6. Sonntag der Osterzeit (B)

Predigtimpuls

Freude kommt allein aus der Liebe, der Freundschaft und der Lebenshingabe

1. Lesung: Apg 10,25-26.34-35.44-48
2. Lesung: 1 Joh 4,7-10
Evangelium: Joh 15,9-17


Freude kommt allein aus der Liebe, der Freundschaft und der Lebenshingabe

Auf Freude zielt der christliche Glaube – und unser Leben
„... damit meine Freude in euch ist und (so) eure Freude vollkommen wird.“ Der
christliche Glaube kommt aus der Freude (Jesu, Gottes) und zielt auf Freude (der
Seinen). Christlicher Glaube und Freude sind untrennbar miteinander verbunden. Christlicher Glaube, dem die Freude fehlt, ist ein Widerspruch in sich, ein hölzernes Eisen. Freude ist geradezu ein Kriterium dafür, wie tief verwurzelt ein Mensch in seinem Glauben an Jesus Christus und sein Evangelium lebt, selbst dann, wenn er von schwerem Leid heimgesucht wird. Man kann sogar sagen: auf Freude hin sind wir erschaffen; es ist unser Daseinssinn, der Grund, warum Gott den Menschen überhaupt ins Dasein geliebt hat, uns teilhaben zu lassen an Seiner Freude; an der Freude, die in Ihm ist, damit sie auch in uns sei.

Nun ist Freude etwas, das sich jeder Mensch von ganzem Herzen wünscht. Es ist gar nicht vorstellbar, dass jemand behauptet, ihm wäre es gleich, ob er sich am Leben freue oder nicht. Wenn nun aber das Christentum ganz wesentlich auf Freude zielt und damit auf das, was genau so wesentlich jeder Mensch will – müsste dann das Christentum nicht geradezu ein „Renner“ unter den heutigen Sinnangeboten sein? Müssten dann die Menschen nicht Schlange stehen vor den Portalen der Kirche? Offensichtlich ist eher das Gegenteil der Fall. Woran mag das liegen?

Freude ist etwas anderes als Spaß und Lust
Mir scheint, dass ein wichtiger Grund ganz einfach in einer sehr folgenschweren
Verwechslung liegt, nämlich in der Verwechslung von Freude mit Spaß?

Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ein wenig Philosophie mit Ihnen zu betreiben. Als im 5. Jahrhundert v. Chr. die Griechen erstmals fragten, worum es denn dem Menschen im Leben letztlich und im Grunde geht, lautete eine der ersten Antworten: um hedone, um maximalen Lustgewinn, um höchstmöglichen Spaß am und im Dasein. Epikur, der diesen philosophischen Hedonismus am gründlichsten ausgearbeitet hat, wusste dabei übrigens genau, dass den größten Lustgewinn nicht der hat, der ausschweifend lebt und deswegen einen immer größeren „Kick“ sucht und braucht, um überhaupt noch so etwas wie Lust empfinden zu können, sondern dass dazu im Grunde ein einfaches Leben und die Fähigkeit zum Verzicht nötig ist. Denn gerade der Verzichtende genießt zu gegebener Zeit am intensivsten.

Doch die Frage ist, ob es denn überhaupt stimmt, dass es uns in erster Linie um Lust geht und daher der die größte Freude hat, dem es primär um die eigene Freude geht. Epikur selbst hat einmal bemerkt, dass zu einem glücklichen Leben Freunde gehören. Freunde aber hat man nur, wenn man selbst ein guter Freund ist. Das aber kann ich nur sein, wenn mir an dem Freund liegt und nicht in erster Linie daran, dass er ein brauchbares Mittel ist, damit es mir gut geht. Um ein guter Freund zu sein, muss ich daher, so schreibt Epikur, notfalls sogar bereit sein, mein Leben für einen Freund hinzugeben.

Spaß ist machbar, Freude nicht
Und mit dieser Feststellung sind wir beim heutigen Evangelium angelangt. Als
Bedingung für vollkommene Freude nennt Jesus zwei unabdingbare Voraussetzungen: die Liebe, die bereit ist, sogar das eigene Leben hinzugeben für den Freund oder die Freunde, und die Freundschaft selbst. „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größerer Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ „(Daher) nenne ich euch (auch) nicht mehr Knechte..., vielmehr habe ich euch Freunde genannt; ja Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“: nämlich die Liebe nach meinem Vorbild.

Was bedeutet das für die Frage, wie ich denn nun eigentlich glücklich werde? Es
bedeutet: Wirkliche und echte Freude erfahre ich erst, wenn es mir gar nicht mehr um die Freude geht; wenn es mir damit auch gar nicht mehr in erster Linie um mich selbst geht, sondern um den geliebten Freund: um Gott, um Jesus Christus, und mit Ihm um den Mitmenschen, da die Liebe zu Jesus niemals zu trennen ist von der Liebe zum Nächsten. Anders ausgedrückt heißt das: zur Freude gelange ich nur, indem ich meine eigene Freude gar nicht direkt intendiere. Freude ist so etwas wie ein Nebenprodukt der Liebe, der Selbsthingabe, einer Selbsthingabe, die bis hin zur Preisgabe des eigenen Lebens gehen kann. Der direkte Weg zur Freude geht nur auf dem (scheinbaren) „Umweg“ über das Du: das Du Gottes und das Du des Mitmenschen.

Im Unterschied dazu sind Spaß, Lust, körperliches Wohlbefinden, etc. direkt
intendierbar. In unserer Welt, die immer mehr der Illusion der Machbarkeit von allem und jedem verfällt, ist man schnell versucht, auch die Freude für machbar zu halten. Man sucht das schnelle, das organisierbare, planbare, machbare Glück, das vielen verheißungsvoller erscheint als der „mühsame“ Weg zur Freude, den das Evangelium empfiehlt, ja sogar als den einzig möglichen bezeichnet. „Wer das Leben (für sich) gewinnen will, wird es (am Ende) verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es (schließlich) gewinnen“ (Mt 10,39). Wir aber wollen das Leben gewinnen, ohne es zu verlieren – das ist es, was für viele das Christentum heute wohl eher unattraktiv macht.

Freude kommt aus der Lebenshingabe
„Das Leben verlieren um meinetwillen...“ Dies kann vielfältige Formen annehmen. Zunächst bedeutet es sicher, wie schon erwähnt, ein Sich-selbst-loslassen-Können; die Bereitschaft, nicht gleichsam zentripetal zu leben und ständig vor allem um sich selbst zu kreisen, sondern zentrifugal, also das eigene Lebenszentrum außerhalb meiner selbst im Du zu haben, im Du Gottes, im Du Jesu Christi, im Du der Mitmenschen, die das Leben mit mir teilen.

Im äußersten Fall kann natürlich „das Leben verlieren um meinetwillen, um es zu
gewinnen“ auch den wörtlichen Lebensverlust bedeuten. Noch nie in der Geschichte der Kirche sind in diesem Sinn so viele Menschen von dem Satz Jesu betroffen gewesen wie im vergangenen Jahrhundert. Es war ein Jahrhundert der Märtyrer, wenige bekannt, unzählige unbekannt bzw. gekannt allein von Gott. So sehr die in manchen, überwiegend leider islamischen Ländern eingeschränkte, immer wieder nicht durchgesetzte, oft aber auch mit Füßen getretene oder gar nicht existierende Religionsfreiheit ein himmelschreiender Skandal ist – all diese Glaubenszeugen über alle konfessionellen Grenzen hinweg gehören ohne Zweifel zum größten Reichtum der Kirche. Der Satz: „Niemand hat eine größerer Liebe als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“, trifft auch für sie zu und macht sie christusähnlich. Die Freude, von der Jesus spricht, ist hier sicher eine verborgene, aber eine, die offenbar und vollkommen wird in der Freude des ewigen Lebens. Beten wir für uns und besonders für alle verfolgten Christen, dass die Kraft schenkende Freude Jesu Christi in uns nie untergeht, sondern in uns bleibt und unsere Freude so vollkommen macht.

 

Pfr. Bodo Windolf