Zum Jahresschluss – Hl. Silvester I., Papst (g)

Predigtimpuls

Unser Leben – eine Antwort auf Gottes Wort

Lesung: 1Joh 2,18-21
Oder: Ez 34,11-16
Evangelium: Joh 1,1-18
Oder: Mt 16,13-19

 Unser Leben – eine Antwort auf Gottes Wort

Hast Du dein Wort eingelöst?
„Was man verspricht, das hält man auch!“, so lautete ein Grundsatz meiner
Erziehung. Lieber weniger versprechen, oder nur das Versprechen, was man auch
wirklich erfüllen und leisten kann. Dieser Grundsatz ist mir sehr sympathisch,
schließlich ist es auch mir lieber, auf Menschen zu stoßen, die ihr Wort halten, die lieber einmal Bedenken anmelden, Zweifel an der eigenen Leistungs- und
Willenskraft äußern, als großspurig das Blaue vom Himmel herunter holen zu wollen, und dann doch oft an Kleinigkeiten zu scheitern, bzw. für viele Dinge zu
bequem zu sein.
Viel ist uns in diesem Wahljahr versprochen worden. Ob all dies eingelöst werden
kann, das werden wir sehen. Die Zeit wird uns darüber auf dem Laufenden halten. Und ob sich alle, die etwas versprochen haben, auch in wenigen Wochen oder Monaten, gar in Jahren noch an ihr Wort erinnern, das werden wir erleben oder erleiden.
Viele Worte haben auch wir im zu Ende gehenden Jahr gesprochen. Viel haben wir gesagt, angekündigt, uns vorgenommen, manchmal wohl überlegt, ein andermal ziemlich unvorsichtig und vorschnell. Heute Nachmittag/Abend ist es nun Zeit Bilanz zu ziehen, im besten Sinn sich Rechenschaft zu geben, und zu beurteilen, ob es ein ehrliches, ein ernst gemeintes, ein echtes Bemühen war, oder ob wir ziemlich oberflächlich geworden sind.

Wie steht es mit meinem Wort/meinen Worten?
„Worte nur Worte, nur Worte!“, so heißt es in einem Lied, das darüber klagt, dass
den schönen Worten kaum Taten folgten. Wir dürfen heute wirklich danken, wo wir es tatsächlich fertig gebracht haben, unser Wort einzulösen. Wir dürfen uns freuen, wo uns das Ja-Wort der Liebe phantasievoll und echt gelungen ist, wo wir zuverlässig sein konnten in unseren Beziehungen und in unserem Arbeiten. Wir dürfen stolz darauf sein, wenn wir unsere Versprechen wirklich einhalten konnten durch viel Disziplin, anhand eines guten Terminkalenders, auch durch Menschen, die uns geduldig erinnert und immer wieder gemahnt haben. Wir dürfen froh sein, wenn wir den Mut hatten, auch Unangenehmes zu sagen, Grenzen zu setzen und Folgen zu tragen, wenn wir nicht immer nur „lieb Kind“ sein wollten und konnten, sondern auch einmal klärende und deutliche Worte sagen mussten und konnten.
Und für all die Worte, deren Einlösung wir schuldig geblieben sind, für all die
Versprechen, dass wir mal vorbeikommen, endlich einen Brief schreiben oder
wenigstens anrufen, und wo wir nicht dazu gekommen sind, oder es bewusst vermieden und verschoben haben, wo uns die Lust und die Zeit und die Freude fehlten, da dürfen wir darum bitten, bei den Betroffenen und bei Gott, dass uns eine neue Chance geschenkt werde, dass wir das Unwohlsein im Hinterkopf bereinigen und bald von Herzen zum Umsetzen „schreiten“ können.

Gott hat sein Wort eingelöst.
„Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben …“ (Joh 1,3-4a). Gott hat sein Wort eingelöst: sein schöpferisches Wort am Anfang allen Werdens; sein prophetisches Wort, dass er nun die Seinen selber suchen wolle, was er ja in seinem Sohn Jesus Christus ganz intensiv und äußerst konkret verwirklicht hat; sein ermutigendes und heilendes Wort; sein verzeihendes und Hoffnung stiftendes Wort; sein Wort, das uns die Macht gab und täglich neu gibt, seine geliebten Kinder zu sein und immer mehr zu werden.
Gott blieb unseren menschlichen Augen nicht verborgen. In Jesus ist er in die Welt und Zeit hineingestiegen, in Leid und Begrenztheit, in Sterblichkeit und äußerste Verlassenheit, in menschliche Beziehungen und die Zumutungen des alltäglichen Lebens. Gott hat keine Ausreden verwendet, sondern sich ganz und gar zugesagt. Und er tut es in den unendlich vielen Geschichten, die uns die Heilige Schrift berichtet, immer wieder ganz konkret, ganz persönlich, immer im Blick auf uns Menschen. Und dieses sein Wort ist lebendig und gilt auch für uns, für unsere Zeit, für jeden Tag neu. Wir können darin unsere Lebenssituationen entdecken und die Botschaft, das Wort Gottes für uns suchen.
Gott redet nicht nur von Heil, er schenkt es. Gott ergeht sich nicht in Gedanken
über die Liebe, er lebt sie bis zum Äußersten. Gott denkt nicht nur an Verzeihen, er
schenkt Vergebung. Gott stellt nicht nur Pläne auf, er sieht mehr als nur
Möglichkeiten, er hilft und tröstet, er macht Mut und hilft Menschen an sich selbst
zu glauben, sich nicht einzuigeln in Versagen und Schuld, sondern immer wieder
neu aufzustehen, anzufangen, Schritte zu setzen, notfalls auch auf sehr unsicherem
Grund, aber Hauptsache im Blick auf ihn. Jesu Leben ist dafür der Beweis.
Und wenn wir nach Rettung und Hilfe schreien, wenn wir uns verlassen und ausgenutzt vorkommen, wenn wir uns übersehen und unwichtig fühlen, dann setzt er dagegen, auch wenn wir es nicht immer gleich spüren, dann erinnert er uns an unsere Würde, dann hört er nicht auf an uns zu glauben und uns daran zu erinnern, dass es ganz wichtig ist, dass es uns gibt, dass wir an unserem Platz unsere Frau oder unseren Mann stehen, als Jugendlicher, junger Erwachsener oder als Kind uns ins Spiel bringen …Und manchmal erfahren und verstehen wir ein Wort erst nach Jahren, vielleicht Jahrzehnten als eingelöst. Manchmal geht uns erst im Rückblick auf, was wir in der erlebten Gegenwart nicht durchblickt und nicht verstanden haben.

Was möchte ich sagen?
Neue Zeit liegt vor uns. Wir haben im Jahr 2003 wieder die Chance, Worte zu sagen, gute Worte, ernst gemeinte Worte, liebevolle Worte, und auch deutliche und klare.
Aber vielleicht sollten wir uns überlegen, was wir denn sagen wollen? Welche
Botschaft, welches Wort braucht mein Lebensraum von mir? Worauf warten die Menschen, die mit mir leben vielleicht schon ganz lange? Versöhnung? Vergebung? Dankbarkeit?
Vielleicht stehen auch Worte der Entscheidung an: dass ich meine Berufswahl
treffe? Dass ich zu meiner Partnerin/meinem Partner endlich verbindlich JA sage? Dass ich ehrlich sage, was ich denke, meine, befürchte? Dass ich mich traue zuzugeben, was mich verletzt hat! Dass ich anderen Anteil an mir schenke, an dem, was in mir vorgeht, was letztlich hilft, mich zu verstehen!
Was möchte ich sagen? Vielleicht lohnt es sich, heute Nacht, heute Abend einmal
der Frage nachzugehen, welche Botschaft möchte ich/würde ich, wenn ich der
Bundespräsident, der Papst, der Bischof wäre, unters Volk bringen? Was würde ich mit meinen Neujahrswünschen gerne ernsthaft verbreiten?
Vielleicht wäre es auch interessant, mir zu überlegen, wie ich es denn sagen möchte; in einem Brief? Durch die Blume? Am Telefon? In einem „geistlichen Testament“? Leise oder ganz laut? Ohne Worte? Durch die Tat meines Lebens und meines Glaubens?
Es ist nicht leicht, Antworten zu finden, solche Worte zu verfassen, auszusprechen. Und das gilt für Gespräche und für Gebete. Das erleben wir schon bei dem Riesenschritt vom Wollen bis zum Vollbringen, bzw. vom darüber Reden bis zum Tun.
Der Verfasser des ersten Johannesbriefes hat das große Anliegen, dass die Wahrheit erkannt wird und in die Welt hinein findet. In seinen Augen ist die Stunde der Entscheidung gekommen.

Unser Leben – das getane Wort?
Gott hat sich für uns entschieden. Unser Leben darf eine Antwort auf sein Wort sein. Er überredet uns nicht, er lässt uns zu Wort kommen. Er kann warten und bei ihm müssen wir unsere Worte auch nicht auf die Goldwaage legen. Aber sagen sollten wir sie ihm … Und nicht schuldig bleiben sollten wir die Umsetzung in die Tat, damit die Menschen uns schätzen lernen, nicht als großartige Redner, sondern als Menschen und Christen, die versuchen, aus dem Anfang des Wortes, der Idee, des Wollens, die Folge des Tuns, die Tat des Vollbringens zu leisten.

Für das Geschenk der Zeit danken wir Gott heute. Seine Geduld mit uns, sie ist so
leicht nicht zu übertreffen. Warum sollten wir es nicht wagen, wirklich authentisch zu leben, auch wenn einmal etwas schief geht oder wir den Mund zu voll nehmen?

 

Pfr. Albert L. Miorin