Hochfest der Gottesmutter Maria – Neujahr – Weltfriedenstag

Predigtimpuls

Ein Blick nach vorn

1. Lesung: Num 6,22-27
2. Lesung: Gal 4,4-7
Evangelium: Lk 2,16-21


Ein Blick nach vorn
Vorsätze und Pläne
Gestern haben wir es also beendet : dieses Jahr der Krisen und Entscheidungen. Erinnern Sie sich noch an die Wochen und Monate des Wahlkampfs? In der Regel ist ja der Jahreswechsel der Zeitpunkt, an dem Vorsätze und Versprechungen ihre höchste Dichte erreichen. In Wahljahren erleben wir zweimal Spitzenwerte. Das ist ja auch nicht weiter verwunderlich, geht es doch im Kern immer ums Gleiche: um einen Neuanfang. Mit so einem Neuanfang verbinden sich stets Hoffnungen, Pläne, Träume: Alles soll besser werden. Das war schon immer so, und das ist in allen Kulturen das Gleiche. Ich habe Ihnen dazu eine Geschichte aus dem jüdischen Kulturgut des 18. Jahrhunderts mitgebracht:
Eine arme Frau fand ein Ei. Da rief sie ihre Kinder und sagte ihnen:
„Kinder! Von nun an brauchen wir uns nicht zu sorgen. Es wird uns
nichts mehr fehlen. Seht, ich habe ein Ei gefunden. Aber wisset, wir
werden es nicht essen, sondern wir werden den Nachbarn bitten, dass
er das Ei unter seine Henne legen soll, damit aus dem Ei eine Henne
hervorkomme. Auch die Henne werden wir nicht essen, sondern wir
werden sie auf Eier setzen, und von den Eiern werden neue Hennen
hervorkommen, und die Hennen werden noch Eier legen, und wir
werden viele Eier und viele Hennen haben. Wir werden aber weder
die Eier noch die Hennen essen, sondern wir werden sie verkaufen
und ein Kalb kaufen. Auch das Kalb werden wir nicht essen, sondern
wir werden es großziehen, bis aus ihm eine Kuh wird. Aus der Kuh
werden Kälber geboren werden, und wir werden eine ganze Herde
haben. Wir werden die Herde verkaufen und ein Feld kaufen, wir werden
verkaufen und kaufen, wir werden verkaufen und kaufen...“
Während diese arme Frau so schwätzte, fiel das Ei aus ihrer Hand und
zerbrach.

So sind auch wir, wie jene Frau. Wenn Rosch Haschana, das
Neujahrsfest, kommt, tun wir Buße und denken uns am Beginn des
neuen Jahres in unseren Herzen: „So und so werden wir handeln, das
und das werden wir machen.“ Aber die Tage gehen nur mit Geschwätz
vorüber, und wir machen nichts.

Das klingt ziemlich desillusionierend, ziemlich enttäuschend, mitten hinein in
unsere Pläne, Vorsätze und Träume. Aber, wenn wir ehrlich sind, ist es eine ziemlich realistische Geschichte. Zwar wird in den seltensten Fällen alles zu Bruch gehen, was wir uns erträumen, was wir planen, aber Scherbenhaufen säumen unser aller Lebensweg.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich möchte die Aufbruchsstimmung dieser Tage nicht kaputtreden, im Gegenteil: Ich möchte Ihnen allen Mut machen, wirklich heute einen Anfang zu wagen, mit Träumen und Hoffnungen in das neue Jahr zu gehen. Und glauben Sie mir, ich wünsche mir für Sie alle die Erfüllung Ihrer Sehnsüchte. Damit sie sich erfüllen, brauchen wir zweifelsohne eine gehörige Portion Glück. Aber es gehört noch viel mehr dazu, vor allem gehört dazu die richtige Einstellung, die richtige Haltung.

Maria – Modellfall für uns
In der Geschichte mit dem Ei ist uns eine Frau begegnet, die im doppelten Sinn eine arme Frau war: Sie war materiell schlecht gestellt, und – das ist das eigentlich Entscheidende – sie scheitert mit ihren Plänen. Wahrhaft, eine arme Frau.
Ich möchte ihr eine andere Frau gegenüberstellen, eine Frau, die uns ebenfalls heute begegnet. In der Liturgie feiern wir heute das Hochfest der Gottesmutter Maria. Das Bild, das uns die Bibel von ihr zeigt, ist auch das einer armen Frau. Aber in ihrem Fall nur in materiellem Sinn. Denn von ihrer Haltung her ist Maria eine reiche Frau, eine gesegnete Frau, eine Frau, die ein Modell für uns alle sein kann, weil sie eben das genaue Gegenteil der Frau in der Geschichte mit dem Ei ist, keine Schwätzerin, sondern eine Frau, die alle Worte in ihrem Herzen aufnimmt, nichts sagt, aber das tut, was getan werden muss.

Viele Menschen tun sich heute schwer mit der Gestalt der Maria. Für die einen
gehört Maria nicht mehr in unsere Zeit, sie sehen Maria als ein Relikt aus längst
vergangenen Tagen, in denen es noch viele gläubige Mütter gab. Andere hingegen
übertreiben mit ihrer Marienfrömmigkeit und machen aus der Gottesmutter eine
Göttin. Ich möchte Sie einladen gerade heute, an dem Tag, der von Neujahr und vom Hochfest der Gottesmutter Maria gleichermaßen besetzt ist, Maria weder mit den Augen der einen, noch der anderen Seite zu sehen, sondern in Maria den Modellfall des Menschen zu sehen, der so handelt, wie in einem Lied gesungen wird: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.“

Mit ihrem Geschwätz und ihren haltlosen Plänen vertut die Frau in der
Geschichte mit dem Ei ihre Chance auf ein besseres Leben, das sie mit einem Ei in der Hand zu haben glaubte.
Maria hat nichts vertan, sondern in beispielhafter Weise getan, worauf es
ankommt. Es ging ihr letztendlich nicht um ein besseres Leben für sie selbst, sondern um ein besseres Leben für alle Menschen, die auf das Kommen des Retters warteten. Viele Worte hat sie weder gebraucht noch gesprochen, nur ein schlichtes „JA.“ Vor acht Tagen hat dieses Ja Hand und Fuß bekommen. Heute, am Oktavtag von Weihnachten, erinnern wir uns daran. Wir stehen am Ende der Oktav, die Festtage sind vorbei, wir stehen an der Schwelle des Alltags. Es gilt, die Vorsätze von gestern und heute in unserem Alltag umzusetzen. Gewiss, es ist schwierig. Aber ähnlich schwierig war es wohl auch für Maria, im Alltag ihr „Ja“ durchzuhalten.
Wie schnell ist etwas vertan, weil der Alltag mit seinen Sorgen und Nöten, uns die Kraft raubt, uns erdrückt. Und diese Gefahr ist umso größer, je mehr wir den Boden unter unseren Füßen, unsere Vorsätze und Pläne verlieren, und je mehr wir uns allein auf unsere eigenen Kräfte verlassen. Die Frau mit dem Ei ist das beste Beispiel dafür, wie wir es nicht machen sollten.

Maria begegnet uns als Mensch, der entschieden und mutig mitwirkt am
Heilsplan Gottes. Sie setzt ihre ganze Kraft ein für diesen Plan, sie lässt voll und
ganz Gott eingreifen in ihr Leben. Es bedeutet für sie eine einschneidende
Veränderung, die ihr Leben einen Verlauf nehmen lässt, den sie so nie geplant hatte. Maria verliert keine großen Worte, aber sie tut etwas Großes. Und sie tut es im Vertrauen auf den Segen, auf die Hilfe Gottes, sie tut es, wie es so schön heißt „in Gottes Namen“.

„In Gottes Namen“
„In Gottes Namen“ – vermag das nicht ein hilfreiches Motto zu sein, jetzt am
Anfang des Jahres, mitten in unseren guten Vorsätzen? In Gottes Namen, so wie
Maria. In Gottes Namen war es ihr möglich, sich ihrer Lebensaufgabe zu stellen. In Gottes Namen konnte sie tun, worauf es ankam. In Gottes Namen können auch wir getrost in das Neue Jahr gehen, seine Chancen nutzen. In Gottes Namen mag es für uns ein gesegnetes Jahr werden, und wir können zum Segen für die Menschen werden, die uns in diesem Jahr begegnen. Wir wissen nicht, wer und was auf uns zukommen wird, aber „in Gottes Namen“ können wir alles wagen.

 

Maria Gleißl, Pastoralreferentin