21. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Aufbau in gegenseitiger Unterordnung

1. Lesung: Jos 24,1-2a.15-17.18b
2. Lesung: Eph 5,21-32
Evangelium: Joh 6,60-69


Aufbau in gegenseitiger Unterordnung

Umbau in der Gesellschaft
Wer ein altehrwürdiges Haus renovieren will, muss umbauen. Es soll in seiner Struktur erhalten bleiben, aber den neuen Lebensbedürfnissen entsprechen. Neue Installationen, veränderte Zimmerzuschnitte mit entsprechender Versetzung der Türen sind unvermeidlich. Es müssen vorübergehend Stützen oder ständig tragende Mauerelemente eingefügt werden, damit andere Gebäudeteile nicht einknicken oder gar das ganze Haus gefährdet wird. Diese aufeinander abgestimmten, sich gegenseitig stützenden Elemente schaffen den Raum, in dem man sich wohlfühlen und in den der gute Geist des Hauses einziehen kann. Darum baut man ja letztlich ein Haus um, doch nicht bloß wegen architektonischer Spielereien.

Dieses Bild kann Leitvorstellung zum Verständnis der heutigen Lesung aus dem
Epheserbrief sein. Der Brief ist das früheste Zeugnis, in dem die zahlreichen, oft
recht verschiedenen und zerstreuten christlichen Gemeinden systematisch darüber nachdenken: Wer sind wir eigentlich als „herausgerufene Versammlung des auferstandenen Herrn“ (ekklesia kyriake), als Kirche? Wie fügt sich die Vielfalt zusammen? Wozu sind wir in dieser Welt? Was gibt uns Identität als Gemeinschaft?

Das Bild vom Bauwerk wird bemüht, errichtet auf dem Fundament der Apostel,
zusammengehalten im Schlussstein des zur Mitte hin fallenden Gewölbes (Eph 2,20-22). Dazwischen die lebendigen Steine, die wir sind, die, selbst gestützt und andere stützend, sich ins Mauerwerk einordnen lassen. Dieses Stützende-einordnen-lassen (hypotasso) ist das Schlüsselwort des Abschnittes, der heute vorgelesen wird.

Nach systematischen Fragen im ersten werden Fragen der alltäglichen
Lebensordnung im zweiten Teil behandelt. Wie errichten wir in unserem alltäglichen Verhalten einen Lebensraum, in dem ein guter Geist, der Geist Jesu wohnen kann? Den Christen auf dieser Erde stehen nicht Baumaterialien des himmlischen Jerusalem zur Verfügung, damals so wenig wie heute. Wir haben nur die konkrete Gesellschaft, in der wir leben, mit ihren Errungenschaften und Wertvorstellungen, mit ihren Verfallserscheinungen und Trümmern. Diese haben wir auf Christus hin zu ordnen. Das große Haus des gesellschaftlichen Lebens einzureißen oder zu gefährden, um einen kompletten Neubau zu errichten, wäre Anmaßung.


Bauprinzip der christlichen Familie
Es ist ein Bild das der oder die Verfasser des Epheserbriefes entwerfen: Die Kirche als Gemeinschaft des Umbaus im großen Haus des gesellschaftlichen Lebens. Die Bereitschaft, sich einordnen zu lassen, sich gegenseitig unterzuordnen ist das Bauprinzip. Das wird an der Familie konkretisiert. Die Familie war im Altertum von hohem Wert. Der Mann galt als Haupt, der die Familie nach außen hin vertrat. Im Innern des Hauses war die Frau die maßgebliche Sachwalterin, wie das Herz in einem lebendigen Organismus. (Missbrauch dieser Rollenverteilung ist wie auch in modernen partnerschaftlichen Ehen immer möglich.) Partnerschaft in der Ehe im modernen Sinne kam in ihrem Sprechen und Denken nicht vor, wohl aber in ihrem Verhalten. In der biblischen Weisheitsliteratur galt als wertvollstes Geschenk, das einem die Weisheit gewährte, eine kluge und tatkräftige Frau. Am Ende des Buches der Sprichwörter wird eine solche besungen: Sie verwaltet souverän ihr Haus und zeigt Unabhängigkeit in ihrer unternehmerischen Tätigkeit. Ihr Mann bekommt dadurch Würde und Gewicht in der Öffentlichkeit. Für ihre Söhne ist sie Vorbild, sie lassen nichts auf sie kommen (Spr 31,10-31). Besser würde man den Epheserbrief wohl übersetzen mit „Ihr Frauen baut eure Männer auf“. Umgekehrt gilt: Ihr Männer, behandelt eure Frauen pfleglich. Gewährt ihnen den Raum, in dem sie sich entfallen können, und helft ihnen dabei, ihre Begabung und ihren inneren Reichtum zum Tragen zu bringen. Das baut sie auf.

Leitbild des Projekts Familie im Bauwerk Gottes ist das Verhältnis Christi zu seinem Volk, das er sich durch Liebe erworben hat. Er ist in dieser Verbindung das Haupt, das sich tief gebeugt hat um den Seinen die Füße zu waschen. „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15) Im christlichen Projekt Familie haben Pascha-Allüren ebenso wenig zu suchen wie Hausdrachen-Terror. Sowohl die Zweipoligkeit von Kopf und Herz im Idealbild von Familie im Altertum, als auch die moderne partnerschaftlich geführte Ehe, wo es zwar gemeinsam gefasste Beschlüsse, dann aber Verbindlichkeit und Unterordnung gibt, können in das christlich Bauprinzip einmünden: „Einer ordne sich dem Anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.“ (Eph 5,21)

 

P. Gerd Birk SVD