8. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Gott auf der Suche nach dem Menschen

1. Lesung: Hos 2,16b.17b.21-22
2. Lesung: 2Kor 3,1b-6
Evangelium: Mk 2, 18-22


Gott auf der Suche nach dem Menschen

Vor einigen Monaten hat das Gallup-Institut eine Umfrage veröffentlicht, die das
Ansehen der Institutionen zum Thema hatte. Unter 18 Plätzen kamen die Kirchen
und Religionen weltweit auf den vierten Platz. Für Deutschland hingegen lagen die Kirchen auf dem letzten Platz. Es ging an erster Stelle um das Ansehen der
Institutionen, aber auch um die Inhalte, die diese Institutionen vertreten.

Wir wissen aber auch aus anderen Quellen, dass die Botschaft der Kirchen immer
weniger von den Menschen verstanden und angenommen wird. In ihrem Leben
spielen andere Werte und Orientierungen eine Rolle. Was zählt, ist Erfolg, Einfluss, Macht. Man will sein Leben genießen in einer Spaßgesellschaft. Da wird die Botschaft der Kirchen als veraltet angesehen. Sie geben keine Antwort auf die
modernen Fragen. Ja, sie bieten Antworten aus vergangenen Zeiten, und darüber
hinaus engen sie die Freiheit der Menschen ein.


Gottes Liebe
Werden wir da nicht an die erste Lesung des heutigen Sonntags erinnert? Gott hat Israel zu seinem Volk erwählt, als er es aus Ägypten herausführte. Israel erfuhr im Vertrauen auf seinen Gott Glück und Heil. Später, als Israel sesshaft wurde und im Wohlstand lebte, hat es sich anderen Göttern zugewandt und seinen Gott vergessen. Aber Gott vergisst sein Volk nicht. Er geht ihm nach und führt es wieder zu sich zurück. Und Israel wird von neuem sein Heil erfahren.

So ist es auch heute. Gott ist auf der Suche nach dem Menschen, auch wenn die
Menschen ihn nicht erkennen und ablehnen und glauben, ohne ihn leben zu können. Er wird die Menschen zum Heil führen. Wir machen uns in der Kirche viele Gedanken, wie wir den Menschen von heute die Botschaft Jesu und seinen Gott nahebringen können. Da sagt uns die Botschaft des heutigen Sonntags etwas sehr Trostvolles und Ermutigendes. Gott selber sorgt sich um den Menschen. Er führt die Menschen zu ihrem Heil. Er ist der Erst-Handelnde in der Geschichte mit dem Menschen. Dies gibt uns Mut und Vertrauen in unserem Bemühen, die Botschaft des Glaubens dem heutigen Menschen nahezubringen.


Das Beispiel Jesu
Wie Gott auf die Menschen zugeht, hat er uns in Jesus von Nazaret gezeigt. Nach
unserem Glauben ist uns in Jesus die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen. Er hat vorgelebt, dass Gott auf das Wohlergehen des Menschen aus ist. Wie hat Jesus den Menschen Gott nahegebracht? Er solidarisierte sich mit den Menschen. Er ging dorthin, wo die Menschen lebten. Er interessierte sich für sie. Er ging auf ihre Nöte und Sorgen ein und versuchte zu helfen. Vor allem schloss er keinen aus seiner Gemeinschaft aus. Er ging gerade auf die sonst Ausgeschlossenen zu: auf die Menschen am Rande, die Armen, die Kranken, die Zöllner und die Sünder. Er verurteilte nicht. Er schaute nicht auf die Vergangenheit. Er versuchte die Situation der Menschen zu verstehen und zeigte ihnen Wege auf zu Hoffnung und Zuversicht. Er machte ihnen Mut für die Zukunft. Er sagte und zeigte ihnen, dass sie von Gott geliebt und angenommen sind. Und zwar sind sie bedingungslos angenommen. Er gibt ihnen ihr Selbstbewusstsein zurück, weil sie Gott wichtig sind, weil Gott sich für sie entschieden hat. Deshalb hat keiner einen Grund zu resignieren oder gar zu verzweifeln. Gott führt die Menschen zu ihrem Heil. Keiner wird ihn davon abhalten.


Der Weg der Kirche
Wie soll also die Kirche auf die heutige Situation reagieren? Wie soll sie die
Botschaft des Glaubens glaubwürdig verkünden, so dass die Menschen die Nähe
Gottes in ihrem Leben erfahren? Zunächst müssen wir davon ausgehen, dass Gott
auch den heutigen Menschen nicht fallenlässt. Er ist ihnen nahe und kümmert sich um sie und um ihr Heil. In diesem Sinne gibt es keine Menschen ohne Gott. Dies ist sehr tröstlich. Und wir als Kirche sind die Mitarbeiter Gottes. Nicht wir führen an erster Stelle den Kontakt der Menschen mit Gott herbei, sondern das ist zuerst und zutiefst seine Sache.

Ein weiteres ergibt sich daraus: Gott geht oft Wege zu den Menschen, die wir
nicht kennen und mit denen wir so nicht rechnen. Unsere erste Aufgabe besteht
darin, diese Wege zu erkennen und sie dann auch für die Menschen benennen zu
können. Das heißt konkret: Wir müssen erkennen, wo und wie die Menschen leben. Was ist für sie wichtig, woran orientieren sie sich, was sind ihre Werte? Wir dürfen dies zunächst nicht kritisch sehen, sondern wir müssen den Menschen mit einem verstehenden Herzen begegnen. In den tiefsten und wichtigsten Erfahrungen geht es immer irgendwie um den Sinn des Lebens und des Daseins. Selbst in den negativen Erfahrungen, die nicht zu billigen sind, kann es Gott sein, der anklopft und einlädt. Gott liebt den Menschen, und er ist immer dort, wo die Menschen leben.

Wir haben das Beispiel Jesu gesehen. Er geht auf die Menschen zu dort, wo sie
leben, und verurteilt nicht, sondern versucht die Menschen zu verstehen, um sie in Liebe und Güte den Weg zur Erfahrung Gottes zu führen. Es kann also nicht darum gehen, dass wir vorgefertigte Weisen der Verkündigung benutzen, die mit dem konkreten Leben der Menschen nicht viel zu tun haben. Und vor allen Dingen dürfen wir nicht mit Geboten und Verboten kommen und niemanden ausschließen. Gefordert ist im Sinne Jesu ein liebendes und gütiges Verstehen, das solidarisch ist mit der Situation der Menschen. Hier wäre vieles zu bedenken, wo es etwa um die Moralverkündigung der Kirche geht. Die Menschen verstehen sie oft nicht. Wie steht es um die Geschiedenen und Wiederverheirateten? Wie steht es um Mitsprache und Mitverantwortung in der Kirche, die dem heutigen demokratischen Bewusstsein entgegenkommt?

Ganz wichtig ist auch, dass das Negative einer Institution vermieden wird. Die
Kirche muss den Menschen als Schwestern und Brüdern begegnen und ihnen das
Zeugnis ihres Glaubens vorleben. Das gelebte Glaubenszeugnis, die konkrete
Erfahrung Gottes in meinem Leben als Glaubender in der Erfahrung des heutigen
Lebens, die die anderen Menschen auch machen, ist besonders wichtig. Wenn die
Menschen erfahren, dass Gott die Quelle und Freude ihres Lebens ist, dass der
Glaube an Gott es ist, der ihnen Mut und Zuversicht für die Zukunft schenkt, dann sind sie eher bereit, ihren Weg ebenfalls zu versuchen.

Gott ist auch in der heutigen Welt anwesend. Er ist auf der Suche nach dem
Menschen, um ihm sein Heil zu schenken. Es kommt allein darauf an, ihm zu vertrauen und seine Wege zu den Menschen von heute zu erkennen und sie dann auch konsequent mit ihm zu gehen. Dann brauchen wir keine Angst zu haben und brauchen wir nicht zu resignieren, auch nicht angesichts der Umfragen eines Gallup-Instituts.

 

P. Dr. Heribert Bettscheider SVD