27. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Stellung beziehen zur Ehe

1. Lesung: Gen 2,18-24
2. Lesung: Hebr 2,9-11
Evangelium: Mk 10,2-16

Stellung beziehen zur Ehe

Jede Ehegeschichte ist anders
Wie Sie sicher alle wissen, die Schrifttexte, die hier sonntags verlesen werden, sucht sich der Pastor in der Regel nicht selber aus. Sie sind für die ganze Kirche vorgeschrieben, sodass in einem Zeitraum von jeweils drei Jahren die wichtigsten
Inhalte der Bibel auch wirklich einmal verlesen worden sind. Den Text des heutigen Sonntags hätte ich allerdings nun gerne unterschlagen; denn das mit der Ehe, das mit dem „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ wirft auch in kirchlich geprägten Kreisen viele Fragen auf. Statistisch gesehen werden bei uns ja doch an die 40% der Ehen geschieden. Paare jeglichen Alters leben ohne Trauschein des Staates und ohne den Trausegen der Kirche heute zusammen, als sei es selbstverständlich. Warum das alles so ist und geworden ist, das hat viele und unterschiedliche Gründe. Jede Ehegeschichte ist anders. Und ich bin nicht in der Lage, die wichtigsten Dinge in diesem Zusammenhang innerhalb von etwa 10 Minuten darzulegen. Ich werde aber wohl versuchen etwas von dem zu sagen, was Jesus von Nazaret gemeint haben kann, als er in solcher Kürze, wie soeben gehört, einmal Stellung zur Ehe bezog. Es war ja keineswegs sein Hauptthema. Nur wenige Sätze von ihm sind uns darüber bekannt.

Ein Geschenk – kein Besitz
Dass nun die Ehe ein Wagnis ist, ja eine Zumutung in des Wortes wirklicher Bedeutung, das ist nicht erst heute so. Jesus und seine Zeit wussten darum. Im
Judentum herrschte die Praxis der einseitigen Ehescheidung: Ein Mann durfte die Frau aus der Ehe entlassen mit Brief und Siegel. Damit war die Praxis ein Privileg für eine gebildete Schicht, die eine Scheidungsurkunde ausstellen konnte, die eben schreiben konnte. Und die Schriftgelehrten damals diskutierten über die unterschiedlichen Gründe, wann jemand von diesem Recht Gebrauch machen dürfe.

Jesus interessierte diese Gesetzes-Auslegerdebatte der Neunmalklugen überhaupt nicht. Er war der Ansicht: Wenn man zu solchen gesetzlichen Regelungen greifen muss, liegt Härte des Herzens vor. Und das Ganze hat mit der schöpferischen Liebe Gottes nichts mehr zu tun. Dies gilt desgleichen vom staatlichen wie auch vom kirchlichen Recht. Jesus meint nämlich: „Am Anfang der Schöpfung...“ und er sagt deutlich, wie Ehe am Anfang wirklich gemeint war, nämlich: Eine Frau ist niemals im Besitz des Mannes. Er kann mit ihr nicht machen, was er will. Mann und Frau sind einander als Geschenk des lieben Gottes zu verstehen, der entdeckt hat, dass es gar nicht gut ist, wenn der Mensch alleine sei. Deshalb fängt der Schöpfergott praktisch am Feierabend des Sechstageberichtes über das Werden der Welt noch einmal an, bis das fertig ist, was Adam als „Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ bezeichnet.

Partner gleichen Ursprungs
Jesus nimmt Bezug auf diese uralte, mythische Erzählung und sagt, dass Mann und Frau zueinander streben und zueinander gehören, weil das in Gottes „heilender“ Schöpfungsabsicht begründet ist. Partner sind sie gleichen Ursprungs, zusammen gehören sie von Anfang an. Es wird ja doch in der Erzählung berichtet, dass Adam sich hinlegte zu sterben. Und dann erwachte er erst zum Leben, zu einer Auferstehung, als er voller Freude Eva bemerkte. Mann kann eben nur Mann sein, wenn es Frau gibt und umgekehrt. Hätte die Christenheit (und in ihr wohl vor allem die Männer und unter ihnen besonders die zölibatären) unsere Bibel aufmerksam gelesen, Themen wie Partnerschaft in der Ehe und Emanzipation der Frau wären für uns wohl überflüssig. Denn sie sind auf den ersten Seiten der Bibel schon selbstverständlich. In diesem Zusammenhang wird man auch den so genannten Pflichtzölibat ganz sicher als etwas Sekundäres betrachten müssen.

Hier ist also ein Jesus, der in einer sehr kurzen und kräftigen Beweisführung die
Magna Charta der Frauenbewegung schreibt. Und das ist so gottgewollt.


„Wer es fassen kann, der fasse es!“                                                                                Das mag nun alles schön und gut sein. Aber dann: Mein lieber Jesus, – so darf ich doch reden – überforderst du uns nicht mit solchen Idealvorstellungen von uns Menschen? Weißt du denn nicht, was in jedem Adam steckt und in jeder Eva schlummert, was für schwache und umeinandergebeutelte Wesen wir Adams und Evas Kinder sind? Warum müssen wir uns ein so klares Wort bei jeder Trauung anhören: „Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen?“ Würdest du das eigentlich auch heute noch sagen, wenn du die vielen Ehetragödien miterleben könntest, die wir ja alle zur Rechten und zur Linken und bei uns selber kennen? An einer anderen Stelle wollen ja auch schon seine Jünger damals wissen, ob es unter solchen Vorbedingungen denn gut sei zu heiraten? Jesus sagte dazu kurzerhand: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ (Mt 19,12) Das heißt: Ein Mensch, der das erfasst, der weiß: Lebenslange Treue in guten und in schweren Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod zwei Menschen trennt, das ist nur dann möglich, wenn diese beiden Menschen aus der Liebe Gottes leben.


Wenn Gott im Leben den Ton angibt
Es ist die Überzeugung Jesu: Wenn ein Mensch die grenzenlose Liebe Gottes, die
nicht widerruft, einmal wirklich begriffen hat und sich von ihr ergreifen lässt, wenn Gott in seinem Leben den Ton angibt und wirklich in den Alltag hineinregieren darf, dann wird ihm die Befähigung zur Treue bis in den Tod geschenkt. Ein solcher Mensch kennt nicht nur den Streit zwischen Mann und Frau, er kennt auch die wirkliche Versöhnung. Er kennt das Fallen, aber auch das gegenseitige Aufhelfen. Er weiß: Wir sind beide, so wie wir sind, von Gott gewollt und füreinander gedacht und so von ihm geliebt. Und er schenkt solche Menschen die Kraft zur Partnerschaft, die keinen fallen lässt.

Dann ist alles im Lot
Und dies alles sagt Jesus nicht mit erhobenem Moralfinger, eher mit einem verliebten Lächeln dessen, der sich in der Liebe Gottes total geborgen weiß. Und er ist sich dann so sicher: Was Gott verbunden hat, ist so gut, ist so richtig, ist so im Lot, ist so heilig und unantastbar, dass Menschen, die daran herummachen wollen, es nur zerstören würden. Es gehört wohl die Unbefangenheit eines Kindes dazu und seine Freude über ein Geschenk, diese Ansicht Jesu als beglückend zu empfinden. Deshalb wird es immer weniger geben, die ihre Ehe so verstehen oder verstehen können trotz allem Versuchen, diesem Jesus zu glauben. Die Vorbedingung, die Jesus fordert für eine solche echte, unauflösliche Ehe, dieses Vertrauensverhältnis zu einem absolut lieben Gott, ist oft nicht mehr gegeben. Anzustreben wäre diese „echte“ christliche Ehe sicherlich. Aber ich frage mich doch, muss ein solches Ideal wirklich die einzige Grundlage und Richtlinie für die kirchliche Rechtsprechung in dieser Sache sein? Was würde Jesus in den vielen unglücklichen Situationen raten? Sicherlich, die Kinder würde er versuchen zu schützen mit allen möglichen Mitteln. Sie scheinen ja doch die Hauptleidtragenden zu sein. Doch sonst ist Jesus nicht dafür bekannt, das er starre Paragraphen geschrieben hätte, viel eher dafür, dass er immer wieder einen Neuanfang ermöglichte. Mehr und mehr wird die Kirche heute angesprochen und herausgefordert, für die Kleinen, die Gefallenen und Beladenen, zumindest aus pastoraler Sicht, eine Lösung und einen Weg in ein neues Leben zu finden. Amen.

 

P. Hermann J. Schnieders SVD