Hochfest Christi Himmelfahrt (B)

Predigtimpuls

Er ist da

1. Lesung: Apg 1,1-11
2. Lesung: Eph 1,17-23
Oder: Eph 4,1-13
Evangelium: Mk 16,15-20

Er ist da

Gott erfahren ...
In der Apostelgeschichte lesen wir in Vers 3 des ersten Kapitels: „Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.“ Man könnte neidisch, ja eifersüchtig werden: 40 Tage hindurch ist Christus seinen Freunden erschienen, viele Beweise hat er ihnen gegeben. Wie sehr müssen wir uns vernachlässigt fühlen. Keine Erscheinungen, keine Beweise. Dabei brauchen wir Menschen das – Gott zu sehen, zu spüren, zu hören. Aber mit seiner Himmelfahrt ist Christus ja nicht von der Erde verschwunden. Er ist den Menschen so nah wie eh und je. Die Jünger und Jüngerinnen haben Christus auf ihre Weise erfahren, gesehen. Wir heute erfahren ihn auf unsere Weise.

... mitten im Alltag ...
In seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus hat Paulus geschrieben, dass wir mit den Augen unseres Herzens die Gegenwart und das Wirken Gottes in unserem Leben erkennen können. Er selbst kann unser inneres Auge erleuchten, so dass wir ihn sehen, mitten in unserem Leben. (Eph 1,18) Es geht darum, dass Gott eine lebendige Wirklichkeit ist, die die Welt durchdringt. Lukas schreibt in der Apostelgeschichte: „Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Das klingt wie eine Aufforderung, sich ganz auf die Welt einzulassen. Gott ist nicht nur ein Gott des Himmels, sondern des Himmels und der Erde. Das ganze All ist erfüllt von ihm. Der heilige Ignatius nannte ihn den „Gott in allen Dingen“. Und die große Mystikerin und Kirchenlehrerin Teresa von Avila soll einmal zu einer Mitschwester, die lieber im Gebet bei Gott sein wollte anstatt in der Küche zu arbeiten, gesagt haben, dass Gott auch zwischen den Töpfen zu finden sei.

Gott kann unser inneres Auge erleuchten, wenn es offen, wachsam und achtsam ist. Die Mystiker der Welt haben für sich den Weg der Achtsamkeit als einen Weg zu Gott erfahren. Was Achtsamkeit bezeichnet, gibt das Wort eines indischen Lehrers wieder:

„Bei euch Europäern ist es so: Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon auf. Wenn ihr
aufsteht, dann geht ihr schon. Wenn ihr geht, dann seid ich schon am Ziel. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Und wenn ich am Ziel bin, bin ich am Ziel.“

Eine chassidische Geschichte sagt es so:
„Ein Rabbi fuhr zu einem heiligen Mann, nicht, um Lehre von ihm zu hören; nur um zu sehen, wie er die Filzschuhe schnürt und wie er sie aufschnürt.“

Um Gott in allen Dingen und in den Tätigkeiten des Alltags zu finden, bedarf es eines achtsamen Herzens. Wer hastet und eilt, wer bei allem, was er tut, mit den Gedanken woanders ist, schaut an Gott vorbei. Der Alltag mit seinen zahlreichen
Anforderungen, das Leben mit seinen vielen Fragen und Problemen kann uns nur zu leicht trennen von dem, was wir tun, von uns selbst, von Gott. Es geht darum, ganz bei dem zu sein, was man tut. Wer ganz bei dem ist, was er tut, kann Versunkenheit erfahren, Tiefenerfahrung machen, selbst bei so einfachen Tätigkeiten wie gehen, Schuhe schnüren... Wir kennen das von Kindern, die im Spielen, im Schauen, im Basteln versinken können und nach einiger Zeit auftauchen, wie aus einer anderen Welt.

... in der Tiefe unseres Lebens ...
Dabei geschieht etwas, das Antony de Mello in einer kleinen Geschichte eingefangen hat:

Ein Mönch ging eines Tages im Klostergarten spazieren und hörte dabei das Lied eines Vogels. Verzaubert lauschte er. Ihm war, als hätte er nie zuvor einen Vogel
singen hören und nie wirklich zugehört. Als das Lied zu Ende war, ging er in das
Kloster zurück und entdeckte zu seiner Bestürzung, dass er für seine Mitbrüder ein Fremder war und sie für ihn. Nur langsam wurde ihm und ihnen klar, dass er nach Jahrhunderten zurückgekehrt war. So versunken hatte er gelauscht, dass die Zeit stehengeblieben und in die Ewigkeit hinübergeglitten war.

In solchen Augenblicken der Versunkenheit, die geübt und angestrebt werden können im achtsamen Tun im Alltag, kann die „Offenbarung eines unerschöpflichen Geheimnisses geschehen: Gottes Gegenwart in der Welt – non commixtionem passus, neque divisionem – wie die Antiphon der Weihnachtszeit staunend singt. Unvermischt und doch untrennbar, wird das Göttliche uns zugänglich im Sinnlichen“. (David Steindl-Rast, OSB) Die Achtsamkeit führt in die Erfahrung des Ewigen, des Göttlichen. In solchen geschenkten Augenblicken erleben wir, dass alles stillsteht, wir sind nur im Schauen, im Horchen, im Spüren, im Tun und berühren im Sichtbaren den unsichtbaren Gott.

Solche Erfahrungen der Berührung mit dem Göttlichen in unserem Leben sind nur schwer mitteilbar. Aber sie berühren den Menschen zuinnerst, sprechen zutiefst seine emotionale Seite an. Sie können beschrieben werden mit Worten wie angerührt sein, ergriffen sein, sich ganz fühlen, erfüllt sein, Dankbarkeit, ja Glück spüren. Sie vermitteln dem Menschen die Erfahrung von Geborgenheit, Friede, Heilung, Freiheit, Liebe. Begriffe, die uns die theologische Lehre in abstrakten Worten zusagt, werden mit Leben gefüllt und konkret erfahrbar. Es ist wie ein Berühren Gottes, das Anrühren an ein Geheimnis. Es ist das Sehen mit dem erleuchteten inneren Auge.

... und ihn weitergeben.
Wichtig ist, dass wir unser Berührtsein von Gott, die Erfahrung seiner wirkmächtigen Gegenwart in unserem Leben einander mitteilen. „Wir sollen seine Zeugen sein bis an die Grenzen der Erde.“ Zeugen sein davon, dass Gott unser Leben heil macht und mit Liebe erfüllt, in dem Sinne wie Madeleine Delbrel es einmal aufgeschrieben hat:

„Meine Augen, meine Hände, mein Mund sind dein. Diese so traurige Frau mir
gegenüber: hier ist mein Mund, damit du ihr zulächelst. Dieses vor lauter
Bleichsein fast graue Kind: hier meine Augen, damit du es anschaust. Dieser so müde, müde Mann: hier ist mein ganzer Leib, damit du ihm Platz gibst, und meine Stimme, damit du leise sagst: ‘Setz dich.’ Dieser so dumme, eingebildete, harte Bursche, hier ist mein Herz, damit du ihn damit liebst, stärker, als er je geliebt wurde.“

Das sind die Zeichen, die wir gläubig setzen können: Wir treiben mit unseren Augen die Dämonen der Angst und Trauer aus; unser Mund spricht die Sprache der Liebe; unser Herz scheut nicht zurück vor dem Gift der Härte und des Egoismus; unsere Hände haben keine Berührungsängste gegenüber dem, was unheil ist und gesund werden will. (vgl. Mk 16,17f)

 

Barbara Gollwitzer, Pastoralreferentin