5. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Schwiegermütter

1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7
2. Lesung: 1Kor 9,16-19.22-23
Evangelium: Mk 1,29-39


Schwiegermütter

Lassen Sie mich diese Predigt ein wenig unorthodox beginnen. Nach langem Überlegen bin ich an keinem Wort und keiner Figur des heutigen Evangeliums so sehr hängen geblieben, wie an der Schwiegermutter des Petrus, die da krank ist und aufgerichtet wird.

Schwiegermütter haben oft – und ich bin der festen Überzeugung, dass das unberechtigt ist, – einen ganz eigenartigen Ruf. Dennoch: Sobald dieses Wort, dieser Name fällt, fangen manche ganz eigenartig zu lächeln an, zu reden und zu witzeln. Was steckt dahinter? Woher kommt dies?

Ist es nicht verständlich, dass Mütter eine ganz besondere Beziehung zu ihren Kindern haben? Dass sie wollen, dass es denen gut geht? Dass sie mit ihnen glücklich sind, wenn sie sehen, dass da ein liebevoller Partner/eine liebevolle Partnerin ins Leben des eigenen Kindes tritt, – dass aber genauso argwöhnisch beobachtet wird, was das denn für ein Mensch ist, der einem da die Tochter/oder den Sohn nimmt? Dass sie aber auch mit ihnen leiden, wenn das Leben schwer wird, und dass der Sündenbock häufig, nicht immer, auf der anderen Seite gesucht und gesehen wird? Die Schwiegermutter des Petrus hat einiges hinter sich. Da heiratet dieser Petrus in ihre Familie und macht sich anfangs sehr gut. Er fügt sich in die kleine Fischerei ein, ist fleißig, steht früh auf, versteht etwas von seinem Handwerk, verträgt sich mit seinem Schwiegervater, und sie hat Grund, zufrieden und beruhigt zu sein. Dann setzt bei ihrem Schwiegersohn irgendwann der Verstand aus. Er lässt alles stehen und liegen, den Schwiegervater im Boot sitzen, und zieht diesem Wanderprediger aus Nazareth hinterher, von dem man eigentlich noch gar nichts weiß.

Ihre Tochter ist sitzengelassen. Er kommt nur noch von Zeit zu Zeit nach Hause.
Anderes Gewand holen, ein wenig die Beine hochlegen, sich erholen, und dann
wieder weiter. Und heute hat er seinen Rabbi auch noch mitgebracht. Und den
Besuch soll sie jetzt bekochen und bedienen? Dazu soll sie freundliche Miene
machen? Am liebsten würde sie den Herren den Kopf waschen, ihren Petrus zwingen da zu bleiben, und den/die anderen weiterschicken.

Nein, sie kann nicht so tun, als wäre da nichts. Sie hat keine Kraft, keine Energie.
Ihre Beziehung zu dem Besuch ist krank. Sie selbst kränkelt ob all dem, was ihr
Herz schwer macht und legt sich hin. Am liebsten keinen sehen, sich nicht noch mehr aufregen, nicht alles noch einmal durchmachen und aufkommen lassen.
Jesus aber geht zu ihr hin. Er richtet sie auf. Er macht sie frei von den fiebrigen
Gedanken und Gefühlen. Er weicht ihr nicht aus. Vorher haben sie miteinander über die Frau geredet. Ich denke, er konnte sie und ihre Stimmungslage bestens verstehen. Seine Mutter hatte wohl ähnliches durchgemacht, ihm zugesetzt, gehofft, alles ändern zu können, ihn auf einen anderen Weg zu bringen …Doch: Irgendwie schafft es Jesus. Irgendwie gewinnt er sie. – Sie steht auf. Sie sorgt für ihre Gäste.


Dorfbewohner
Was sich da abgespielt hat, das spricht sich herum. Dass sogar die Schwiegermutter des Petrus geheilt wurde, dass sie jetzt anders denkt und anders von diesem Jesus redet, das fasziniert und verwundert die Menschen. Sie überwinden ihre Skepsis, nach all dem, was sie im Dorf gehört und mit der armen Frau gelitten hatten. Und sie bringen ihre „Kranken“ zur Haustür. Das ganze Dorf, die ganze Stadt, wie Markus berichtet, läuft zusammen.
Und Jesus enttäuscht auch diese Menschen nicht. Er befreit und heilt, er wendet
sich zu, berührt und schenkt die Erfahrung: der ist ja gar nicht so! Dem nachzulaufen, das lohnt sich ja wirklich, das bringt ja etwas. Und viele werden angefangen haben, den Petrus und die anderen jungen Leute zu verstehen.

Wenigstens legten uns dies die Begleiter Jesu nahe, die da feststellen: Alle suchen dich, Jesus! Alle sind sie hinter dir her. Alle vertrauen sie dir. Alle kommen sie in deine Nähe.


Die Sendung Jesu
So ein Stimmungsumschwung muss erst einmal verkraftet werden. – Jesus sucht die Stille, das Gebet, die Begegnung mit seinem himmlischen Vater. Und er entdeckt darin seine Sendung, die Ausweitung seines Auftrages. Gottes Heil soll weitere Kreise ziehen. Das ist seine Sendung: Das Wort Gottes verkünden und Menschen befreien, von allem, was fesselt, was niederdrückt, was die Sinne raubt, was fertig macht, Fieber auslöst und Lebensentfaltung verhindert.

Wie Schwiegermütter
Schwiegermütter stehen für mich, wenn wir diesen Abschnitt der Frohen Botschaft jetzt auf uns anwenden, für unsere engste Umgebung, unsere Familie, unsere Lebensbezüge und liebevollen Beziehungen. Wenn wir dort Heil, Geborgenheit, Freude am Glauben, Angenommen-Sein erfahren, wenn wir diese Orte als Mut machend, heilsam, tröstend und immer wieder aufrichtend erleben, dann werden auch wir in unserem näheren Lebensumfeld, in Verwandtschaft und Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Vereinen und in der Freizeitgestaltung, in Freundschaften und Begegnungen für viele Menschen hilfreich wirken. Oft erleben wir dann, dass viele mit ihren Anliegen und Sorgen zu uns kommen, uns zutrauen, ihnen helfen zu können, mit unserem offenen Ohr rechnen, sich bei uns aussprechen, Rat holen, – und wir an uns erleben, dass wirklich eine Kraft von uns ausgeht, dass wir eine Ausstrahlung haben, dass sich Menschen uns anvertrauen, dass uns Leute ansprechen, von denen wir gar nichts wissen und uns in Sorgen und Probleme einweihen, für die wir eigentlich gar nicht zuständig sind. Und dann geschieht durch uns ein Stück Heil, lässt uns die Not vor der Tür unseres Lebens nicht kalt und nicht ungerührt, stellen wir uns und entdecken in uns vielleicht sogar ungeahnte Fähigkeiten und Talente, und eine Kraft, die wir gar nicht in uns vermutet hätten.

Voraussetzung für solches Tun ist aber ganz sicher auch immer wieder das Suchen nach der Begegnung mit Gott im Gebet, das Eintauchen in die Stille, zu uns selber finden und Kraft schöpfen, die von Gott kommt. In solchem Beten wird sich dann auch – wie von selbst – weisen, wohin unser Weg führt, wem wir als Gesandte und Künder des Wortes Gottes in unserem Alltag Rede und Antwort über die Hoffnung stehen dürfen, die wir im eigenen Leben erfahren und geschenkt bekommen haben.

Zu hoffen wäre für uns alle, dass wir – wie die Schwiegermutter des Petrus – ganz
persönlich die Zuwendung und das Wohlwollen, das liebevolle Aufrichten durch
unseren Gott erfahren. Durch ein Wort der Frohen Botschaft, durch einen
Mitmenschen, durch das Beispiel eines Heiligen, durch Menschen, die uns diesen
Jesus ins Haus bringen.

Und persönlich betroffen sein, das ist viel kostbarer, viel nachhaltiger und tiefer
gehend, als nur das Hörensagen. Heil erfahren dürfen, und sei es in einem
Gespräch, einer Umarmung, einem verzeihenden Wort, einer zärtlichen Geste oder einer Beichte, das bringt viel mehr in uns auf den Weg, als solches nur verkündet zu bekommen.

Einmal Schwiegermutter sein, sich so aufrichten, befähigen lassen zum Dienst an den anderen, das wäre es!

 

Pfr. Albert L. Miorin