28. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Gottes Wort ist Wort zum Leben

1. Lesung: Weish 7,7-11
2. Lesung: Hebr 4,12-13
Evangelium: Mk 10,17-30

Gottes Wort ist Wort zum Leben

Was Worte alles vermögen
Worte können verändern, trösten, niederreißen. Worte sind oft nicht mehr zurückzunehmen. Da erzählt eine alte Geschichte von einem, der nicht glauben wollte, was Worte alles anrichten können: Er meinte, er könne nur so drauflos reden. Es sei doch alles ganz harmlos. Wer würde sich ein so leicht hingesprochenes Wort überhaupt merken? Nur ein Experiment konnte den „Vielredner“ davon überzeugen, wie bedeutsam das Reden sei. Sein Lehrmeister nahm ein prall mit Federn gefülltes Kissen, trennte die Naht des Kissens auf und schüttelte die Federn aus dem Fenster. Ein Windstoß fegte die Federn davon und wirbelte sie durch die Straßen der Stadt. Nun solle der andere versuchen, die Federn wieder einzusammeln. Ein unmögliches Unterfangen! Genauso sei es mit den Worten, die man in die Welt setzt. Man kann sie unmöglich mehr zurückholen. Und viele unbedachte Worte wurden in die Welt gesetzt.

„Lebendig ist das Wort Gottes...“
Doch so ganz anders ist es mit dem Wort Gottes! Es soll und braucht nicht zurückgeholt zu werden: „Lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Da ist Gottes Wort, das unserer Welt den Anfang setzte. Im Schöpfungsbericht der Bibel lässt Gott die Welt, die Tiere und Pflanzen und schließlich den Menschen entstehen durch sein großes Wort „es werde“. Dieses „es werde“ ist noch nicht zu Ende gesprochen, denn es entsteht immer wieder Neues auf der Erde.

Gottes Wort ergeht an Israel, indem Gott es aus der Knechtschaft Ägyptens ruft.
Richtungsweisend ist das Wort des Bundes, zusammengefasst in den 10 Bundesregeln, den zehn Geboten. Im Verlauf der Geschichte Israels waren die Propheten immer die Künder und Interpreten Gottes: Zuspruch in Not und Bedrängnis, Weisung und Gerichtsspruch in Situationen der Verwirrung und Eigenmächtigkeit.

Im Neuen Testament wird Jesus Christus als das endgültige Wort Gottes an die
Menschen bezeichnet. In Jesus Christus hat Gott ein für allemal und für immer zu uns gesprochen. Das Evangelium des Johannes beginnt sogar mit den bekannten Worten: „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). Der Evangelist wollte ganz bewusst eine Parallele zum Schöpfungsbericht herstellen.

Gottes Wort ist also wirkmächtiges Geschehen und nicht vergleichbar mit leichtgewichtigen Federn, die der Wind durch die Gassen treibt. Es soll nicht mehr zurückgeholt werden, sondern man wünscht, dass es in alle Welt getragen wird.

Nachfolge verlangt das Letzte
Im heutigen Sonntagsevangelium schildert uns Markus einen jungen Menschen, der vom Wort Gottes getroffen ist. Gottes Wort hat sein Leben geprägt. Von Jugend an wusste er sich auf die Gebote Gottes, auf die Bundesregeln, verpflichtet. Mit allem Ernst hat er sich bemüht, nach dieser Richtschnur zu leben. Er ist also bestimmt kein religiöses „Leichtgewicht“ gewesen. Das Gesetz des Herrn war in seinem Inneren, in seinen Händen und in seinem Herzen. Die Gebetsriemen, die er sich vielleicht ab und an angelegt hat, mögen dies zeichenhaft versinnbildlicht haben.

Doch Jesus ruft den jungen Mann zu mehr. Das Wort des Herrn will ein darüber
hinaus: Seine Habe verkaufen, das Geld den Armen geben und ihm ohne Bindung
an irdische Reichtümer nachfolgen. Der reiche Jüngling jedoch kann diesen letzten Schritt nicht gehen. Das Wort, der Ruf Jesu bleibt unbeantwortet. Auf das Wort folgt keine Antwort.

Vielleicht sollten auch wir uns in diesem Gottesdienst die Frage stellen, inwieweit wir dem Ruf Gottes folgen oder ob wir unsere Antwort schuldig bleiben. Der Ruf Gottes kann in vielen und sehr unterschiedlichen Facetten an uns ergehen – nicht bloß im Ruf auf den großen Reichtum zu verzichten. Gottes Ruf an uns ist so vielfältig wie das Leben!

Trotz Warnung eine Frohbotschaft
Wenn wir nun die Geschichte vom reichen Jüngling nicht schon seit langem aus der Bibel kennen würden, wie hätten wir sie wohl weitergeschrieben? Hätten wir einen verärgerten Jesus dargestellt? Oder hätten wir sogar ein Drohwort für ihn bereit gehabt und ihn als Feigling beschimpft? Doch Jesu Wort soll Frohbotschaft sein und bleiben. Der Hinweis, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, ist zwar eine Warnung vor den Gefährdungen durch den Reichtum und macht den Ernst der Lage deutlich. Doch Jesus weist auf die Barmherzigkeit Gottes hin. Gott ist es, der rettet! „Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich“ (Mk 10,27). Jesus reagiert also auf die Szene mit dem reichen Jüngling und auf die Nachfrage seiner Jünger bestimmt und richtungsweisend: Er verurteilt nicht, sondern er weist auf die Barmherzigkeit Gottes hin. Gottes Barmherzigkeit ist größer als wir erahnen. Dieses Wort ist Frohbotschaft. Mit diesem Wort können wir leben, wenn uns die geforderte Solidarität mit den Armen dieser Welt so schwer fällt und uns wieder einmal so vieles, vielleicht alles, misslingt.

 

P. Herbert Zimmermann SVD