. 41). Das war zu viel. Das ging gegen ihre Überzeugung, gegen ihre Glaubensüberzeugung. Deshalb „murrten die Juden gegen Jesus“. Sie fingen an zu relativieren: Wer ist denn dieser? Wir kennen doch seinen Vater und seine Mutter ... Was nimmt der sich heraus? Die Juden fanden diese Selbstdarstellung Jesu – gelinde gesagt – als Anmaßung.


Der Grund des Widerspruchs
Nach Rudolf Bultmann hat das Murren der Juden seinen Gegenstand in dem entscheidenden „Ich bin“. Erinnerungen werden wach. Gott hatte sich doch in der Wüste dem Mose geoffenbart mit dem „Ich bin da“ (Ex 3,14). Wer danach eine solche Formulierung gebraucht und auf sich bezieht, macht sich selbst zum Gott. Das ist Gotteslästerung, darauf steht Todesstrafe. Der Hohepriester gebraucht genau dieses Argument in der Gerichtsszene vor dem Hohen Rat, um Jesus zum Tode zu verurteilen.

Noch etwas muss zur Verdeutlichung gesagt werden. Jesus sagt nicht nur „Ich bin das Brot des Lebens“ (V. 48), sondern relativiert auch noch das Mannawunder beim Zug Israels durch die Wüste, das doch Gott selbst gewirkt hatte. Wenn nun dieses „Brot des Lebens“ um ein Wesentliches das Manna übersteigt – „Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben“ (49)... „Wer aber von diesem Brote isst, wird leben in Ewigkeit“ (V. 51) –, dann kann doch hier nur Gott am Werke sein oder es ist wirklich Gotteslästerung, was Jesus sagt.

Die Juden fühlten sich zutiefst getroffen, sie zogen sich auf ihren dogmatischen
Standpunkt zurück und waren für weiterführende Gedanken nicht mehr zugänglich. Sie waren überfordert, wehrten sich und wurden auf Grund ihrer Enge, in die sie sich getrieben fühlten, aggressiv.

Das ist immer so, wenn Menschen Ungewohntes erfahren. Emotional sträubt sich
etwas in ihnen, sie fühlen sich eingeengt, werden aggressiv und sind zu keinem
ruhigen Überlegen und Argumentieren mehr fähig. Unter Umständen wird sogar der eigene Standpunkt brutal verteidigt. Dann gibt es keine Argumente mehr, sondern nur noch Standpunkte. – Bei Filmdiskussionen kann man das immer wieder erleben. Da wird z.B. nach dem Durchlaufen des Films gleich ein Urteil abgegeben. Man sollte sich doch zunächst einmal fragen: Was haben wir denn gesehen? Was könnte dieses oder jenes bedeuten? Was könnte das für uns, für mich bedeuten? – Man kommt dann zu Erkenntnissen und Aussagen, an die man überhaupt nicht gedacht hat. Offenheit ist gefordert! Zurück zum Evangelium.


Jesu Selbstbewusstsein
Der wichtigste Satz in diesem Kontext ist: „Ich bin das lebendige Brot, das vom
Himmel gekommen ist“ (V. 51). – Brot ist lebenswichtig. Die vorangegangenen
Sonntage haben das gezeigt. Genauso wichtig ist er, Jesus, der als Lebensbrot vom Himmel, d.h. vom Vater gekommen ist. Er steht und handelt im Auftrag des Vaters. – Und der zweite wichtige Satz des heutigen Evangeliums ist: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“ (V. 44). Das heißt aber mit anderen Worten: Der Glaube an Jesus ist ein Geschenk des Vaters. Geschenke kann man nicht erzwingen, aber man kann sie annehmen, man kann sich beschenken lassen. Das Programm und der Inhalt des Lebens Jesu ist: Beschenktwerden und Schenken sind Zeichen der ineinandergreifenden Liebe.


Und wir?
Jesu Botschaft war für die „murrenden“ Juden so neu, dass sie damit nicht fertig
wurden. Auch wir haben unsere Engpässe, leben lieber von Klischees als von wandelbaren Bildern, die uns auf verschiedenen Wegen den Kern der Botschaft in immer neuen Farben ständig neu erleben lassen. Wir sollten uns selbst Fragen stellen, um auf den Punkt zu kommen wie z.B.: „Welchen Stellenwert hat das Brot, d.h. das, was wir täglich zum Leben brauchen, für uns?“ Und weiter: In Fortführung der Botschaft des heutigen Evangeliums: „Welchen Stellenwert hat ’das Brot des Lebens’ für uns, für mich?“ Es wäre gut, wenn wir anhand solcher Fragen einmal unsere Gedanken, Vorstellungen, Gefühle, unsere ganze Lebensweise überprüfen würden. Ob wir neue Erkenntnisse und vielleicht auch Entscheidungen für unser Leben gewinnen? Wir dürfen uns überraschen lassen.

 

P. Ferdinand Demes SVD