2. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Wo wohnt der Herr?

1. Lesung: 1Sam 3,3b-10.19
2. Lesung: 1Kor 6,13c-15a.17-20
Evangelium: Joh 1,35-42


Wo wohnt der Herr?

Gott als Bettler
Bei den Salzburger Festspielen im vergangenen Jahr ließ der Regisseur des „Jedermann“ Gott als alten jüdischen Bettler auftreten, der die Wundmale Jesu trägt. Blasphemie? Eine Zumutung für Christen? Oder Hellsichtigkeit?
Wo finden wir denn Gott in unserer Welt der Glas- und Betonbauten? Wo ist Christus in der Welt der Computer und Konzerne, der Börse und des Internet daheim? In den Bürotürmen der multinationalen Konzerne und Banken? Wohl kaum. In den Forschungslabors für Gentechnik oder in den Hörsälen für
Management? In den Operationsräumen der Schönheitschirurgen oder in Kaufpalästen? Wohl kaum.

Sicher ist Christus nicht dort daheim, wo Gewinnmaximierung das letzte Ziel ist. Nicht dort, wo es darum geht, Nummer eins der Branche im Land oder in der Welt zu sein. Auch nicht dort, wo das Paradies auf Erden erwartet wird mit dem Sieg über alle Krankheiten, der Sicherung vor allen Unglücksfällen und mit einem hohen Lebensstandard, der mehr Spaß als Arbeit bietet und jährlichen Urlaub in exotischen Ländern erlaubt – für einige wenige Völker bzw. Volksgruppen, während die nderen immer tiefer in Not versinken. In dieser Welt ist Christus nicht zu Hause. Oder nur als Bettler. In dieser Welt hat Christus „kein Fleckchen Erde, auf das er seinen Kopf legen kann“. Hier stört er nur mit seiner Einladung, barmherzig und solidarisch zu sein, und mit seiner Aufforderung, nicht um sich selbst zu kreisen und nicht nur mit seinesgleichen zu verkehren, sondern Auge und Ohr zu haben für jene, die am Rande stehen oder am Boden liegen.


Jesus unter den Armen

Wahrscheinlich ist Jesus Christus auch heute dort, wo er vor seiner Kreuzigung vor allem zu finden war: bei den Armen und Bedürftigen, bei den kleinen Leuten. Für die Menschen am Rande, die Armen, die Kranken, die Behinderten aller Art, für sie hatte Jesus in besonderer Weise Auge und Herz. Deshalb lesen wir im Lukasevangelium, dass Jesus am Anfang seines öffentlichen Wirkens das Wort des Propheten Jesaja auf sich selbst bezog: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19).

Die Armen, das war der große Teil des Volkes, die einfachen Menschen. Sie kamen, um Jesus zu hören; sie brachten ihm ihre Kranken und baten um Heilung. Die Armen hatten Hunger, Hunger nicht nur nach Brot, sondern auch nach einem Wort, das Hoffnung machte, Zuversicht weckte und Zukunft verhieß. So nahmen sie Jesu Worte mit Freude auf und glaubten an ihn.

Ja, Reiche kamen auch, und einige glaubten an ihn wie Josef von Arimathäa; einige Reiche folgten Jesus sogar als Jünger. Aber der Großteil der Reichen war einfach zu satt; ihnen genügte, was sie hatten, besser: sie genossen ihre Position und fürchteten Veränderungen, die ihre Position hätten gefährden können. Wie heute. Auch Studierte kamen, Theologen, „Schriftgelehrte“ genannt, und auch von ihnen waren einige wie Nikodemus offen für Jesu Botschaft. Aber die meisten waren misstrauisch, lehnten Jesus ab oder suchten ihn sogar hereinzulegen. Die Reichen und die Gelehrten haben ihn schließlich ans Kreuz gebracht.


Jesus begegnen
Die Armen hatten ein offenes Ohr und ein offenes Herz für Jesus und seine Botschaft. So war es durch die Kirchengeschichte hindurch, mag es auch Gelehrte und Könige geben, die wir sogar als Heilige verehren. Ist es heute anders? Wohnt Christus auch heute bei den Armen und Bedürftigen?

Es ist schon viele Jahre her, da hörte ich von einer Pariser Schauspielerin oder Tänzerin, die Schwierigkeiten hatte, an Gott und an Jesus Christus zu glauben. Sie gab sich damit aber nicht zufrieden, hakte Gott nicht einfach ab. Jemand gab ihr den Rat, für eine längere Zeit unter Armen zu arbeiten. Sie ging für ein Jahr zu Mutter Teresa nach Indien. In der Arbeit und im Leben unter den Ärmsten hat sie Christus wiedergefunden.

„Meister, wo wohnst du?“ Die beiden Johannesjünger, die Jesus nachgelaufen waren, wollten keine Adresse haben. Sie wollten sehen und erfahren, wer er ist. So lud Jesus sie ein: „Kommt und seht.“


„Wo die Liebe ist...“                                                                                                         Eine Adresse hilft auch uns nicht weiter. Und ein theologischer Traktat auch nicht. Es braucht Erfahrung. Aber wie kommen wir zu solcher Erfahrung? Müssen wir dafür nach Indien gehen? Keineswegs. Jesus sagt einmal: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ (Joh 14,21)

Wenn Sie das hören, winken Sie vielleicht ab und sagen: „Mit Geboten habe ich mich das ganze Leben schon herumgeschlagen und habe versucht, sie zu halten. Aber eine großartige Erfahrung habe ich damit nicht gemacht. Dass Jesus sich mir offenbart hat, kann ich wirklich nicht behaupten.“

Wenn Jesus von seinen Geboten spricht, dann meint er nicht alle möglichen Gebote, sondern beispielsweise die Weisungen, die wir in der Bergpredigt lesen, vor allem aber das Liebesgebot. Wir sprechen viel von der Liebe, vielleicht zu viel. Aber bemühen wir uns auch ernstlich, sie zu leben? Folgen wir da nicht oft nur unserem natürlichen Empfinden? Wer uns sympathisch ist, der kann mit uns rechnen, und wo spontan Mitgefühl in uns aufsteigt, dort helfen wir, vielleicht sogar großzügig. Aber sonst können wir hart sein, pflegen unsere Vorurteile und grenzen uns ab, z.B. gegen Ausländer, besonders gegen solche, die aus der Not in ihren Heimatländern zu uns geflohen sind, um leben zu können und Zukunft zu haben.

Was geschähe, wenn wir unsere Vorurteile und Abneigungen übersprängen? Wenn wir auch denen hilfsbereit und mit Wohlwollen begegneten, die uns nicht so spontan sympathisch sind? Wenn wir es wagten, denen als Mitmenschen zu begegnen, von denen wir uns wie durch eine Mauer getrennt empfinden, Asylanten zum Beispiel?

Vielleicht haben Sie es schon getan und festgestellt, dass es gar nicht so schwer ist, Brücken zu schlagen, und wie schnell aus Fremden Freunde werden können. Wo wir das erleben, fühlen wir uns bereichert. Da spüren wir, dass Jesus uns mit seinem Liebesgebot einen guten Weg weist. Es ist gut, Liebe zu wagen. Und wo das geschieht, da wohnt Jesus, da ist er daheim.

 

P. Lothar Janek SVD