5. Sonntag der Osterzeit (B)

Predigtimpuls

‘Zappen’ oder ‘Bleiben in ihm’

1. Lesung: Apg 9,26-31
2. Lesung: 1 Joh 3,18-24
Evangelium: Joh 15,1-8


`Zappen’ oder ‘Bleiben in ihm’

Gewichtige Worte
Es ist sicher richtig, dass man dem Sinn eines Textes aus der Hl. Schrift nicht
dadurch auf die Spur kommt, indem man anfängt, bestimmte Wörter zu zählen. Doch gibt es Texte, da stolpert man geradezu über die Häufung bestimmter Wörter. So ging es mir mit dem heutigen Evangelium. Ich stolperte über zwei Wörter: über ‘bleiben’, das 9 Mal, und ‘Frucht bringen’, das 7 Mal vorkommt. Was hat es, so fragte ich mich, mit dem 9-maligen ‘Bleiben’ auf sich, in einer Zeit des rapiden Wandels, in der jene, die bleiben, ganz schnell nicht mehr mitkommen?

Das Evangelium spricht von einem gegenseitigen ‘Bleiben’. Jesus möchte in uns
bleiben und wir sollen in ihm bleiben. Wichtig und wesentlich ist für Christen, dass sie sich von Jesus in eine Lebensgemeinschaft hineinnehmen lassen und in ihr verharren. Dieses wechselseitige ‘Bleiben’ packt Jesus in das Bild vom Weinstock und den Reben. Christsein bedeutet: erkennen, dass ich und mein ganzes Leben an Christus, dem Weinstock, hängen.

Erster Einwand: Abhängigkeit
Das Lebensgefühl vieler moderner Menschen hinterfragt eine derartige Betonung
des Hängens an einer Person und wendet ein, dass dieses ‘An-Christus-Hängen’ doch Abhängigkeit bedeutet. Wer Christ ist, gibt seine Unabhängigkeit auf. Er sagt Ja zu einer einzigen Abhängigkeit. Er lässt das ‘Zappen’, den ständigen Programmwechsel, und bleibt am ‘Programm’ Jesus Christus hängen. Das mag dem einen oder anderen modernen Menschen langweilig vorkommen und ihn abschrecken.

Dennoch ist zu bedenken: Bekommt nicht der Zweig, der seinen festen Platz hat,
Kraft, die aus der Wurzel kommt? Wird er nicht gehalten, wenn die Winde ihn
schütteln? Es ist etwas Gutes, wenn Menschen, die sich an Jesus gehängt haben, wissen, dass die Kraft Jesu sie durchströmt, selbst wenn die eigenen Kräfte gering sind. Wo ein Mensch erlebt, wie rasant sich alles verändert, darf er wissen, dass er einen festen Platz hat an diesem Stamm; wenn alles anders kommt, als er gedacht hat. Und wenn er meint, er würde ins Bodenlose fallen, weiß er sich gehalten wie ein Ast im Wind.

Das bietet Jesus: Halt und Kraft durch sein Wort. Orientierung, wenn alles
unübersichtlich und verwirrend ist. Heimat, die mit-geht, auch wenn es einen an den letzten Ort dieser Erde verschlagen mag.

Zweiter Einwand: Unbeweglichkeit
Abhängigkeit ist der eine Einwand. Unbeweglichkeit der zweite. Heißt bleiben, an einem hängen wie eine Rebe am Weinstock? Heißt nicht unbeweglich sein, bleiben wie man ist? Macht sich jemand, der das Bleiben derart betont, nicht eines Konservativismus verdächtig, der nichts und niemanden verändert wissen will? Nichts bleibt, wie es ist! Wir können gerade jetzt im Frühjahr die Verwandlungen erleben: Knospen treiben, Blätter kommen, Blüten sprießen, tragen Früchte. Nichts bleibt dasselbe! Auch wer in Jesus bleibt, bleibt nicht derselbe. Es verändern sich Einstellungen.

Die erste: Es ist wenig, was ich aus mir selbst hervorbringe. Alles ist Geschenk
Gottes – ich bin nicht aus eigener Kraft ‘fruchtbar’.

Die zweite: Verwandlung kommt von ihm, von Christus, – und nicht, weil ich es will. Das, was in meinem Leben von bleibendem Wert ist, ist mir zum großen Teil nur zugefallen und geschenkt.

Die dritte Einstellungsänderung: Ich kann gelassen sein, weil nicht alles, was wichtig ist, von mir abhängt und von dem, was ich tue. Es zählt nicht das, was ich aus mir mache, sondern das, was ich bin! Und verbunden mit ihm, bin ich wer! Ein Mensch, berufen und befähigt zu einem Leben in Fülle.

Dritter Einwand: Schon wieder eine Forderung!
Schließlich ist noch ein dritter Einwand gegen das ‘bleiben’ zu bedenken. Wenn
Jesus sagt, ‘bleibt in mir’, dann wird doch wieder etwas von mir gefordert. Dies ist falsch, denn hier wird nichts gefordert. Fordert der Stamm etwas von seinen
Zweigen? Produziert die Rebe aus sich heraus Trauben?

Jeder Zweig, der mit dem Stamm verbunden ist, bringt von selbst Früchte hervor: Früchte, erfüllt von Jesu Leben, Jesu Liebe und Jesu Geist. Bei dem, der an ihm hängt, kommt das wie von selbst.

Fruchtbringen ist die natürliche Konsequenz des Lebens, das seine Kraftquelle in Jesu Wort und Person hat. Die Frucht, die solche Menschen, die an Jesus, dem
Wurzelgrund eines Lebens in Fülle, hängen, ist eine Liebe, die sich im alltäglichen Leben in immer neuen Formen ausbuchstabiert. Sie ist all das, was durch mein Tun anderen zu Gute kommt. Sie ist Offensein für andere, ist Mitweinen und Mitlachen, ist das selbstverständliche Dasein für die, die mir anvertraut sind und die, die mich brauchen. Wer sich an ihn hängt, wird befähigt zu einem Leben, von dem keine Zerstörung ausgeht und das sich nicht selbst zerstört.

In der Gemeinschaft mit Jesus und seinem Wort, sind Menschen mit ihrer Sehnsucht nach geglücktem und sinnvollem Leben gut aufgehoben. Die Entscheidung jedoch zwischen dem ‘Zappen’ und dem ‘Bleiben in ihm’, weil er sich an mich gehängt hat, muss ich schon selber fällen. Keiner kann sie mir abnehmen.

 

P. Dr. Bernd Werle SVD