Hochfest der Auferstehung des Herrn - Ostermontag

Predigtimpuls

Unser Glaube: keine Selbstverständlichkeit

1. Lesung: Apg 2,14.22-33
2. Lesung: 1 Kor 15,1-8.11
Evangelium: Lk 24,13-35
Oder: Mt 28,8-15

Unser Glaube: keine Selbstverständlichkeit

Die freudige Erfahrung der Osternacht bestimmt noch unser Empfinden und unsere Stimmung. Nach der Fastenzeit und besonders der Erfahrung des Karfreitags mit dem scheinbar endgültigen Tod Jesu – und damit begraben so manche Hoffnung auf Veränderung – tut es gut, wieder neu das Leben zu spüren und zu sehen, ein Leben nämlich mit anderen, neuen Perspektiven und Inhalten. Da erinnert Paulus an den Grund, auf dem die Gemeinde ihren Glauben gründet: das Evangelium, das er verkündet hat, und an dessen Wortlaut die Gemeinde festhalten soll. Es geht ihm dabei wohl nicht um ein fundamentalistisches Festhalten an „Wörtern“, sondern vielmehr um den Kern der Botschaft: Christus ist für unsere Sünden gestorben, begraben und schließlich auferweckt worden. Und als Auferstandener erschien er bestimmten Personen, sogar Paulus selber. Die Botschaft der Auferstehung ist also der Kern der christlichen Botschaft; mit ihr steht und fällt somit auch unser Glaube. Für wie viele unserer Gottesdienstteilnehmer ist dies wirklich grundlegender und
lebensbestimmender Glaubensinhalt?


Sich seines Glaubens bewusst werden
Viele Menschen, die heute zu unseren Gottesdiensten kommen, haben den Glauben noch durch die Familie und eine entsprechende religiöse Sozialisation übernommen. Manche tun sich allerdings immer noch ziemlich schwer damit, ihren Glauben kritisch zu hinterfragen bzw. hinterfragen zu lassen. Eltern können davon ein Lied singen. Der jungen Generation allerdings fällt der Glaube nicht mehr so einfach in den Schoß. Sie können oft nur noch wenig mit dem kircheninternen Vokabular anfangen – oder, wie es einmal ein Journalist und Theologe nannte – mit diesem Kirchen-„Kisuaheli“. Für sie ist vieles Neuland, unbekannt vom Inhalt, der Erfahrung und der Praxis her – zu beobachten etwa bei Taufen und Beerdigungen, oder den wenigen Trauungen etwa. Sie tun sich schwer, nicht nur bestimmte Riten zu verstehen, sondern all das, was wohl dahinter steht.

Unsere pluriforme Welt und Umwelt
Vielleicht gab es aber so etwas auch schon in der Gemeinde von Korinth, die ja sehr vielschichtig war. Dort fanden sich auch viele Suchende; Menschen, die ihrer Religion oder Kultur ein Stück weit entfremdet oder gar entwurzelt waren – auch wenn dies mehr moderne Phänomene zu sein scheinen -, die sich aber von der Botschaft des Paulus haben anrühren lassen. Hatten sie wirklich seine Botschaft verstanden – oder den Glauben „vielleicht nur unüberlegt“ angenommen? Wurde ihnen nicht erst im Nachhinein der Skandal des Evangeliums deutlich, wenn da von der Auferstehung Jesu gesprochen wurde und von seinen Erscheinungen – erst gar nicht zu reden vom Kreuz und dessen Heilsbedeutung?
 Mir scheint diese Beobachtung für uns heute wichtig und hilfreich zu sein, denn so wird deutlich, dass wir uns nicht erst am Ostermontagmorgen im Jahr 2003 in einer gewissen Glaubenskrise befinden, die ihrem Wesen nach und vom Fragehorizont her durchaus sehr positive Seiten hat. Denn wenn wir als Glaubende in unserer Zeit auch Zeugnis von unserem Glauben geben wollen, dann müssen wir zunächst unsere Zeit mit all ihren Fassetten ernstnehmen – und vor allem die Menschen, für die halt der christliche Glaube nicht mehr so selbstverständlich ist. Hier haben wir als Getaufte wirklich auch eine Funktion des Pontifex – des Brückenbauers – hin zu einem persönlichen und doch von „objektiven“ Offenbarungsinhalten geprägten Osterglauben.

Die Erfahrung der anderen zu der meinigen machen
Wenn es bei der Gottesdienstvorbereitung um die Auswahl der Lieder geht, regt
gelegentlich jemand an, doch wieder einmal anstatt eines Liedes das Credo selbst
zu beten; es gerate sonst in Gefahr, vergessen zu werden. Ich finde diese Beobachtung richtig und es ist auch sinnvoll, dem zu entsprechen. Doch weise ich
dann ebenso darauf hin, dass wir dies sehr bewusst tun sollten – auch in der Art und Weise des Betens (und nicht Herunterleierns); dass wir uns den Inhalten stellen sollen; uns fragen, ob und was dies mit unserem Leben zu tun hat. Die
Glaubenserfahrung der Kirche, die sich im Credo ausdrückt, das intensive Ringen
darum, ja die Kämpfe um Inhalte und Formulierungen können wir ja normalerweise heute nicht immer nachvollziehen. Erst recht wird der Schritt schwierig, wie all dies zu meiner persönlichen Glaubenserfahrung werden kann, die dann auch noch mein Leben und Handeln bestimmen soll: „... gelitten, gekreuzigt und gestorben; auferstanden von den Toden...“ – Bestimmen und prägen diese Glaubensartikel wirklich meinen Alltag – oder sprechen wir sie nicht nur mehr oder weniger unüberlegt nach?

Die Chance des Ostermontags
Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, trotz ihrer Niedergeschlagenheit und ihrer begrabenen Hoffnungen („wir aber hatten gehofft ...“), geben mir einen Hinweis und eine neue Perspektive auch für meinen Glauben mit seinen vielen Unsicherheiten und Anfragen, ja Zweifeln: Versteck deine Fragen nicht. Bleib nicht in einer Ecke sitzen, sondern mach dich auf, zusammen mit anderen, um über all das zu reden, was dein Leben jetzt ausmacht. Gib deinen Träumen und Enttäuschungen einen Namen, sprich sie aus. Öffne aber auch gleichzeitig alle deine Sinne („brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete“), um Neues wahrzunehmen und zu entdecken. Frag immer wieder nach, wenn du etwas nicht verstehst, und mach dir bewusst, warum es für dich wichtig ist. Scheu nicht den beschwerlichen Weg, das Weggehen, die Trennung von Liebgewordenem – du kannst unter Umständen viel mehr gewinnen oder Bekanntes neu sehen und werten.

Sei dir nicht zu schade und hab keine Scheu, den anderen um etwas zu bitten („bleibe bei uns...“), auch wenn du damit vielleicht eine persönliche Schwäche zugeben müsstest...

Aber wir sollen auch keine Scheu haben, von unseren Glaubensüberzeugungen
wirklich Zeugnis zu geben, den Glauben anderen anzubieten, wie es die französischen Bischöfe in einem Hirtenschreiben ausdrückten.

Auch der Auferstandene, der seinen Jüngern erschienen und begegnet ist, hat sie
nicht zum Glauben gezwungen. Immer wieder hat er an ihr Begreifen appelliert; d. h. doch, Begreifen hat etwas mit Sich-Herantasten zu tun; dazu braucht man
Fingerspitzengefühl, das man entwickeln muss. Erst mit der Zeit bekommt man so eine gewisse „Fingerfertigkeit“, begreift man mehr, intensiver, detaillierter.

Schließlich wird es der Herr immer selber sein, der sich uns zeigt und sich erschließen lässt im Brot-Teilen, im Sich-Mitteilen. Wir müssen uns nur mit ihm auf dem Weg machen.

 

P. Heinz Schneider SVD